Die Landschaft von Naxos
Naxos hat viel zu bieten, sowohl für kulturell Interessierte als auch für Naturliebhaber. Die Landschaft der Insel ist sehr abwechslungsreich: es gibt öde Marmorhänge, auf denen kaum ein Pflänzchen wächst, und grüne Flusstäler mit üppig wuchernder Vegetation; es gibt hohe, abgelegene, karge Gipfel und bewirtschaftete Ebenen mit einem Schachbrettmuster kleiner schilfumsäumter Felder. Die Insel besitzt sanfte Täler mit Ölbaumhainen, grünen Weinterrassen und Paradiesgärten mit Gemüse und Obstbäumen aller Sorten; sie hat steile schroffe Berghänge, vielerorts kahl und leer, anderswo von Eichenwäldern oder niedrigem Gestrüpp bewachsen, mit versteckten Platanenquellen und tief eingeschnittenen, dicht bewachsenen Schluchten. An der Küste liegen kleine, heimliche Buchten mit herrlichen weißen Kieseln zwischen abweisenden, steilen Marmorklippen; anderswo erstrecken sich ausgedehnte Sandstrände mit Wacholder-bestandenen Dünen.
In diesem Artikel stelle ich die typische Landschaft der verschiedenen Regionen der Insel in vielen Fotografien vor – es kann sich dabei natürlich nur um einen kleinen Überblick handeln, bei dem ich für jede Gegend ein paar charakteristische Fotos herausgepickt habe.
Kap Stavrós bei Moutsoúna und die Mákares-Inseln im Morgenlicht
Landschaft südwestlich vom Zeus-Berg
Landschaft beim Kóronos-Berg
Naxos hat genau die richtige Größe: Die Insel ist klein genug, dass man sie bequem in Tagesausflügen erkunden kann, aber groß genug, um eine überraschende Vielfalt an Landschaften zu bergen: Jede Ecke der Insel hat ihren eigenen Charakter und ihren eigenen Reiz.
Meer und Berg
Für Griechenland ist die enge Verflechtung von Meer und Gebirge typisch: Das Meer ist überall nah und zieht sich oft in tiefen Buchten ins Land, aber direkt hinter der Küste steigen an vielen Stellen gleich hohe, steile Berge an. Auch Naxos wird beherrscht von diesen zwei charakteristischen Bestandteilen der griechischen Landschaft: Meer und Berg.
die Bucht von Azalás
Das Meer ist auf Naxos fast von jeder Stelle aus zu sehen; es bildet überall den Hintergrund. Die Insel liegt mitten in der Ägäis, etwa gleich weit vom griechischen Festland, von der Türkei und von Kreta entfernt. Es gibt nur wenige Orte auf der Erde, wo sich so viele große und kleine Inseln auf so engem Raum drängen wie in der Ägäis – eine einmalige Welt, deren Schönheit seit dem Altertum besungen wird. Dennoch hat Naxos abgesehen von dem Küstenstreifen definitiv einen gebirgigen Charakter. Die zwei höchsten Bergspitzen sind um die tausend Meter hoch, und der größte Teil der Insel besteht aus einer tief zerfurchten Gebirgslandschaft. Die Gipfel wirken beinahe alpin, und in den versteckten Tälern der Berge kann man die Nähe des Meeres fast vergessen.
Blick vom Gipfel des höchsten Berges, des Zeus
steile Felsküste bei Lionas
Flusstal im Inselinnern bei Keramotí
Geologie
Die landschaftliche Vielfalt von Naxos kommt unter anderem durch den komplizierten geologischen Aufbau der Insel zustande. Von großer Bedeutung für die Vielfalt ist das ausgeprägte Relief mit tief eingeschnittenen Tälern und steilen, felsigen Hängen. Die Insel Naxos ist ein Teil des Gebirgszuges, zu dem auch die Alpen und der Himalaja gehören. Die Ägäis ist kein echter Ozean, sondern im Meer versunkenes Festland, von dem nur die höchsten Spitzen herausschauen. Die Steilheit der Inseln ebenso wie der griechischen Gebirge ist darauf zurückzuführen, dass es sich geologisch betrachtet um ein junges Gebirge handelt, das von der Erosion noch nicht wieder eingeebnet ist.
der Hauptgebirgszug der Insel, Blick vom Zeus nach Norden
Auf der Insel treten (stark vereinfacht dargestellt) drei Gesteinsarten großflächig auf: Marmor, Schiefer und Granit bzw. Gneis. Jedes dieser Gesteine bildet eine deutlich unterschiedliche Landschaft. Aufgrund ihrer verschiedenen Wasserrückhaltefähigkeit, Erosionsanfälligkeit und chemischen Zusammensetzung bieten sich recht unterschiedliche Standortbedingungen für Pflanzen, so dass auch der Bewuchs in den verschiedenen Bereichen teilweise voneinander abweicht.
