Wälder
Auf der Insel Naxos gibt es weit mehr Wälder, als man auf den ersten Blick vermuten würde.
Das Hochtal von Komiakí ist eine der am dichtesten bewaldeten Regionen von Naxos.
Unter dem Begriff “Wald” versteht man einen dichtstehenden Vegetationsbestand aus Bäumen mit deutlich ausgeprägtem Stamm. Hohe und dichte Wälder, so wie sie uns aus Mitteleuropa bekannt sind, gibt es im Mittelmeergebiet nur selten. Viel häufiger kommen hier Pflanzenbestände aus Sträuchern und niedrigen, locker stehenden Bäumen, die teilweise durch Beweidung zu Strauchform verbissenen worden sind. Derartige Pflanzenbestände nennt man Macchien. Viele Baumarten des Mittelmeergebietes bleiben gewöhnlich relativ niedrig und wachsen oft strauchartig mit mehreren kleinen Stämmchen, so dass es oft eine Frage der Definition ist, was man als Wald und was als Macchie bezeichnet. Hier betrachte ich als Wälder Bestände aus Bäumen mit geschlossenem Kronendach und entsprechend einem meist geringen Unterwuchs aus Sträuchern.
Die typische natürliche Vegetation des Mittelmeergebietes sind Hartlaubwälder mit der Steineiche als Charakterart. In den nördlich anschließenden Gebieten bzw in Gebirgen in der über der Region der Hartlaubwälder liegenden Höhenstufe kommen sogenannte sub-(oder supra-)mediterrane laubabwerfende Wälder vor. Durch Abholzung und Brand sind die natürlichen Wälder in den meisten Gebieten vollständig oder weitgehend verschwunden und durch Macchien oder Garrigues ersetzt. Oftmals ist es schwierig, die ursprüngliche Vegetation eines Gebietes zu rekonstruieren.
1. Immergrüne Wälder, Hartlaubwälder
1.1. Kermeseichen-Wälder
In großen Teilen der Insel Naxos wachsen natürlicherweise Wälder aus Hartlaubbäumen. Diese Hartlaubwälder sind zumindest in den trockeneren Lagen an Marmor als Untergrund gebunden; auf Schiefer, Granit u.a. wachsen Phryganas, in denen die Baumarten fehlen. Insbesondere in den niedrigen Lagen wachsen in den Kermeseichenwäldern eine Reihe weiterer Hartlaubbäume, so die Steinlinde und die Wilde Olive; in lockeren Beständen und an den Waldrändern kommen auch Straucharten wie der Mastixstrauch und der Phönizische Wacholder vor, außerdem die Mandelblättrige Birne.
typischer Hartlaubwald der niedrigen Lagen auf Marmor mit der Kermeseiche als häufigster Baumart
Auch in den mittleren Lagen der Insel wachsen stellenweise fast reine Kermeseichen-Wälder; hier auf dem Berg oberhalb von Keramí.
Kermeseichenwälder existieren auf Naxos vor allem im Ost- und Südteil der Insel, vor allem an etwas geschützeren und vor allem weniger feuergefährdeten Stellen in den Tälern, während an den Hängen und auf den Hügeln oft offene Macchien oder niedrige Garrigues wachsen, die die Hartlaubwälder nach Brand und unter Beweidung ersetzen. Außerdem gibt es Kermeseichenwälder an den Hängen des Fanári. Meist handelt es sich um kleinere Waldreste, größere zusammenhängende Bestände sind selten. Nach alten Fotos und den Berichten älterer Einwohner zu urteilen hat der Waldbestand der Insel Naxos im Zuge der nachlassenden landwirtschaftlichen Nutzung im Vergleich zum Zustand vor 50 bis 100 Jahre etwas zugenommen.
Ein kleines Wäldchen hat sich inmitten der Macchie erhalten.
Unter dem geschlossenen Kronendach des Hartlaubwaldes können keine Sträucher gedeihen.
Die Macchie, die nach Brand unter Beweidung auf denselben Standorten wächst, ist wesentlich artenreicher als die Hartlaubwälder; hier kommen auch viele Sträucher und Zwergsträucher sowie kurzlebige Pflanzenarten vor.
