Skip to main content

Die byzantinischen Wandmalereien

In den byzantinischen Kirchen von Naxos finden sich oft auch heute noch Reste von mittelalterlichen Wandmalereien, und zwar nicht nur in den Kirchen der zentralen, stärker besiedelten Region und in den großen Dörfern, sondern auch in den kleinen „Feldkirchen“, die sich fernab der Siedlungen auf dem Land befinden. Ursprünglich waren alle Kirchen mit Wandmalereien ausgestattet. Diese ersten Malereien sind in vielen, aber nicht allen Kirchen im Lauf der Jahrhunderte mit neuen Bildern übermalt worden, so dass man heute in manchen Kirchen die Reste von Wandmalereien aus verschiedenen Phasen der byzantinischen Zeit sehen kann. Besonders interessant sind natürlich die Kirchen, in denen die erste, oft sehr alte Ausstattung nie übermalt wurde und darum heute noch sichtbar ist, oder in denen man die darüberliegenden Schichten abtragen konnte.
Auf Naxos gibt es wesentlich mehr byzantinische Kirchen und Wandmalereien als auf allen übrigen Kykladen-Inseln zusammen; aber auch anderswo in Griechenland und auf dem gesamten Balkan kann man kaum eine derartige Ansammlung interessanter und bedeutender mittelalterlicher Kirchen aus allen Phasen der byzantinischen Zeit finden.
Natürlich sind heute in den meisten Kirchen die ehemaligen Ausschmückungen weitgehend oder vollständig zerstört, verwittert oder übertüncht. In einer ganzen Reihe von Kirchen finden sich nur geringe Spuren oder unbedeutende Reste an Malereien. Es gibt aber auch eine verhältnismäßig große Anzahl an Kirchen, in denen noch ein größerer Teil der Bemalung erhalten und erkennbar ist. Man hat in den über 120 byzantinischen Kirchen um die 180 Schichten an Wandmalereien verzeichnen können, die aus allen Phasen der byzantinischen Zeit stammen. Selbst die heute erhaltenen, meist geringen, halb zerstörten und verblichenen Reste sind noch sehr beeindruckend. Wie müssen die Bilder erst auf den Betrachter gewirkt haben, als sie noch frisch und neu waren!

Die Bedeutung der byzantinischen Wandmalereien

Es ist interessant sich anzuschauen, auf welche Weise sich die neue christliche Religion und die Bedürfnisse der Gläubigen in den byzantinischen Wandmalereien ausdrücken, insbesondere im Kontrast zu den antiken Tempeln und ihrer Ausstattung. Bemerkenswert ist vor allem der Kontrast zwischen der Innen- und Außengestaltung der Kirchen: Während die Bauten selbst oft sehr bescheiden und manchmal geradezu unsorgfältig ausgeführt waren, tragen doch auch viele der einfachsten und kleinsten Kirchen innen schöne und aufwändige Malereien. Was war den Menschen an den Malereien so wichtig? In der Antike dienten die perfekt errichteten, harmonischen Tempel den Menschen als Ort der Verehrung der fernen, allmächtigen Götter, die sich wenig für den einzelnen Menschen interessierten und oft rücksichtslos, launisch und furchterregend waren. Die Besucher der Tempel brachten Opfer dar, um die Götter auf ihre Seite zu bringen oder zu beschwichtigen, oder sie versuchten im Tempel ihr zukünftiges Schicksal zu erfahren oder zu beeinflussen. Die Tempel waren ein Ausdruck der Macht, Schönheit und Perfektion sowohl der fernen Götter als auch des harmonischen und idealen Universums, an dessen Rand die Welt der Menschen lag.

In der christlichen byzantinischen Zeit war das Bedürfnis der Menschen, die die Kirchen besuchten ein gänzlich anderes. Die Kirchen waren als Gebäude wenig bedeutend: Sie waren nur die Leinwand, auf der die heilige Geschichte präsentiert wurde. Die Bilder, die der Gläubige sah, wenn er in die Kirche trat, zeigten ihm in symbolischer oder anschaulicher Weise das Leben Christi und der Muttergottes sowie der Heiligen und die wichtigsten Inhalte der christlichen Religion. Der christliche Glaube wurde durch sie in einer für die Gemeinde leicht verständlichen, direkt ansprechenden Art vermittelt. In den Malereien fand der Gläubige einen Ausdruck und einen Vermittler für seine Gebete und Nöte, für seine Hoffnung und seinen Trost.

