Dorfarchitektur und Steinhäuser
Die kykladischen Dörfer
Die Dörfer auf den Kykladen bestehen üblicherweise aus kleinen, enganeinander stehenden Häusern mit engen Gassen dazwischen. Die naxiotischen Dörfer (außer den Hafensiedlungen wie Moutsoúna) sind allesamt schon sehr alt; sicher bestanden die meisten schon im Mittelalter. Die Häuser wurden so eng aneinander gebaut, damit möglichst wenig Land verbraucht wurde. In den letzten Jahrzehnten haben sich alle Dörfern etwas oder deutlich ausgedehnt, da man zunehmend neue Häuser um das alte Dorf herum baut, vor allem, damit die Häuser einfacher mit dem Auto zu erreichen sind.

Die naxiotischen Dörfer bestehen aus eng aneinander stehenden, kleinen, weißgetünchten Häusern (hier das Dorf Kóronos).

Apíranthos
Die Gassen in den naxiotischen Dörfern sind meist sehr eng. Die Häuser sind zwei- oder manchmal dreistöckig. Oft sind zusätzliche Zimmer oberhalb der Gasse an die Häuser drangebaut worden; die Gasse führt dann durch eine Art Tunnel. Eine Besonderheit der Architektur mancher Dörfer sind die „abgeschnittenen“ Ecken der Häuser, wodurch den beladenen Maultieren ermöglicht wird, um die Ecken zu kommen ohne anzustoßen.


enge Gassen in Apíranthos

Hier ist ein zusätzliches Zimmer oberhalb der Gasse an das Haus gebaut worden.

Derartige durch die Häuser überdeckte Gassen kommen in den Bergdörfern der Insel häufig vor.

Hier zwei „abgeschnittene Ecken.“


Die Türen sind von Marmorbalken („mórsa“) umrahmt, in die oft Wappen oder Namen der Erbauer sowie Jahreszahl eingraviert sind.

Auch um die Fenster sitzen Marmorbalken; traditionellerweise befinden sich die Glasfenster außen und die Fensterläden innen.

In diesem alten Steinhaus sieht man den traditionellen niedrigen, breiten Kamin mit einem kleinen Platz für das Feuer in der Mitte; daneben standen zwei Hocker auf denen man am Kamin sitzen und sich wärmen oder kochen konnte.
„Mitáti“
Die einfachsten Häuser auf Naxos sind die mitáti, kleine Steinhäuser, die in der Landschaft verstreut stehen und die den Hirten und Bauern als Wohnhaus dienten, wenn sie auf ihren Ländereien oder bei ihren Tieren übernachteten. Die mitáti besitzen typischerweise nur einen niedrigen Eingang auf der Mitte der Längsseite und keine Fenster. Das Dach besteht aus von Wand zu Wand reichenden Steinplatten mit Erde darüber. Entsprechend konnten die mitáti eine gewisse Breite nicht überschreiten, obwohl man die Breite etwas erhöhte, indem man Wände oben etwas nach innen hin verbreiterte.

Ein mitátos war ein schmales Gebäude, meist in N-S-Richtung angelegt, ohne Fenster und mit einem meist sehr niedrigen Eingang in der Mitte der Längsseite (meist nach Osten schauend).

Während das Gebäude von außen rechteckig ist, neigen sich die Wände innen zusammen, was dadurch erzielt wird, dass die Wände nach oben hin dicker werden. Auf diese Weise wird der Zwischenraum zwischen den Längswänden soweit verringert, dass er durch große Steinplatten abgedeckt werden konnte.
Größere Räume wurden durch einen Rundbogen in der Mitte des Zimmers ermöglicht, wodurch die Breite des Raumes auf das Doppelte erhöht werden konnte. Die Gebäude dieser Art fallen nicht mehr in die Kategorie mitátos, sondern sind als „Häuser“ zu rechnen. Üblicherweise hatten sie einen großen Eingang, durch den man aufrecht gehen konnte, einen Kamin sowie manchmal Fenster. Das Dach war wie bei den mitáti mit Erde bedeckt und wurde vor den ersten Regenfällen mit einem Marmorzylinder gewalzt. In Häusern dieser Art, die man verstreut über die ganze Insel antrifft, wohnte eine Familie für längere Zeit, vielleicht gar das ganze Jahr über. Oft liegt neben dem eigentlichen Haus ein Stall oder ein anderes Wirtschaftsgebäude.
Ein kleines Haus am Fanári

Hier ein richtiges kleines Anwesen mit einem Steinhaus, daneben zwei mitáti, die als Stall dienten, und einem Weintretbecken (linoú); am Westhang des Fanári.

Die Dächer waren mit Erde gedeckt.

Innenraum mit gemauerter Bank und in die Wand eingearbeiteten Nischen als Regale. Die Wände waren sorgfältig verputzt.

Am anderen Ende des Raumes liegt ein zugemauertes Fenster, eine weitere Nische und der kleine Kamin.

Der Eingang von innen mit weiteren eingemauerten Nischen und Regalen; rechts sieht man den Rundbogen, der das Dach trägt.

Hier das Dach von unten mit dem Rundbogen in der Mitte und Steinplatten nach rechts und links. Auch hier wird die Außenwand nach oben hin dicker, um einen größeren Innenraum zu ermöglichen.

Der davor gelegene kleine Stall ist dagegen als einfacher mitátos gebaut.
Größere Häuser
Noch größere Räume konnte man dadurch schaffen, dass man die Zimmer mit Holz deckte. Geeignetes Holz war auf Naxos schwieriger zu finden als Steinplatten; am häufigsten wurden starke Äste des Phönizischen Wacholders verwendet. Der Nachteil des Holzes ist seine geringere Haltbarkeit: Während an vielen mitáti das mit Steinplatten gedeckte Dach noch steht, sind Holzdächer meist eingestürzt.