Marmorlandschaft: westlich vom Zeus-Berg
Granitlandschaft: am Kóronos-Berg
Schieferlandschaft: in Myrísi
Der Westteil der Insel
Der Westteil von Naxos ist weniger gebirgig als der Ostteil. Hier liegen mehrere Ebenen auf unterschiedlicher Meereshöhe, die auf verschiedene Weise entstanden sind. In der Umgebung der Hauptstadt Chóra liegen die sogenannten Livádia; hierbei handelt es sich um Schwemmebenen, die aus dem von den Bergen herabgespülten Erosionsmaterial bestehen. Sie werden landwirtschaftlich genutzt, hauptsächlich für die Produktion von Getreide als Viehfutter. Die kleinen Felder sind von hohem Schilfrohr, das als Windschutz dient, umrundet. Ein weiteres Charakteristikum dieser Landschaft sind die riesigen Agaven mit ihren meterhohen Blütenständen. Mitten in der Schwemmebene liegen die Überreste eines großen Tempels des Dionysos, des Gottes der Fruchtbarkeit und des Weines.
die Livádia bei der Chóra
Der Felsuntergrund in diesem westlichsten Teil der Insel besteht größtenteils aus Granit, der in schönen runden Felskuppen herausschaut und zu einem herrlichen grobkörnigen Sand verwittert, der die ausgedehnten Strände der Südwestküste von Ágios Prokópios bis Kastráki bildet sowie an manchen Stellen sogar mit Stech-Wacholder bestandene Dünen. Der größte Teil des Tourismus auf Naxos spielt sich in der Chóra und an den südlich davon gelegenen Sandstränden bei den Orten Ágios Prokópios, Ágia Ánna und Mikrí Vígla ab.
Kirche auf Granitfels an der Küste, bei Ágia Ánna
Der Granit verwittert zu einem herrlichen grobkörnigen Sand, der hier ausgedehnte Strände bildet.
Großfrüchtiger Wacholder auf Dünen bei Ágia Ánna
Von großer Bedeutung insbesondere für die durchziehenden Wasservögel sind die Lagunen an den Flussmündungen, vor allem die große Lagune am Flughafen südlich der Chóra.
Blick auf die Lagune am Flughafen; im Winter ist sie mit Wasser gefüllt
Im westlichen Teil der Insel gibt es an Flussmündungen noch einige weitere Schwemmebenen, so zum Beispiel bei Engarés nördlich der Chóra. Diese Ebene erweckt mit ihren vielen kleinen, oft mit Obst- und Ölbäumen bestandenen grünen Feldern den Eindruck einer Oase inmitten der öden, braunen Berghänge.
die Ebene von Engarés
Auch weiter inland liegen im westlichen Teil der Insel größere fast ebene Gebiete, bei denen es sich um durch eine tiefgründige Erosion eingeebnete Flächen handelt. Die größten ebenen Flächen befinden sich in der Umgebung des Dorfes Sangrí. Hier liegt inmitten der schon seit Urzeiten mit Getreide bebauten Felder auf einer sanften Hügelkuppe der interessante Tempel der Demeter, der Schutzgöttin des Ackerbaus.
Blick über die Ebene um Sangrí
Blick vom Kástro Apalírou über das Tal von Marathós
Nördlich von Sangrí ist in die nur sanft gewellte Rumpfebene das grüne Tal von Potamiá eingeschnitten mit seinem von Platanen gesäumten Flusslauf und seinen drei kleinen, malerischen Dörfern inmitten von Gärten und Olivenhainen.
das Tal von Potamiá
im Flusstal bei Potamiá
Die Inselmitte: die Tragaía
Die Mitte der Insel wird von einer auf etwa 300 bis 400 m Höhe gelegenen „Hoch“-Ebene, der Tragaía, eingenommen. Diese auf (fast) allen Seiten von Bergen überragte und von mehreren tief eingeschnittenen Torrenten durchzogene Fläche ist fast ausschließlich mit Ölbäumen bestanden, so dass sie von oben betrachtet wie ein Olivenwald aussieht. Hier liegen eine ganze Reihe von Siedlungen, darunter Filóti, das nach der Chóra größte Dorf von Naxos. Die Tragaía ist das grüne Herz der Insel mit schönen Dörfern, zahlreichen interessanten Kirchen, venezianischen Wehrtürmen, Windmühlen und malerischen Ölhainen mit teilweise uralten Bäumen.
