Skip to main content

Die Schmirgelminen von Naxos

Eine der vielen Besonderheiten der Insel Naxos sind ihre Schmirgelvorkommen. Es gibt kaum einen Ort auf der Welt, an dem dieses außergewöhnlich harte Mineral in so reiner Form auftritt und schon seit Jahrhunderten abgebaut wird. Der Schmirgel ist schon von den ersten Bewohnern von Naxos genutzt worden und hat für die frühe und außerordentliche kulturelle Entwicklung der Insel aufgrund seiner Bedeutung für die Marmorbearbeitung und als Exportgut eine besondere Rolle gespielt. Seine Glanzzeit hatte der Schmirgelabbau zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Auch heute noch wird Schmirgel auf Naxos abgebaut, und die traditionellen Schmirgelminen sind teilweise noch in Betrieb. Allerdings hat er seine wirtschaftliche Bedeutung seit der Entwicklung technischer Schleifmittel fast völlig verloren.

Genaueres über den Schmirgel, seinen Abbau und die Geschichte des Bergarbeiterdorfes Kóronos kann man in meinem Buch „Zwei Türen hat das Leben“ nachlesen.

Der Schmirgel – ein ganz besonderes Mineral

Schmirgel besteht aus dem Mineral Korund (Aluminiumoxid) mit Beimischungen anderer Mineralien wie Magnetit (Eisenoxid) und Spinell (Magnesium-Aluminiumoxid). Korund ist mit einer Härtestufe von 9 das härteste Mineral nach dem Diamant; außerdem ist es sehr schwer: Schmirgel hat ein spezifisches Gewicht von 4 gr/cm³ (Marmor wiegt zum Vergleich gut 2,5 gr/cm³). Zwei seltene Farbvarianten des reinen Korunds sind der rote Rubin und der blaue Saphir.


Schmirgel mit hohem Korundgehalt hat eine schwarze Färbung.


oberirdisch anstehender Schmirgel


Halde mit Schmirgelschutt an der Verladestelle

Korund entsteht durch Metamorphose aus aluminiumreichen Sedimenten (Bauxit). Reiche und reine Bauxitvorkommen können sich nur unter speziellen Bedingungen bilden, nämlich wenn aluminiumhaltige Schiefergesteine unter subtropischen, feuchtwarmen Klimaverhältnissen durch chemische Prozesse verwittern und von starken Regenfällen ausgewaschen werden, so dass nur die Aluminiumhydroxide zurückbleiben, die sich als Flusssedimente ablagern. Auf Naxos entstanden dicke Lagen solcher Bauxite dadurch, dass die aluminiumhaltigen Erosionsprodukte von höher gelegenen, heute abgetragenen Schiefergebirgen durch die Flüsse in eine tiefer gelegene Kalklandschaft transportiert und dort in Karstschründen abgelagert wurden.


Viele Schmirgelminen haben Verbindung zu natürlichen Höhlen; an manchen Stellen gibt es auch Tropfsteine so wie hier der „Despot“ in der Mine „Miaoúlis“.

Später wurde die ganze Region im Zuge der alpidischen Gebirgsbildung (bei der die Alpen, die Gebirgsketten des Balkanraumes und auch die Bergketten der Inseln des Ägäischen Meeres aufgefaltet wurden) hohem Druck und hohen Temperaturen ausgesetzt. Dadurch kam es zur Metamorphose der Gesteine, die das Kalkgestein in Marmor oder Dolomit und – unter speziellen Druck- und Temperaturverhältnisen – den Bauxit in Schmirgel verwandelte. Schließlich gelangten die Marmorschichten mit den Schmirgellinsen durch Heraushebung der Region wieder an die Erdoberfläche; darüber liegende Gesteinsschichten wurden abgetragen. Weil für seine Entstehung so spezielle Bedingungen erfüllt sein müssen, ist insbesondere Schmirgel guter Qualität auf der Erde nur sehr selten anzutreffen.


Der Schmirgel tritt in linsenartigen Vorkommen zwischen dicken Marmorschichten auf.


Die Schmirgellinsen, die sich in den Berg hineinziehen, werden unterirdisch in den Minen ausgebeutet.


Zwischen den Höhlungen, die durch den Abbau des Schmirgels entstanden sind, stehen hier und da noch schmirgelhaltige Gesteine, leicht erkennbar an ihrer schwarzen Färbung.