1.2. Steineichenwald
Der Charakterbaum der Hartlaubzone des Mittelmeerklimas ist die Steineiche (Quercus ilex). Sie kommt auf Naxos wie auf den meisten Ägäisinseln heute kaum noch vor, was daran liegt, dass sie gegen Brand und Beweidung empfindlicher ist als etwa die Kermeseiche und dass sie nicht als verbissene Zwergform wachsen kann.
großer Steineichen-Baum bei Kinidaros
Auf Naxos hat sich ein Steineichenwald im kaum zugänglichen, sehr steilen und schotterigen Westhang des Zeus-Berges erhalten. Dieser Wald ist heute größtenteils sehr locker, nur in kleinen Bereichen gibt es noch ein geschlossenes Kronendach. Es scheint keine natürliche Verjüngung mehr stattzufinden. Der größte Baum des Bestandes hat einen Durchmesser von fast 6 Metern und besitzt somit (unter Berücksichtigung des geringen Wachstums der Hartlaubbäume) ein ganz gewaltiges Alter. Dass sich dieser Steineichenwald erhalten hat, liegt sicher nicht am besonders günstigen Standort; es ist hier beispielsweise nicht feuchter als anderswo. Der entscheidende Punkt liegt offenbar darin, dass der Wald im schotterigen, kahlen Steilhang nicht von Feuern erreicht werden kann; deswegen konnte er so lange überleben.
der Steineichenwald im Westhang des Zeus-Berges
Hier der Steineichen-Riese im Zeus-Wald; von einem alten Papierfoto abfotografiert (deswegen die schlechte Qualität). Der gelbe Maßstab ist 2 m lang.
Abgesehen von diesem Wald kommt die Steineiche in einzelnen Exemplaren bei Kinídaros, bei Skepóni, in Sífones und am Kóronos-Berg vor. Außerdem gibt es einen kleinen Steineichen-Hain, in dem sogar Jungwuchs hochkommt, in der Nähe des Dorfes Kinídaros.
Nah beim Dorf Kinídaros gibt es einen kleinen Steineichen-Hain, in dem die Bäume gut gedeihen und sich sogar verjüngen.
Es scheint wahrscheinlich, dass vor dem Einfluss des Menschen ein großer Teil mindestens der höheren Berge der Insel mit Steineichenwald bewachsen war, vermutlich mit anderen Baumarten gemischt. Diese ehemaligen Steineichenwälder sind heute entweder ganz verschwunden oder durch Bestände der unempfindlicheren Kermeseiche ersetzt.
2. Wälder mit sommergrünen Baumarten
2.1. Wälder der höheren Lagen: Kermeseiche und Kreta-Ahorn
In den Bergregionen von Naxos fallen die nur in den niedrigeren Lagen vorkommenden Arten Steinlinde, Phönizischer Wacholder und Wilde Olive weg, dafür tritt neben die Kermeseiche der Kreta-Ahorn, der “halbimmergrün” ist, d.h. er wirft an den kühleren Standorten in höheren Lagen seine Blätter im Herbst ab, in den niedrigeren, wärmeren Lagen dagegen erst im Frühling kurz bevor er wieder austreibt. An feuchteren Standorten wie in Flusstälern oder auch im Norden der Insel kommt er bis fast zum Meer hinab vor; in den Bergen bildet er hier und da fast reine Bestände. Meist wächst der Ahorn als zwei, drei Meter hohes, mehrstämmiges Gebüsch. Diese Wuchsform entstand auch durch die frühere Nutzung des Ahorns zum Korbflechten, wozu die Zweige bis auf den Stock abgeschnitten wurden. Eine weitere laubabwerfende Baumart, die sich oft in die Wälder des Kreta-Ahorns mischt, ist die Mandelblättrige Birne. Sie kommt überall auf Naxos vor und ist sehr trockenheitsresistent, wächst aber auch in den höchsten Lagen.
gemischte Wälder mit Kermeseiche und Kreta-Ahorn südöstlich des Zeus-Berges
ein typischer Wald der höheren Lagen
Der Kreta-Ahorn ist an seiner hellgrünen Farbe im Frühling leicht von der Kermeseiche zu unterscheiden.
Er bildet an vielen Stellen in den Bergen von Naxos wie hier bei Kóronos niedrige Gestrüppe.
In der Nähe von Apollonas gedeihen Gebüsche aus Kreta-Ahorn und Kermeseiche auch in den niedrigen Lagen.
Der Zeus ist heute größtenteils von einer sehr lockeren, niedrigen Garrigue aus Kreta-Ahorn, Kermeseiche und Kreuzdorn bewachsen. In mehreren Senken stehen kleine Baumgruppen aus großen Exemplaren des Kreta-Ahorns, der sicher ein natürlicher Bestandteil des ehemals hier wachsenden Steineichenwaldes war.
2.2. Waldbestände mit Blumen-Esche und Weißdorn
Außer dem Immergrünen Ahorn kommen in den höheren Lagen von Naxos noch einige weitere laubabwerfende Baum-(bzw. Strauch-)Arten vor. Besonders interessant ist das Vorkommen der in der Ägäis seltenen, anspruchsvollen Arten Weißdorn (Crataegus monogyna) und Blumen-Esche (Fraxinus ornus). Diese beiden Arten sind für die submediterrane Vegetation typisch (s.u.).
Unterhalb von Kóronos wächst auf den verwilderten Terrassen außer Obst- und Walnussbäumen auch die Blumen-Esche.
Die Blumen-Esche (mit großen weißen Blütenständen) gehört zu den laubabwerfenden Baumarten, die für die submediterrane Vegetationszone typisch sind.
Bei Myrísis findet man häufig kleine Gebüsche aus Kreta-Ahorn und Weißdorn.
2.3. Waldreste auf Granit mit laubabwerfenden Baumarten und Steineiche
Im Granitgebiet im Nordwesten von Naxos haben sich vereinzelte Waldreste erhalten, in denen eine ganze Reihe an Baumarten auftreten.
Ein derartiger Waldrest befindet sich bei Skepóni. Hier wachsen am trockeneren Hang einzelne Exemplare der Steineiche (Quercus ilex) und der Terebinthe (Pistacia terebinthus) in einer Macchie mit Erdbeerbaum und Baumheide und vielen Sträuchern. An feuchteren Stellen kommen Platanen, Eschen, Erlen und Weißdorn hinzu.
In diesem Tal am Westhang des Kóronos-Berges befindet sich ein bemerkenswerter artenreicher Waldrest mit Platanen, Erlen, Erdbeerbaum, Blumen-Esche und Weißdorn sowie einzelnen Steineichen und Terebinthen.
Oberhalb vom Fluss bei Kinídaros wächst an einem feuchten Hang ein Waldrest mit Steineiche, Erlen, Storaxbaum, Myrte und Baumheide.
An diesem feuchten Hang wachsen uralte Erlen.
Außerdem kommen hier Steineiche, Storaxbaum, Myrte und Baumheide vor.
2.4. Flaumeichenwälder
Flaumeichenwälder stellen die natürliche Vegetation der sub-(=supra-)mediterranen Klimazone dar. Sie kommen in den nördlich an die Hartlaubzone des Mittelmeergebietes anschließenden Regionen vor und können auch in den Bergen in der Höhenstufe oberhalb der Steineichenwälder wachsen. Auf Naxos kommen zwei sommergrüne Eichenarten vor, die Flaumeiche (Quercus pubescens) und (wesentlich seltener) die Walloneneiche (Quercus ithaburensis). Für beide Arten wird oft angenommen, dass sie auf den Kykladen nicht natürlich vorkommen, sondern vermutlich schon im Altertum für die Schweinemast und die Gerberei eingeführt wurden. Dafür spricht, dass sie vor allem in offensichtlich angepflanzten Exemplaren in den kultivierten Regionen der Insel auftreten.
Flaumeichenhain bei Kinidaros. Die Flaum- und die Walloneneiche kommen auf Naxos meist in derartigen offensichtlich angepflanzten Hainen vor.
Dieser Waldbestand mit Kermeseichen und einigen Flaumeichen sowie hier und da einer Steineiche bei Skepóni steht auf alten, aufgegebenen Terrassen; auch hier könnten die Flaumeichen angepflanzt sein.
Im feuchteren und kühleren Norden von Naxos gibt es jedoch in der Nähe von Komiakí einen größeren Waldbestand, in dem die Flaumeiche offensichtlich wild wächst. Auch hier handelt es sich nicht um einen urtümlichen Wald: Alle Bäume sind relativ jung, und an vielen Stellen am bewaldeten Hang kann man Spuren einer ehemaligen Terrassierung erkennen. Dennoch beweist die Existenz dieses Waldes, dass die Flaumeiche in dieser Region von Naxos problemlos wachsen und sich selbst vermehren kann. Diese Bestände an den oberen Hängen der nördlichsten Berge der Insel fallen somit in die submediterrane Klimazone. Das wird dadurch erhärtet, dass hier auch weitere sommergrüne Arten, die für submediterrane Vegetation typisch sind, auftreten, so der Weißdorn, die Blumen-Esche und die ebenfalls laubabwerfende Terebinthe (Pistacia terebinthus). Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch die Tatsache, dass in dieser kühlsten Region der Insel der Olivenbaum (charakteristisch für die “eumediterrane” Klimazone) zwar gedeihen kann, jedoch keine Früchte mehr produziert. An Hartlaubbäumen kommt in diesen Waldbeständen nur die allgegenwärtige Kermeseiche vor.