Blick auf die Tragaía
bei Moní
bei Kalóxylos
Olivenhain am Ostrand der Tragaía
Westlich der Tragaía und östlich des Tales von Potamiá erhebt sich eine größere, kahle Hügelkuppe, auf der ein verfallenes venezianisches Kastell thront (Apáno Kástro). Geologisch gesehen handelt es sich um den herauserodierten, aufgewölbten Granitkern des Gebirges. Der karge Hügel aus großen abgerundeten Granitblöcken zwischen denen nur eine recht spärliche Vegetation gedeiht, erweckt aus der Ferne den Eindruck einer Mondlandschaft. Aber wer hier wandert, entdeckt die eigenartige Schönheit der Granitlandschaft: die mit bunten Flechten gemusterten Felsen, die Orchideen und vielen anderen Blumen, die zwischen ihnen sprießen und die eigenartigen Form der Verwitterung, die die Granitblöcke von unten aushöhlt (Tafoni).
der Granitberg mit dem Apáno Kástro auf der Spitze
Tafoni (von unten verwitterter Granitblock)
Die Berge der Inselmitte: Fanári und Zeus
Richtung Osten wird die Tragaía vom fast 900 m hohen Kamm des Fanári überragt, während sich südöstlich der höchste Berg der Insel (und der Kykladen), der 1004 Meter hohe Zeus, anschließt.
Blick vom Fanári nach Norden
der seltene Doldenblütler Hellenocarum multiflorum am Gipfel des Fanári
altes Steinhaus am Fanári
Filóti mit dem Zeus im Hintergrund
Diese Gebirgszüge bestehen hauptsächlich aus Marmor, der gelegentlich von Schieferschichten durchzogen ist. Sie sind von lockerer Zwergstrauchvegetation bewachsen, an einigen Stellen auch mit Waldresten vor allem aus Kermeseichen. Die Spitze des Zeus ist fast kahl. Vom Gipfel aus kann man einen atemberaubenden Rundblick über die Insel genießen. Im engen Tal von Danakós nordöstlich des Gipfels mit seinem vergleichsweise feuchten und kühlen Klima sprießt eine besonders üppige Vegetation mit vielen Kräutern und Bäumen. Der Westabhang des Zeus ist fast senkrecht und größtenteils unzugänglich. In ihm wächst ein bemerkenswerter lockerer Wald aus teilweise riesenhaften Steineichen.
Steineichenwald im Westhang des Zeus-Berges
am Osthang des Zeus-Berges
In der Bergregion liegen in malerischen Hochtälern an den Flanken der Berggipfel auf etwa 600 m Höhe drei größere Dörfer (Apíranthos, Kóronos und Komiakí). Die Flanken der Täler sind hier überall mit Trockenmauern terrassiert und mit Weinstöcken, Obstbäumen oder Gemüsegärten bepflanzt. Früher war jedes verfügbare Fleckchen der fruchtbaren Erde bewirtschaftet, heute verfallen jedoch die meisten Terrassen ungenutzt. Um die Dörfer Apíranthos und Danakós sowie auch in der Tragaía wachsen an vielen Stellen mächtige Flaum- und Walloneneichen, die eindrucksvolle, weit ausladende Bäume bilden.
Landschaft zwischen Apíranthos und Danakós
das Hochtal bei Apíranthos
Flaumeiche bei Apíranthos
die Felsen bei Provolákia östlich von Apíranthos
Südlich des Kóronos-Berges: bei Kinídaros und Keramotí
Nördlich der Tragaía schließt sich das sanfte, grüne Tal von Sífones an. Danach kommt man zu einem tief eingeschnittenen Tal, das von Keramotí über Kinídaros nach Engarés führt. Über einen großen Teil dieser Strecke fließt in diesem Tal ein ganzjährig wasserführender Fluss, umgeben von einem für die Ägäis sehr bemerkenswerten dichten Auwald vor allem aus Erlen und Platanen. Hier kann man in eine ganz andersartige Landschaft eintauchen: das sprießende urwaldartige Gestrüpp, das Gluckern des Wassers, das über die Granitblöcke sprudelt, die Schattenspiele der Bäume, die wegtauchenden Wasserschildkröten, die über den Wasserflächen spielenden Libellen. Ähnliche Flüsse fließen auch in mehreren anderen Tälern nordwestlich und nördlich des Kóronos-Massivs, wo der Untergrund aus Granit und Schiefer besteht, die das Wasser nicht so stark versickern und unterirdisch abfließen lassen wie der Marmor.