Die byzantinischen Wandmalereien gaben dem Gläubigen einen Ort, an dem er seine Bitten vorbringen konnte und Trost und Hoffnung fand.

Die naxiotischen Wandmalereien der byzantinischen Zeit

Die Wandmalereien von Naxos weisen insgesamt zwar einen mehr oder weniger ländlichen Charakter, aber doch oft ein hohes Niveau in der Technik und künstlerischen Gestaltung auf. Die naxiotische Kirchenmalerei gehört der Kirchenkunst von Byzanz an, die sich aus der antiken griechischen Kunst und Malerei entwickelt hat: Thematik, Komposition und Ausführung entsprechen im Großen und Ganzen den zeitgleichen Malereien in anderen Teilen des Byzantinischen Reiches. Es gibt auf Naxos jedoch auch einige Beispiele von ungewöhnlicher oder einzigartiger Thematik und Darstellungsweise.

Der Schatz an byzantinischen Malereien, der sich auf Naxos heute findet, ist nicht nur in der Hinsicht bemerkenswert, dass sich all diese Malereien über so viele bewegte und schwierige Jahrhunderte erhalten haben. Vor allem ist es erstaunlich, dass es auf der kleinen Insel Naxos nicht nur genügend Menschen gab, die materiell bzw finanziell in der Lage waren, all diese Kirchen zu errichten und auszustatten, sondern auch eine Bevölkerung, für die die so vermittelte Botschaft so bedeutsam war, dass es den Aufwand rechtfertigte. Die große Zahl an neu errichteten oder neu ausgeschmückten Kirchen im 13. Jahrhundert, als die Insel Naxos unter venezianische, d.h. katholische Herrschaft geraten war, lässt vermuten, dass die Griechen der Insel (die während der ganzen vielen Jahrhunderte bis in die Neuzeit hinein ein bemerkenswert schlechtes Verhältnis zu den katholischen Feudalherren hatten), in der Ausschmückung ihrer Kirchen und in der Ausübung ihrer orthodoxen Religion auch ihr Nationalgefühl und ihre Identität ausdrückten: Auf der großen und in den vielen Jahrhunderten seiner Geschichte oftmals bedeutenden und mächtigen Insel Naxos blieb dieses Bedürfnis offenbar auch in den schwierigen Jahren der Fremdherrschaft noch sehr präsent.

Verständlicherweise sind die meisten Kirchen von Naxos heute abgeschlossen; nur in abgelegenen, ländlichen Regionen findet man noch mit Wandmalereien ausgeschmückte Kirchen, die frei zugänglich sind, und auch von denen hat es sich bislang nur bei einer kleinen Zahl ergeben, dass ich sie besucht habe. Entsprechend kann ich hier nur eine kleine Auswahl an Wandmalereien mit Fotos vorstellen. Trotzdem hoffe ich, dass schon die wenigen Beispiele, die ich hier bringen kann, die Thematik ausreichend illustrieren und vor allem auf die Schönheit und Besonderheit dieses reichen byzantinischen Schatzes aufmerksam machen.

Die Thematik der Wandmalerei

In den naxiotischen kirchlichen Wandmalereien der byzantinischen Zeit tauchen bestimmte Themen besonders häufig auf. Abgesehen von der Zeit des Bildersturms (9./10. Jhd.), in der man die Kirchen nur mit Ornamenten oder Kreuzeszeichen ausgeschmückt hat, werden in den Wandmalereien Christus, Maria und Johannes der Täufer (Johannes Prodromus) am häufigsten dargestellt. Dazu kommen die Heiligen und Hierarchen, die Evangelisten und Apostel; und auch Engel machen häufig ihre Erscheinung.
In den meisten naxiotischen Kirchen ist in der Halbkuppel der Apsis die Deesis abgebildet mit einer großen Abbildung von Christus in der Mitte mit Maria auf der linken Seite und Johannes dem Täufer auf der rechten, die als Fürbitter fungieren und die Gebete der Gläubigen an Christus weiterleiten. In der Kuppel der Kirche thront meist der Pankrator, umgeben von Engeln, Aposteln und/oder Heiligen. Christus hält oft (wie auch in der Deesis) ein Buch, entweder das Evangelium oder das Buch des Lebens (in diesem Fall fungiert Christus als Rechtssprecher, der bestimmt, wer in den Himmel kommt). Unterhalb der Deesis an der halbzylindrischen Wand der Apsis ist oft die Eucharistie abgebildet, mit zwei oder drei Hierarchen oder Heiligen auf den Seiten und dem Altar mit Brot und Wein oder mit Christus als Opferlamm in der Mitte. Inden „Zwickeln“ zwischen den Bögen der Kuppel sieht man oft die vier Evangelisten. Die restlichen Wände um die Apsis und die Kuppel sind meist mit diversen Heiligen geschmückt, entweder als Ganzkörper-Darstellung, oder nur die Köpfe in runden „Medaillons“. In der Vorhalle, unterm Dach und im Bereich des Eingangs sind oft Szenen aus dem Leben Christi oder Marias dargestellt wie die Taufe Jesu, seine Präsentierung im Tempel 40 Tage nach der Geburt (Darstellung des Herrn = Mariä Lichtmess), seine Kreuzigung oder die Himmelfahrt, oder die Entschlafung Marias; außerdem auch Parabeln oder Geschichten aus dem Leben der Heiligen.