Hier ein „richtiges“ Haus (bei den Mühlen im Flusstal unterhalb von Apíranthos) mit drei großen Räumen, deren Decke ursprünglich durch Holzbalken gestützt war.

Dieses Haus besitzt auch ein richtiges Fenster. Dessen Sturz war aus Holz und ist verschwunden; der Rundbogen darüber steht dagegen noch.
Das Steinhaus am Pníchtis
Wenn man den Wanderweg 1 von Azalas zu den Schmirgelminen entlang geht, kommt man etwa auf halbem Weg des Fußpfades, oberhalb des Tales des Torrente (meist trockenes Flussbett) namens Pníchtis („der Ertränker“) an einem schönen alten Steinhaus vorbei.

Das sorgfältig errichtete und noch recht gut erhaltene Steinhaus zeigt die übliche Architektur der Steinhäuser: Es ist aus Naturstein errichtet mit einem großen und einem kleineren Raum und einer überdachten Veranda, die mit einem großen Rundbogen abgestützt wird. Zu dieser Veranda geht man vom Fußweg aus ein paar Stufen hinauf.

Die Wände des Vorbaus sind sorgfältig gemauert, aber nicht verputzt. Das Haus besitzt eine hohe Tür und ein richtiges Fenster, beide von mórsa (Marmorbalken) umgeben; über dem Tür- und Fenstersturz sitzt ein zweiter Marmorbalken, der zum Abhalten des Regenwassers etwas vorragt. Das Haus ists von innen und außen verputzt.

An den beiden Seitenwänden der Veranda und auf der linken Seite neben der Tür sind Nischen in die Wand eingearbeitet. In der Nische neben der Tür stand üblicherweise eine Amphore mit Trinkwasser. Die Decke besteht aus dicken gesägten Holzbalken, auf denen Steinplatten liegen.

Auch der Innenraum ist mit Holzbalken und Steinplatten abgedeckt. Statt auf einem Rundbogen liegen die Holzbalken hier in der Mitte des Raumes auf einer Eisenschiene von den Schmirgelminen. Im hinteren Teil sind zwei Balken weggebrochen samt der auf ihnen liegenden Steinplatten. Dort sieht man, dass oberhalb des traditionellen Daches hier schon ein Betondach gegossen worden war.

die Balken und Steinplatten des Daches

Das Steinhaus besitzt den üblichen niedrigen, weit offenen Kamin mit flachem Rundbogen. In der Mitte befindet sich die kleine gemauerte Feuerstelle; an beiden Seiten ist Platz zum Sitzen. Rechts steht noch der übliche niedrige Hocker. An der Wand hängen zwei Pfannen; vorn hängt ein bríki für griechischen Kaffee.

Vorm Haus liegt ein (heute ziemlich öde wirkender) Olivenhain.

Zum Olivenhain klettert man über diese Steintreppe hinunter; platzsparende Treppen dieser Art wurden oft in den Terrassenmauern angelegt.
Die Häuser in Sífones

Sífones ist eine typische kleine Siedlung aus alten Steinhäusern, die aus dem in der Gegend anstehenden, bestens dazu geeigneten Schieferstein gemauert sind.

Im Hof des verlassenen Hauses hat sich – sehr typisch – eine Feige breitgemacht. Man sieht die großen Marmorpfosten um die Tür (mórsa) und das schöne eingemauerte Regal daneben.

Die Häuser sind zweistöckig gebaut mit Stall- und Vorratsgebäuden darum herum.


Ein großer Rundbogen in der Mitte des Vorraums. Die Decke liegt auf Holzbalken auf.

Das Dach dieses Raums besteht aus großen Steinplatten, die auf kleineren Steinplatten ruhen, die auf den geraden, d.h. oben nicht verbreiterten Wänden aufliegen.

Während manche der Häuser schon ein Betondach haben (ursprünglich vermutlich mit Holz), ist bei den hier zu sehenden Häusern das Dach auf andere Weise gestützt:

Hier sind Eisenträger verwendet, auf denen genau eingepasste Steinplatten liegen. Bei den Eisenträgern handelt es sich um Gleise von den Schienen der kleinen Waggon-Bahnen in den Schmirgelminen.

In diesem Haus sieht man auch den typischen, sehr großen Kamin, bei dem das Feuer in der Mitte geschürt wurde, während rechts und links je ein kleiner niedriger Hocker zum Sitzen stand.

Und hier der obligatorische Marmorzylinder für das Walzen des Erddachs.
Häuser in Agiá

Hier ein richtiges Wohnhaus, das im fruchtbaren, wasserreichen Tal von Agiá liegt.

Es besitzt eine hohe Tür und ein schön gemauertes Fenster mit aufrechten Steinen und Rundbogen.

In der Mitte des Raumes befindet sich ein großer Rundbogen.


Auf dem Rundbogen lagen ursprünglich starke Holzbalken, auf denen wiederum Steinplatten auflagen. So wird ein ungewöhnlich großer Raum erreicht. Leider haben auch diese Holzbalken größtenteils dem Zahn der Zeit nicht widerstanden.

An einem in der Nähe gelegenen kleineren Gebäude, das auch mit Holz (vermutlich Wacholder-Äste) und Steinen abgedeckt war, sieht man die dicke Erdschicht, die auf dem Dach lag.

Wie schade, dass alle diese so schön und sorgfältig gemauerten Häuser heute verfallen!
weiter: Die Steinhäuser am Karkos
siehe auch: