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Die Beziehungen zu den Nachbarvölkern

Als Inselvolk hatten die Bewohner der Kykladen immer viele Kontakte zu ihrer Umgebung. Aller Wahrscheinlichkeit nach sind die Inseln in der Jungsteinzeit von einem Volk besiedelt worden, das aus dem Osten, aus der Levante und Kleinasien, einwanderte. Außerdem gab es schon seit der Steinzeit enge Beziehungen zum nördlichen Ägäisraum bis nach Bulgarien, die wohl auf dieselbe Weise von weiter nach Norden vordringenden Stämmen besiedelt worden waren. Während der Bronzezeit wurde der Austausch mit den Nachbarvölkern über den Handel noch verstärkt.

Man kann die Beziehungen der Kykladenkultur zu den Nachbarn etwa folgendermaßen zusammenfassen: In der ersten Phase der Frühen Bronzezeit entwickelte sich die Kykladenkultur recht eigenständig, wenn auch eine deutliche Verwandtschaft zu den Kulturen insbesondere Kleinasiens und des Levanteraumes besteht, wo eine ähnliche Kulturstufe schon Jahrhunderte bis Jahrtausende früher erreicht wurde. In der mittleren und späten Phase der Kykladenkultur spielte der Handel mit der zunehmenden Seeschiffahrt eine immer größere Rolle und es kam zu einem starken Austausch zwischen Kulturen, die sich über längere Zeit weitgehend unbhängig voneinander entwickelt hatten. Dabei gibt es einen markanten Unterschied zwischen den Beziehungen nach Osten und Norden (Kleinasiatische Küste, Troja, Anatolien, Syrien, Palästina, aber auch Ägypten), von wo aus die Kykladen hauptsächlich Impulse empfingen, und den Kontakten nach Westen und Süden (Kreta, griechisches Festland und westliches Mittelmeergebiet), wo die Kykladenbewohner kleine Siedlungen gründeten und so ihre Kenntnisse und Bräuche weitergaben. Für etwa 2.200 v. Chr. sind auch schon Handelskontakte bis nach Mitteleuropa nachgewiesen.

Kontakte zur Levante und dem Nahen Osten

Es gibt von der frühesten Zeit an eine unübersehbare Ähnlichkeit zwischen den Kulturen der Kykladen und der Levante, insbesondere mit Syrien und Palästina. In diesen Gebieten war eine entsprechende Kulturstufe schon einige Jahrhunderte früher erreicht worden. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die ersten steinzeitlichen Siedler in die Ägäis aus der Levante einwanderten, vermutlich mit einer Zwischenstation in Kleinasien. In den folgenden Jahrhunderten wurden enge Kontakte zwischen den beiden Regionen über einen regen Handel aufrecht erhalten. Auch in späteren Epochen noch kann man immer wieder Zeugnisse für die engen Beziehungen zwischen der Ägäis und der Levante finden. Manche Forscher meinen, dass die Kenntnis der Metallverarbeitung aus der Levante in die Ägäis gelangte und zwar durch Händler, die auf der Suche nach Metallvorkommen waren.

Übereinstimmungen zwischen beiden Regionen gibt es vor allem in Architektur, Siedlungsanlagen, Keramik und Metallwaren. Vermutlich lässt sich auch die so typische und wichtige kykladische Idolform (insbesondere der frühe „Plastiras“-Typ) auf syrische Vorbilder zurückführen. Aus dem Osten empfing die Kykladenkultur offenbar immer wieder wichtige Impulse.

Kontakte zur Nordostägäis

Große Übereinstimmungen zeigt die Kykladenkultur auch mit der Nordwestlichen Ägäis (Troja usw.) sowie mit Kleinasien. Es wird berichtet, dass die auf den Kykladen siedelnden Karer Verwandte der nordägäischen Thraker gewesen seien. Die ersten Handelskontakte sind schon für die Steinzeit bezeugt (durch den Fund eines thrakischen Goldblechs in der Zeushöhle und kykladischer Steingefäße in Bulgarien). Wesentlich intensiver werden die Kontakte während der Bronzezeit, insbesondere während ihrer mittleren und späten Phase. Schon deutlich früher, um die Mitte des 5. Jahrtausends v. Chr. war auf dem Balkan die Metallverhüttung, also die Gewinnung von Kupfer aus Erzen, entwickelt worden. Im Laufe der Bronzezeit wurden diese Kenntnisse nach Süden in den ägäischen Raum weitergegeben. Entsprechend zeigen die kykladischen Metallwaren der Bronzezeit deutliche Ähnlichkeiten mit denen der Nordostägäis.

In der dritten Phase der Kykladenkultur werden die Beziehungen zur Nordägäis noch verstärkt; so tritt auf den Kykladen eine Reihe von Tongefäß-Typen auf, die aus der Gegend von Troja stammen. Vielleicht weisen diese Veränderungen auf die Einwanderung von Menschen aus der nordöstlichen Ägäis hin; man kann sie aber wohl auch durch enger werdende Handelsbeziehungen erklären.