Die Phasen der Wandmalerei

Die erste Phase der frühchristlichen Epoche, 5. und 6. Jhd.

Es gibt mindestens neun Kirchen auf Naxos, deren Anfänge in die frühchristliche Epoche zu datieren sind; die älteste ist vermutlich die Höhlenkirche Kalorítissa zwischen Damariónas und Sangrí, die aus dem 4. Jahrhundert stammt. Im 5. oder 6. Jahrhundert wurden die drei großen Tempel der Insel in Kirchen umgewandelt. Außerdem wurden auf Naxos in dieser Zeit mindestens zwei neue, sehr große Kirchengebäude errichtet (Ágios Stéfanos in Angídia und Ágios Matthaíos bei der Pláka). Wie alle frühchristlichen Kirchen auf Naxos waren auch diese als dreischiffige Basiliken konstruiert, mit je zwei Reihen von 5 bzw 6 Säulen (wobei antike Säulen von einem der Tempel der Insel verwendet wurden). Weitere frühchristliche Basiliken lagen neben dem hellenistischen Turm von Chimárrou (nicht erhalten), bei Monítsia (Ágios Isídoros, mäßiger Erhaltungszustand, ohne erhaltene Wandmalereien) und bei Trípodes (Ágios Akepsimás, umgebaut und renoviert). Von den meisten dieser Kirchen existieren heute nur noch spärliche Reste; auch die besser erhaltenen weisen – mit Ausnahme der sehr interessanten Höhlenkirche Kalorítissa – keine Wandmalereien mehr auf.
Die Höhlenkirche Kalorítissa aus dem 4. Jahrhundert ist die älteste Kirche der Insel. Sie enthält bedeutende Wandmalereien aus verschiedenen Epochen, teilweise aus der Zeit vor dem Bildersturm; die Wandmalereien auf dem Foto stammen aus dem 10. Jahrhundert. Fotos von Dieter Depnering

Die spätere frühchristliche Epoche, 7. und 8. Jhd.

Bedeutende frühchristliche Wandmalereien aus dem 7. und 8. Jahrhundert sind außer in Kalorítissa in den Kirchen Panagía Drosianí bei Moní und Panagía Protóthronos in Chalkí erhalten. In beiden Kirchen finden sich unter diesen ältesten Malereien ungewöhnliche Darstellungen oder Anordnungen der Figuren, der damaligen christlichen Anschauungsweise entsprechend, insbesondere eine einzigartige doppelte Ausführung von Christus in der Kuppel der Panagía Drosianí als junger und als älterer Mann. Manche Charakteristika der Ausführung der frühchristlichen Wandmalereien von Naxos zeigen eine Verwandtschaft zu gleichzeitigen byzantinischen Kirchen Roms, was möglicherweise darauf zurückgeführt werden kann, dass der römische Papst Martin I. um das Jahr 653 auf Naxos in Verbannung war.
Die Kirche der Panagía Drosianí bei Moní ist eine der ältesten Kirchen von Naxos mit bedeutenden Wandmalereien, von denen die frühesten aus dem 7. Jahrhundert stammen und zu den ältesten byzantinischen Wandmalereien in Griechenland gehören. Zweites Bild: Wandmalerei mit Maria Nikopoios (oben) und der Deesis (unten); beide mit ungewöhnlichen und urtümlichen Aspekten.

Die Zeit des Bildersturms, 9. und Beginn des 10. Jhds.