Außer dem Korund kommen an den Schmirgelsteinen und in der Umgebung der Schmirgellinsen noch zahlreiche weitere Mineralien vor, die in Spalten und Ritzen teilweise schöne, groß gewachsene Kristalle bilden. So kann man beispielsweise Magnetit, Spinell, Turmalin, Tremolit, Chlorit und verschiedene Glimmerschiefer wie Margarit finden, aber auch seltenere Mineralien wie Saphir.


Meist ist der Korund im Schmirgel mit anderen Mineralien vergesellschaftet. Die bräunliche Färbung entsteht durch eisenhaltige Mineralien.


Der Korund hat eine tiefscharze Färbung; er tritt im Gestein oft wie hier in Streifen oder Flecken auf.


Stein mit besonders hohem Korund-Anteil


Manchmal weist das Gestein ölartig schillernde Stellen auf.


Häufig findet man am Schmirgel Glimmerschiefer wie hier Margarit.


Dieses fast faserig ausgebildete, weiße Mineral heißt Tremolit.


Hier sitzen schön ausgebildete Turmalin-Kristalle am Schmirgelbrocken.

Die Bedeutung des Schmirgels in der Antike und in der Neuzeit

Der Schmirgel von Naxos wurde schon von den ersten Bewohnern der Insel genutzt. Die Menschen entdeckten seine außergewöhnliche Härte und benutzten ihn insbesondere für die Bearbeitung von Marmor: Schmirgelpulver vermischt mit Wasser wurde zum Aushöhlen, Sägen und Schleifen des Marmors verwendet. Die Herstellung beispielsweise der herrlichen, dünnwandigen Marmorgefäße der Bronzezeit wurde nur durch den Schmirgel ermöglicht. Ähnlich wie der Obsidian von Milos stellte auch der naxiotische Schmirgel ein bedeutendes Exportgut dar. Auf vielen umliegenden Inseln, aber auch in weiter entfernten Regionen, hat man in vorgeschichtlichen und antiken Ausgrabungsstätten naxiotischen Schmirgel gefunden.

Etwa ab dem Ende des 18. Jahrhunderts begann ein Abbau des Schmirgels in größerem Maßstab. Der Schmirgel hatte nicht nur eine außerordentliche Bedeutung für Naxos (insbesondere das Dorf Kóronos), sondern für die Wirtschaft des ganzen griechischen Staates: Über lange Zeit stellte der naxiotische Schmirgel neben den Korinthen vom Peloponnes das wichtigste griechische Exportgut dar.

Nach dem Zweiten Weltkrieg verlor der Schmirgel aufgrund der Einführung technischer Schleifmittel stark an Bedeutung. Heute spielt der Schmirgelabbau entsprechend eine viel geringere Rolle, und viele Minen wurden aus Sicherheitsgründen geschlossen. Das ganze System wird praktisch nur noch aufrechterhalten, um den Bewohnern der verarmten und weitgehend verlassenen Bergdörfer eine Einkommensquelle zu sichern.


Heute sind viele Minen aus Sicherheitsgründen stillgelegt.

Die Schmirgelvorkommen von Naxos

Die Schmirgelvorkommen von Naxos liegen im zentralen Berggebiet der Insel, vor allem im Bereich der Dörfer Kóronos und Apíranthos. Hier standen auch oberirdische Vorkommen an, von denen jedoch die meisten weitgehend erschöpft sind. Etwa seit der Mitte des 19. Jahrhunderts wird der Schmirgel in unterirdischen Minen abgebaut. Die meisten Schmirgelminen liegen auf dem Gebiet von Kóronos (71), wenige in Apíranthos (7) und nur eine gehört zu Skadó.


das „Schmirgeldorf“ Kóronos


das Tal der Schmirgelminen


Die Landschaft wirkt hier besonders öde und abweisend.

Die Schmirgelminen

Die Schmirgelminen sind etwa seit der Mitte des 19. Jahrhunderts in Betrieb. Für die Anlage einer Mine schloss sich jeweils eine Gruppe von Dörflern zusammen, die sich die Ausgaben und die Arbeit des Stollenbaus bis zum Erreichen eines Schmirgelvorkommens sowie dessen Ausbeutung teilten.


Auch heute noch wird Schmirgel auf Naxos abgebaut, und man trifft in den Bergen an vielen Stellen auf derartige Schmirgelhaufen.