An der südlichen kleinasiatischen Küste sind außerdem Siedlungen ausgegraben worden, die aufgrund der besonders großen Ähnlichkeit und des Auftretens kykladischer Gegenstände für kykladische Kolonien, möglicherweise für Handelsniederlassungen, gehalten werden.

Kontakte nach Ägypten

Für Ägypten wird der Beginn der Bronzezeit etwas später angesetzt als für die Kykladen, genau gesagt um 2.700 v. Chr., als das Alte Reich gegründet wurde. In dieser Zeit entwickelten sich Schrift und Kalender, wenig später auch die Bildhauerei und die Steinbaukunst. Von dieser frühen Zeit an scheint es Kontakte zur Ägäis gegeben zu haben, wie einige auf den Kykladen gefundene ägyptische Gegenstände zeigen. In der Kykladenkultur kann man vermutlich in manchen Handwerkszweigen ägyptische Einflüsse erkennen, so in der Schreinerei (Stühle), den Musikinstrumenten usw. Die Proportionen der Kylkadenidole, besonders die verwendeten Winkel, richten sich in vielen Fällen offensichtlich nach ägyptischen Vorbildern.

Die Kontakte nach Ägypten kamen vermutlich über den Handel zustande. Es ist möglich, dass die Ägypter für ihre Steinbearbeitung, insbesondere für das Bohren von Löchern im harten Granit, naxiotischen Schmirgel verwendeten. Leider wird über Schmirgelfunde in Ägypten nur wenig und Widersprüchliches berichtet. In der archaischen Periode (7. und 6. Jhd. v. Chr.) sind die Übereinstimmungen der naxiotischen Marmorstatuen mit den ägyptischen jedenfalls so groß, dass kein Zweifel bestehen kann, dass es enge Kontakte gab, und dafür könnten die Schmirgelvorkommen von Naxos durchaus ein entscheidender Anlass gewesen sein.

Auch Metalle könnten von den handeltreibenden Kykladenbewohnern nach Ägypten eingeführt worden sein, da Ägypten sehr arm an Rohstoffen ist und so gänzlich auf Importe angewiesen war. In Ägypten werden Kupfer- und Bronzegegenstände etwa von derselben Zeit an häufiger wie auch auf den Kykladen. Auch in Ägypten wurde dabei anfangs die für die Kykladen typische Arsenbronze verwendet. Insgesamt waren die Kontakte zwischen den beiden Völkern aber doch eher gering und es sind nur wenige ägyptische Artifakte auf den Kykladen und auch kaum kykladische in Ägypten gefunden worden.

Kontakte zur westlichen Ägäis und zum griechischen Festland

In der westlichen Ägäis und auf dem griechischen Festland entwickelte sich in der Frühen Bronzezeit die frühe helladische Kultur, die besonders in der mittleren und späteren Phase enge Beziehungen zur Kykladenkultur aufweist, wenn es sich auch um abgegrenzte und eigenständige Kulturen handelt. Dabei sieht es so aus, als wäre die Kykladenkultur der helladischen Kultur zeitlich etwas vorausgegangen. Man kann eine Befruchtung der helladischen Kultur durch die Kykladenkultur erkennen, so wie die kleinasiatische Kultur die kykladische befruchtet hat. An der attischen Küste und auf Euböa, teilweise auch auf dem Peloponnes hat man kleine, als kykladische Kolonien interpretierte Siedlungen entdeckt, deren Gräber und Grabbeigaben offensichtlich kykladisch sind, während die Haushaltskeramik weniger Ähnlichkeiten zeigt. Auch in der lokalen attischen Produktion z.B. an Ton- oder Steingefäßen, aber auch bei den Metallgegenständen kann man oft einen Einfluss der kykladischen Kultur erkennen. Vereinzelt hat man auch helladische Gefäße auf den Kykladen gefunden.

Kontakte mit Kreta

Kreta ist allem Anschein nach schon früher dauerhaft besiedelt worden als die meisten Kykladeninseln. In der ersten Phase der Frühen Bronzezeit waren die Kontakte zwischen Kreta und den Kykladen eher schwach ausgeprägt (fast nur durch den auf Kreta gefundenen Obsidian bezeugt); in der mittleren und der späten Phase gab es engere Kontakte. Auch auf Kreta werden manche Ausgrabungen als kykladische (Handels-)Siedlungen interpretiert, insbesondere an der Nordküste der Insel. Zahlreiche eingeführte kykladische Objekte bezeugen die Handelskontakte. Deutlich ist auch der Einfluss, den die kykladische Technik auf Kreta nahm: Die kretischen Artefakte besonders der mittleren Epoche sind oft im kykladischen Stil hergestellt.