Mit insgesamt 14 Kirchen findet sich auf Naxos die im ganzen griechischen Raum mit Abstand größte Ansammlung von Kirchen mit Wandmalereien aus der Zeit des Bildersturmes. Die Thematik der Malereien ist sehr vielfältig und umfasst sowohl geometrische ornamentale Muster als auch Kreuzes- und Tierdarstellungen. Teilweise entstammen die Motive frühbyzantinischen Darstellungen, teilweise sind sie offensichtlich von der islamischen Kunst beeinflusst. Nur einige kleinere Abbildungen ähneln den wenigen ikonoklastischen Beispielen aus benachbarten Regionen Griechenlands (Kreta, Peloponnes, Evritania).

Es ist schon etwas erstaunlich, dass die von der byzantinischen Reichshauptstadt Konstantinopel ausgehende ikonoklastische Bewegung sich so schnell bis auf so weit entfernt gelegene, ländliche Inseln wie Naxos auswirkte. Möglicherweise ist die Abbildung von nicht-figürlichen Motiven weniger ein Resultat des Bilderstreits und mehr darauf zurückzuführen, dass in dieser Zeit (von 824 bis 961 n. Chr.) die Araber Kreta erobert hatten, und auch in der übrigen Ägäis sehr präsent waren; Naxos war den Arabern zeitweise tributpflichtig.

Erstaunlich ist auch, dass in einigen naxiotischen Kirchen (vor allem Ágia Kyriakí bei Apíranthos, Ágios Artémios bei Sangrí und Theológos Adisárou in der Nähe des Kástro Apalírou) diese nicht-figürlichen Malereien nach dem Ende des Bildersturms nicht oder nur in Teilen übermalt wurden, so dass sie bis heute sichtbar blieben (fast die einzigen Beispiele dieser Art in ganz Griechenland).
Die Kirche Ágia Kyriakí bei Apíranthos besitzt einzigartige ornamentale Wandmalereien aus der Zeit der Bildersturms (obere zwei Bilder). Eine weitere Kirche mit bedeutenden Wandmalereien aus der Zeit des Bildersturms ist Joánnis Theológos in Danakós (untere zwei Bilder).
Aus der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts sind keine Wandmalereien auf Naxos bekannt. Diese Pause sowohl was das Bauen als auch das Ausschmücken der naxiotischen Kirchen betrifft, ist vermutlich auf die Überfälle oder die zeitweise Eroberung der Insel durch arabische Piraten in dieser Zeit zurückzuführen.

Die mittelbyzantinischen Wandmalereien, 10. bis 12. Jhd.

Aus der Zeit vom späten 10. bis zum 12. Jahrhundert sind auf Naxos nicht sehr viele Beispiele von Wandmalereien erhalten, einige darunter gehören jedoch zu den bedeutendsten und am besten erhaltenen der Insel, so Teile der Ausschmückung der Panagía Protóthronos in Chalkí und die Kirchen Ágios Geórgios Diasorítis und Panagía Damniótissa in der Nähe von Chalkí und Monítsia. Es handelt sich hauptsächlich um größere Kirchen im dicht besiedelten zentralen Bereich der Insel (Tragaía und Sangrí). Die Malereien dieser Zeit weisen eine hohe Qualität und ein weitgefächertes, teilweise ungewöhnliches Repertoire auf. Als Stifter werden bedeutende kirchliche und weltliche Oberhäupter der Insel angegeben, wodurch sich die hohe Qualität erklären lässt.

In der Kirche der Panagía Protóthronos ist die Kuppel in der Mittelbyzantinischen Phase zweimal übermalt worden mit nur vier Jahren Abstand, das zweite Mal offensichtlich von einem anderen Auftraggeber, wobei einige Figuren durch andere ersetzt wurden. Dabei fällt auf, dass die neuere Schicht nicht nur eine etwas einfachere, gröbere Ausführung, sondern auch eine traditionellere Auswahl der Figuren aufweist, was auf eine recht konservative theologische Anschauung hinweist. Auch andere Wandmalereien dieser Zeit sind thematisch eher „rückorientiert“ und offenbar bewusst traditionsgebunden ausgeführt.