Natürlich war es für die Minenbesitzer und Arbeiter von außerordentlicher Bedeutung, wie viel und wie guten Schmirgel eine Mine hergab. Gelegentlich geschah es, dass tiefe Stollen in den Berg getrieben wurden, die am Ende doch auf kein Schmirgellager stießen. Wenn andererseits eine Mine gute Ausbeute erbrachte und auf große Vorkommen erster Güte stieß, versuchten auch die Besitzer benachbarter Minen, schnell in diese Richtung vorzustoßen und dieselben Vorkommen zu erreichen. In der Nähe der Minen errichteten die Dörfler dem Heiligen Fanoúrio eine Kapelle, von dem sie Hilfe beim Finden der einträglichen Schmirgellinsen erhofften (faneróno = enthüllen).


die Kirche des Heiligen Fanoúrio in der Nähe der Schmirgelminen von Kóronos


Die große, stillgelegte Mine Sarandára soll in ein Museum umgewandelt werden. Heute werden hier die Lastwagen, die den Schmirgel transportieren, gewogen und registriert.


eines der vielen kleineren Schmirgelvorkommen, das vollständig abgetragen worden ist


der Eingang zu einer der tieferen Schmirgelminen von Kóronos

Die traditionelle Arbeit in den Schmirgelminen

Die Arbeit in den Minen war anstrengend und gefährlich und es kam nicht selten zu Unfällen.


Achtung- Sprengungen und fallende Steine!

Die Arbeiter brachen das Schmirgelgestein in den Minen mit Eisenstangen und großen Hämmern weg. Außerdem wurde mit Dynamit gesprengt. Dazu mussten erst mit den Eisenstangen Löcher in den Fels getrieben werden, die mit Dynamit gefüllt wurden. Die Sprengungen wurden vor der Mittagspause durchgeführt, damit der unangenehme und schädliche, Kopfschmerzen und Schwindel verursachende Dynamitstaub sich verziehen konnte, bis die Männer in die Mine zurückkehren mussten. In den Gängen sowie auch in den größeren Höhlungen war es sehr dunkel, da zur Beleuchtung nur Öllampen verwendet wurden; Petroleumlampen verschlechterten die Luft zu sehr. Das wenige Licht wurde zudem von den schwarzen Wänden weitgehend verschluckt. In einigen Minen gab es nicht genug Sauerstoff, so dass die Arbeiter nur kurz unter Tage bleiben konnten und sich in schnellem Wechsel ablösen mussten. Manchmal wurden handgetriebene Pumpen installiert, mit denen über einen Schlauch Luft in die Mine gepumpt wurde.


ein alter, aber noch heute benutzter Hammer zum Brechen des Schmirgels; wie seit homerischen Zeiten mit einem Stiel aus einem Trieb des wilden Ölbaums

Den losgebrochenen Schmirgel trugen die Arbeiter mit Eimern und Körben aus der Mine. In den meisten Minen gab es am Eingang ein Stück geraden Stollen, der durch Marmorschichten in den Berg getrieben war, bis er die Schmirgelvorkommen erreichte. Auf solchen Strecken verlegten die Arbeiter zur Vereinfachung des Transportes Gleise und beförderten den Schmirgel mit Loren zum Ausgang. Eine Abstützung der Minendecke war meist nicht erforderlich, da die übergelagerten Marmorschichten generell stabil sind. Wenn große Freiräume durch das Abtragen des Schmirgels entstanden, ließen die Arbeiter allerdings breite Stützpfeiler stehen, die erst am Schluss entfernt wurden, wenn die Mine keinen weiteren Schmirgel mehr hergab. Es kam vor, dass eine Mine beim Entfernen der Stützpfeiler einstürzte, und mehrere Arbeiter wurden bei derartigen Unfällen erschlagen.


In vielen Schmirgelminen sind Gleise mit Loren verlegt, mit denen der Schmirgel von der Abbaustelle tief im Berg zum Ausgang der Mine transportiert wurde oder noch wird.


Mine mit Gleisen


ebenso

Die Arbeit in den Minen heute

Heute hat sich die Arbeit in den Minen durch den Einsatz technischer Hilfen deutlich vereinfacht. Nach wie vor wird gesprengt, und es werden auch weiterhin die alten Loren verwendet, aber die Beleuchtung ist durch den Einsatz von elektrischen Lampen besser geworden (allerdings ist es immer noch fürchterlich dunkel!), und der Schmirgel wird nun mithilfe von Pressluft losgebrochen. Trotz dieser Erleichterungen ist es für den Ungeübten ein ziemliches Abenteuer, sich in die dunklen Minen hineinzuwagen und über die oft sehr steilen, schotterigen Hänge an den Abbaustellen zu klettern.

Bei unserem letzten Besuch bei den Schmirgelminen, von dem diese Fotos stammen, trafen wir an einer Mine auf die dort gerade beschäftigten Arbeiter, die uns kurzerhand einluden, mit in die Mine zu kommen und uns die Arbeit dort anzuschauen – so sind die folgenden Bilder entstanden.