das verlassene Dörfchen Sífones
das große Tal nördlich von Kinídaros
Flusslauf im Tal von Kinídaros
der Wasserfall von Routsounas bei Keramoti
Der Kóronos-Berg und der Norden der Insel
Der Kóronos-Berg, der mit 997 Metern kaum niedriger ist als der Zeus, weist heute nur noch einen spärlichen Bewuchs auf, obwohl es bis vor wenigen Jahrhunderten hier dichte Kastanien- und Steineichenwälder gegeben haben soll. Heute ist der eindrucksvolle Gipfel mit einer interessanten Heide bedeckt, die dicht von Strauchflechten bewachsen ist. An diesem Bergzug stauen sich häufig Wolken, da hier die Feuchtigkeit der mit den Nordwinden vom Meer heraufsteigenden Luftmassen kondensiert – auch im Sommer kann man hier in Nebelwolken geraten. Am westlichen Abhang des Kóronos-Berges wächst kleinflächig eine für Naxos einmalige dichte Macchie mit Baumheide und Erdbeerbaum.
Auf dem Gipfel des Kóronos-Berges wächst eine schöne Heide.
bei Skepóni nordwestlich des Kóronos-Berges
altes Steinhaus bei Skepóni
Auf der Ostseite der Kóronos-Berges liegt das gleichnamige Dorf mit den Schmirgelminen, die im steilen, kargen Tal unterhalb des Dorfes liegen. Das Tal endet in der engen Bucht von Líonas mit beeindruckenden Steilfelsen.
Blick von Kóronos nach Skadó
die Schmirgelminen mit der Seilbahn, bei Koronos
im Tal von Kóronos nach Líonas
Liónas, ein abgeschiedenes kleines Hafenörtchen
Am nördlichen Hang des Kóronos-Massivs liegt hoch auf den Bergen das freundliche, vom Tourismus wenig berührte Bergdorf Komiakí (Koronída), in einem grünen Hochtal mit vielen Gemüsegärten, Weinbergen und heute größtenteils verwilderten Obstgärten. Hier wächst auch ein dichter, für Naxos einzigartiger Flaumeichenwald.
Komiakí
Wanderweg im Wald bei Komiakí
im Flaumeichenwald bei Komiakí
Der nördliche Teil der Insel besteht überwiegend aus verschiedenen Sorten Schiefer. In den unteren Lagen sind die steilen Hänge von einer dichten, einförmigen Zwergstrauchvegetation bewachsen, die im Sommer einen vergilbten, öden Eindruck erweckt. Teilweise gedeiht hier die im Frühling herrlich gelbgrün gefärbte Baum-Euphorbie. Unten im Tal verläuft ein weiterer ganzjährig wasserführender Fluss, der von Komiakí bis nach Apóllonas führt.
das Tal von Apóllonas
Baumeuphorbien bei Apóllonas
Flusslauf bei Apóllonas
das Hafenörtchen Apóllonas ganz im Norden von Naxos
Der Ost- und der Südteil
Der östliche und südliche Teil der Insel ist besonders typisch mediterran. Der Untergrund besteht hier vor allem aus Marmor. Die Landschaft ist sehr trocken, da das Regenwasser größtenteils unterirdisch abfließt. Die Flusstäler, in denen nur nach heftigen Regenfällen Wasser fließt („Torrente“), sind dicht von herrlich rosa blühendem Oleander bestanden. Nur an wenigen Stellen steht genügend Wasser für eine Bewirtschaftung zur Verfügung; überall trifft man jedoch auf Olivenhaine.
alter terrassierter Ölbaumhain
Torrente bei Ágios Dimítris
Landschaft bei Ágios Dimítris
Landschaft an der Ostküste im Winter
Die Hänge werden vor allem als Weidefläche für Ziegen und Schafe genutzt. Die verschiedenen Landstücke sind durch sich kilometerweit über die Berge ziehende Ziegenmauern abgetrennt. Entsprechend der starken Beweidung sind die meisten Hänge nur schütter bewachsen, größtenteils mit stacheligen Zwergsträuchern oder giftigen Pflanzen wie der Meerzwiebel, die im Spätsommer hohe weiße Blütenstände treibt. An vielen Stellen gedeihen jedoch auch kleine, von den Ziegen mehr oder weniger verbissene Bäume, vor allem Kermeseiche, wilde Olive und Phönizischer Wacholder. Teilweise schließen sich die Bäume zu einem lockeren Wald zusammen. In Meeresnähe gesellen sich sehr wärmebedürftige Arten wie der Johannisbrotbaum dazu, in den höheren Lagen Arten mit höherem Feuchtebedarf wie der Immergrüne Ahorn.
Landschaft an der Südküste
die Südküste zwischen Kalandós und Pánormos
Meerzwiebeln an der Südküste von Naxos
weiter: Die mediterrane Landschaft
siehe auch:
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