Ein einzigartiges Beispiel der Wandmalerei dieser Zeit ist die Kirche Ágios Geórgios Diasorítis in der Nähe von Chalkí. Es handelt sich um eine Kreuzkuppelkirche mit einem etwas jüngeren, querstehenden Vorbau und einfachen Glockengiebel im Westen. Die fast vollständig erhaltenen Malereien aus dem frühen 11. Jahrhundert (einige gehören einer späteren Schicht aus dem 12. Jhd an) sind nicht nur von ausgezeichneter Qualität und Schönheit, sondern auch in der Auswahl der Darstellungen und der Anordnung der Figuren sehr bemerkenswert. Um ähnliche Darstellungen zu finden, muss man in vielen Fällen in weit weg gelegenen Kirchen suchen, so auf Kreta, in Thessaloniki, in Korfu, aber auch in Kappadokien und in Kiew. Besonders bemerkenswert an den Wandmalereien des Ágios Geórgios Diasorítis ist die ausgewogene, theologisch durchdachte, als Ganzes und in den Einzelheiten harmonische Komposition der dargestellten Heiligen und biblischen Szenen, sowie die Ausführung der Figuren mit angenehmen, kräftigen Farben und entschlossener, aber sorgfältiger Linienführung. Sehr beeindruckend sind die abgebildeten Heiligen mit ihrem ernsten und besonnenen, aber auch kraftvollen Ausdruck, der gleichzeitig eine tiefe heilige Ruhe und Menschenfreundlichkeit widerspiegelt. Dabei besitzt jeder Heilige trotz der insgesamt ähnlichen Haltung eigene Charakteristika. Wie ergreifend muss die Kirche gewesen sein, als alle Malereien noch frisch und unbeschädigt waren!

Insgesamt kann diese Phase als „goldene Zeit“ der naxiotischen kirchlichen Wandmalerei bezeichnet werden. Die Ägäis hatte damals eine große Bedeutung im byzantinischen Reich und Naxos muss, wie man aus der lebendigen und prächtigen kirchlichen Architektur und Kunst schließen kann, eine wichtige Rolle gespielt haben.
Die Wandmalereien in der bedeutenden Kirche Ágios Geórgios Diasorítis bei Chalkí sind in ihrer Vollständigkeit im gesamten Ägäisraum einzigartig. Sie stammen aus dem 11. und 12. Jahrhundert. Auch zwei Heiligenköpfe aus der Panagía Archatoú bei Agiassós stammen aus derselben Phase, genauer aus dem 12. Jahrhundert.

Die Spätbyzantinische Epoche, 13. und 14. Jhd.

Aus der zweiten Hälfte des 13. und den ersten Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts stammen die weitaus meisten byzantinischen Kirchen von Naxos. In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts wurden keine neuen Kirchen erbaut oder ausgeschmückt: offenbar eine Auswirkung der Eroberung der Insel durch die Venezianer im Jahr 1207. In der zweiten Hälfte des 13. Jhds dagegen, nach der Wiedereroberung Konstantinopels durch die Byzantiner im Jahr 1261, sowie zu Beginn des 14. Jahrhunderts erreichen die Errichtung und Ausschmückung von Kirchen einen beeindruckenden Höhepunkt. Es gibt nur wenige Kirchen auf Naxos, in der sich keine Malereien aus dieser Zeit nachweisen lassen, d.h. praktisch alle Kirchen wurden in diesen Jahren neu ausgestattet oder die Malerei wurde erweitert. Bei den in dieser Zeit neu errichteten Kirchen, ebenfalls eine große Zahl, handelt es sich größtenteils um kleinere Bauten, die sich vor allem in den abgelegeneren, ländlichen Gebieten der Insel befinden.

Als Stifter der Malereien werden, wo Inschriften erhalten sind, lokale Priester und einfache Dörfler angegeben; manchmal sind die Malereien von den Stiftern selbst angefertigt worden. Entsprechend ist die Ausführung oft, aber nicht immer, von etwas einfacherer Qualität als die Malereien der vorigen Phase, aber in Anbetracht dieser Umstände doch größtenteils sehr bemerkenswert; nur wenige Malereien haben einen wirklich „dörflichen“ Stil. Die Thematik ist wiederum meist eher konservativ und recht frei, was die Auswahl der dargestellten Figuren betrifft: Diese richtete sich offensichtlich nach dem persönlichen Geschmack des Stifters.