In der späten Phase der Frühen Bronzezeit wird umgekehrt der minoische Einfluss auf die Kykladen deutlicher; hier tauchen nun einige typisch minoische Gefäßformen auf, und man hat auf den Kykladen auch einige auf Kreta hergestellte Gegenstände gefunden. Im folgenden halben Jahrtausend, während der Mittleren Bronzezeit, wird die Handelsvormacht der Kykladen durch die minoischen Kreter abgelöst. Die Minoer entwickeln sich nun zu fähigen Seefahrern, erringen die Vorherrschaft über die Ägäis und gründen Kolonien beispielsweise auf Thera, Kea und Milos; die Kykladenkultur erlischt und auf den Kykladen bricht die minoische Epoche an.

Beziehungen zum westlichen Mittelmeergebiet

So wie die Kykladenkultur über die Handelsbeziehungen Impulse aus dem Osten empfing, so gab sie auch ihrerseits Impulse nach Westen weiter. Der erste Vorstoß von Kykladenbewohnern nach Westen erfolgte schon während der Jungsteinzeit. Bis zur Iberischen Halbinsel drang das Ägäisvolk vor und gründete dort kleine Niederlassungen, die deutlich der Kultur des östlichen Mittelmeeres angehören. Sie brachten dabei ihre Nutzpflanzen und ihre Haustiere mit; auch die Töpferwaren und Knochen- und Steinwerkzeuge verraten klar die ägäische Herkunft. Über die folgenden Jahrtausende wurde vermutlich ein lockerer Kontakt über einen mäßigen Handel zwischen den beiden Gebieten aufrechterhalten.

Die Siedler auf der Iberischen Halbinsel entdeckten bald die reichen Metallvorkommen dieser Region (Gold, Silber, Kupfer). Ab dem Beginn der Bronzezeit, als auch in der Ägäis der Gebrauch von Metall häufiger wurde, entwickelte sich ein reger Handel zwischen der Iberischen Halbinsel und der Ägäis; auch die Minoer kamen nun nach Spanien und Portugal und gründeten hier Kolonien. Als Zwischenstation auf dem Weg ins westliche Mittelmeergebiet diente höchstwahrscheinlich Malta; auch in Italien kann man teilweise Hinweise auf Kontakte mit der Ägäis finden. Sogar an der marokkanischen Atlantikküste und auf den Kanaren treten dem kykladischen Formenschatz ähnliche Tonwaren auf; möglicherweise sind die kykladischen Händler also bis hierhin vorgedrungen.

Die kykladischen Siedlungen der Iberischen Halbinsel lagen sämtlich in der Nähe von Kupfervorkommen und sind in Anlage und Bauweise (z.B. durch unregelmäßige Bastionen verstärkte Akropolen, Rundhäuser, Lehmziegel), aber auch in den Grabanlagen und den Gebrauchsgegenständen deutlich als kykladisch zu erkennen: Viele Metallgegenstände und Töpferwaren waren zwar aus lokalem Material, aber in kykladischem Stil hergestellt. Stücke, die direkt aus der Ägäis stammen, hat man allerdings nur sehr wenig gefunden. In den späteren Jahrhunderten wird der minoische Einfluss deutlicher und auch der Grabtypus dieser Insel (Kuppelgräber) setzt sich durch.

Die Anwesenheit der kykladischen Kulturen während des 3. Jahrtausends wirkte sich deutlich auf die zeitgenössische und auch die spätere lokale Kultur Spaniens aus. Die lokale Bevölkerung auf der Iberischen Halbinsel befand sich in dieser Zeit noch auf der Stufe der Steinzeit (Glockenbecherkultur). Eine Zeit lang existierten die kykladischen Kolonien und die lokale Kultur offenbar ohne große Probleme nebeneinander. Erst in der späteren Phase wurden die kykladischen Siedlungen befestigt; schließlich wurden sie von den Einheimischen überwältigt.

Die einheimische Kultur vollzog nun den Schritt in die Bronzezeit und übernahm die kykladischen Kenntnisse in der Metallverarbeitung. Deutliche kykladische Einflüsse kann man in der Architektur, der Töpferei, vereinzelt im Schmuck, in der Gräberkultur und im Jenseitsglauben der lokalen Kultur feststellen. Von großer Bedeutung war die Weitergabe der Schiffsbaukunst und der Navigationskenntnisse, die auch im westlichen Mittelmeergebiet ab etwa 2.000 v. Chr. zu einem Aufleben des Handels und engen Kontakten zwischen den Völkern führte. Auch die Stämme der Glockenbecherkultur wanderten nun nach Norden und Osten bis auf die rohstoffreichen Britischen Inseln, wo sie die Kultur begründeten, die unter anderem das bemerkenswerte Denkmal von Stonehenge errichtete.

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Zum Weiterlesen: Minoische Kolonien in Spanien (Los Millares) (auf englisch)