Pressluft-Kompressor neben einer Mine


Vor der Mine „Merarchía“ liegt der Haufen mit dem in diesem Jahr bislang abgebauten Schmirgel; im Hintergrund ist das Pressluftgerät zu sehen.


der Eingang zur Mine


In der Mine führt ein etwa 30 Meter langer Gang mit Waggongleisen zur Schmirgellinse.


Die Arbeiter haben den Schmirgel mit Presslufthämmern losgebrochen bzw gesprengt. Jetzt wird er verladen und heraustransportiert. Ein Arbeiter lädt den Schmirgel in eine kleine Lore.


Die Lore wird mit einer Seilwinde zu den Gleisen herauftransportiert.


Zwei weitere Arbeiter schütten den Schmirgel in den Waggon aus.


Der volle Waggon wird zum Ausgang geschoben und der Schmirgel zur Straße heruntergeschüttet.

Nur zum Schauen war ich auch schon in anderen Minen, die teilweise unheimlich tief in den Berg reichten; wir hatten allerdings immer kundige Führer dabei. Allein sollte man sich grundsätzlich nicht in die Schmirgelminen begeben. Am schwierigsten war eine Klettertour über einen sehr schmalen Grat am Rand eines halsbrecherisch hohen Schotterabhangs tief in der Mine Miaoúlis zum weiter oben abgebildeten Tropfsteinmann. Es erscheint kaum glaublich, dass sich die Minenarbeiter unter diesen Bedingungen nicht nur sicher fortbewegen, sondern auch noch arbeiten können, ohne sich den Hals zu brechen!

Die Minen von Apíranthos

Die meisten Minen liegen bei Kóronos, aber es gibt auch einige auf apiranthitischem Gemeindegebiet.


Das Tal des Kakóriaka, in dem die apiranthitischen Minen liegen, schließt das Bergmassiv mit den Schmirgelvorkommen auf der Südseite ab.


Auch hier liegen die Schmirgelvorkommen unter steilen, hohen Marmorschichten.


alte, verlassene Gebäude der Schmirgelarbeiter


eine der apiranthitischen Minen


der Hohlraum der ehemaligen Schmirgellinse mit einem stehengelassenen Stützpfeiler


ein weiteres, kleines, erschöpftes Vorkommen

Die heutige Verwendung des Schmirgels

Heute wird der naxiotische Schmirgel kaum noch verwendet – seit der Entwicklung des technischen Korunds hat er seine Bedeutung verloren. Fast aller abgebauter Schmirgel wird einfach auf die Halde bei Moutsouna geschüttet und dort wohl bis in alle Ewigkeiten liegen bleiben.


Der Schmirgelberg auf der Halde oberhalb von Moutsoúna wächst und wächst.

Der naxiotische Schmirgel wurde früher mit Schiffen nach Syros bzw Piräus transportiert, wo es kleine Fabriken gab, in denen er verarbeitet wurde. Auch in Deutschland gab es eine Fabrik, die naxiotischen Schmirgel verarbeitete, die Naxos-Union in Frankfurt. Vor einigen Jahren ist südlich von Moutsouna eine kleine Fabrik errichtet worden, in der Schmirgel gemahlen und verarbeitet wird. Sie arbeitet allerdings nur in sehr kleinem Maßstab. Der gemahlene Schmirgel wird vor allem für Asphalt als Straßenbelag verwendet.


Die kleine Fabrik südlich von Moutsoúna, in der der Schmirgel verarbeitet wird.


Hier wird der Schmirgel gemahlen.


Säcke mit Schmirgelsand

siehe auch:

zum Weiterlesen:

verwendete Literatur:

  • Prof. Dr. Gregor Markl und Astrid Scharlau, Moutsouna/Naxos: Mineraliensammeln im Urlaub: Große Saphire, Margarit und Tremolit aus den Smirgelgruben auf Naxos, Griechenland; Lapis (Mineralien Magazin) Jg. 33, Nr. 12, Dez. 2008, S. 26/33
  • Christos Sideris: Η σημασία της Σμύριδας για τα σμυριδοχώρια της βόρειας ορεινής Νάξου και η οργάνωση των ορυχείων μέχρι τις αρχές του 20ου αιώνα, Ναξιακά 9 (47), Ιούν, Ιούλ, Αύγ 2003, σελ. 32-48

Zum Inhaltsverzeichnis

Kommentare sind geschlossen.