Es folgen Fotos von Heiligenköpfen aus mehreren Kirchen, um die Vielfalt in Stil, Farbgebung und Technik zu dokumentieren; weitere Fotos findet man in den Artikelkn zu den einzelnen Kirchen (Links ganz unten auf der Seite).
Ab dem Beginn des 13. Jahrhunderts (1207) stand Naxos unter venezianischer, also katholischer Oberherrschaft. Es ist erstaunlich, dass der byzantinische Kirchenbau und die Wandmalerei auf Naxos in dieser Zeit eine derartige Blüte erlebten. Dieser Umstand zeigt nicht nur, dass die griechische Bevölkerung der Insel in diesen ersten zwei Jahrhunderten der venezianischen Feudalherrschaft noch eine vergleichsweise große religiöse Freiheit und wirtschaftliche Selbständigkeit besaß, sondern verdeutlich auch, wie wichtig den Naxioten trotz aller widrigen Umstände das Bewusstsein ihrer Nationalität und der orthodoxen Religion war. Das wird besonders in der Tatsache deutlich, dass in den Wandmalereien fast nirgendwo ein westlicher Einfluss nachzuweisen ist – damals wie auch später hielten sich die Venezianer und Griechen streng getrennt und es kam zu kaum einer gegenseitigen kulturellen Beeinflussung.
Hier zwei der sehr spärlichen Beispiele für einen katholischen bzw westlichen Einfluss in den naxiotischen Wandmalereien: erstes Foto: die geraden Unterränder der Augen der Heiligen (Ágios Nikólaos am Troúllo bei Komiakí); zweites Foto: die mit Einstempelungen versehenen Heiligenscheine (Panagía Liouriótissa in Marathós)

Die Zeit der Türkischen Oberherrschaft

In der zweiten Hälfte des 14. Jhds. kam die Blüte der naxiotischen Wandmalerei zu einem abrupten Ende, offensichtlich im Zusammenhang mit türkischen Piratenüberfällen. In diesen Jahrzehnten verschärfte sich zudem die Unterdrückung und Ausbeutung der griechischen Bevölkerung durch die katholischen Feudalherren, eine Situation, die auch während der türkischen Oberherrschaft ab 1537 noch anhielt und sogar in die Neuzeit hinein überlebte. Erst nach der Unterwerfung der Venezianer durch die Türken (im späten 15. Jhd. sowie im 17. und 18. Jahrhundert) wurden auf Naxos wieder vereinzelte Wandmalereien angefertigt, obwohl den orthodoxen Griechen unter der türkischen Oberherrschaft das Errichten von Kirchen untersagt war. Im Lauf der Zeit suchten und fanden die Griechen eine gewisse Unterstützung bei der Hohen Pforte gegen die katholischen Feudalherren, und die Lage der griechischen Bevölkerung begann sich langsam etwas zu bessern.

Zum Abschluss noch zwei Bilder von modernen Wandmalereien in der Dorfkirche von Keramotí: Wenn auch Stil und Anfertigung sehr anders sind als bei den mittelalterlichen Malereien, können uns diese Bilder vielleicht doch einen Eindruck davon vermitteln, wie die mittelalterlichen Wandmalereien gewirkt haben müssen, als sie noch frisch und neu waren, und ermöglichen uns vielleicht, das Bedürfnis der Gläubigen nachzuvollziehen, aus dem heraus in den Jahrzehnten und Jahrhunderten seit der Annahme der christlichen Religion in Griechenland all die wunderbaren, berührenden und beeindruckenden Wandmalereien geschaffen worden sind.

Es ist wirklich zu wünschen, dass dieser naxiotische Schatz in Zukunft eine ähnliche Beachtung finden wird wie die antiken Altertümer der Insel!

verwendete Literatur:
  • Βυζαντινή Ναοδομία στη Νάξο, Η Μετέληξη από την Παλαιοχριστιανική στην Μεσοβυζαντινή Εποχή, Διδακτορική Διατριβή, Κλήμης Ασλάνιδης, Πανεπιστήμιο Πατρών, Τμήμα Αρχιτεκτονικής, 2014
  • Βυζαντινό Πάρκο Τραγαίας Νάξου, Ένας νησιώτικος θρησκευτικός „Μυστράς“ στην Κεντρική Νάξο, Γιώργος Ανομερίτης, Εκδόσεις Μίλητος, Αθήνα 2009
  • Νάξος, Βυζαντινή τέχνη στην Ελλάδα, Μανώλης Χατζηδάκης, Εκδόσεις Μέλισσα, Αθήνα 1989
  • Οι παλαιοχριστιανικές Τοιχογραφίες στη Δροσιανή της Νάξου, Νικόλαος Β. Δρανδάκης, Έκδοση του Ταμείου Αρχαιολογικών Πόρων και Απαλλοτριώσεων, Αθήνα 1988
  • Νάξος, Το άλλο κάλλος, Γεώργιος Μαστορόπουλος, Ελληνικές Ομοιογραφικές Εκδόσεις, Αθήνα