Das Hochtal von Komiakí ist eine der am stärksten bewaldeten Regionen von Naxos.
An diesem Hang (auf dem vorigen Bild etwas links oben von der Mitte zu sehen) stellt insbesondere in den höheren Lagen die (eher graugrüne) Flaumeiche einen großen Anteil am Baumbewuchs.
Flaumeichenwälder dieser Art müssen der submediterranen Klimastufe zugeordnet werden. Dieser Standort liegt sehr häufig, so wie auf dem Foto, in den Wolken, die sich bei Nordwind hier am Berg stauen.
Überall kann man sehen, dass sich die Flaumeiche hier natürlich verjüngt.
Etwas unterhalb des Flaumeichenwaldes trifft man wieder auf die in den Bergen weitverbreiteten Bestände aus Kreta-Ahorn und Kermeseiche mit Blumen-Esche, Weißdorn, Terebinthe und Wilder Birne in geringeren Anteilen.
Der ganze Hang ist vermutlich früher landwirtschaftlich genutzt worden. An vielen Stellen wachsen noch verwilderte Obstbäume wie vor allem Sauerkirschen, Äpfel und Birnen. Hier sind die alten Terrassen noch gut erhalten.
Die Auwälder werden auf einer eigenen Seite behandelt.
Die natürliche Vegetation von Naxos
Üblicherweise wird angenommen, dass das Festland und auch die Inseln Griechenlands vor dem Einfluss des Menschen zu einem großen Teil bewaldet waren. Auch für Naxos trifft das vermutlich im Großen und Ganzen zu. Von den ursprünglichen Wäldern der Insel Naxos hat sich nach etwa 5.000 Jahren menschlicher Nutzung allerdings fast nichts erhalten. Die meisten heutigen Waldbestände bestehen überwiegend aus eher jungen Bäumen und sind erst in den Jahrzehnten nachlassender Nutzung etwa seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts hochgewachsen. Wenn man versucht, die “ursprüngliche” Vegetation der Insel zu rekonstruieren, stößt man auf viele schwer zu beantwortende Fragen.
Klimaveränderungen
Vor etwa 10.000 Jahren befand sich Europa am Ende der letzten Eiszeit. Untersuchungen von Pollenablagerungen zeigen, dass auf Naxos während der Eiszeiten außer laubabwerfenden Bäumen auch viele Pflanzen offener steppenähnlicher Standorte vorkamen (z.B. Beifuß, Salbei-Arten, Gräser), d.h. dass nicht überall Wald wuchs, sondern auch Strauchgesellschaften oder eine steppenartige Vegetation auftraten. Das ist wohl einerseits durch das eher trockene Klima während der Eiszeiten zu erklären sowie andererseits dadurch, dass die einheimische Vegetation schon vor dem Einfluss des Menschen einem starken Beweidungsdruck ausgesetzt war: Die ägäischen Inseln waren bis zum Ende der Eiszeit, teilweise bis zur Ankunft des Menschen, von zahlreichen großen und kleinen Pflanzenfressern besiedelt, deren Bestände jedoch durch keine großen Beutegreifer begrenzt wurden.
Vielleicht haben die offenen Pflanzengesellschaften während der Eiszeiten etwa so ausgesehen wie diese Bestände auf den Mákares-Inseln.
Nach dem Ende der letzten Eiszeit etablierten sich auf den Inseln der Ägäis ebenso wie im Mittelmeergebiet allgemein zunächst überwiegend Wälder aus sommergrünen Eichen mit weiteren laubabwerfenden Baumarten. Erst als sich um etwa 5.000 v.Chr. das mediterrane Klima auszubilden begann, wanderten trockenresistentere Arten und Hartlaubgewächse wie Wacholder, Arten der Gattung Pistacia, Steinlinden und die Steineiche ein sowie (außer auf den Kykladen) Nadelbäume wie Kiefern und Tannen. Auch in den nun entstehenden Steineichenwäldern kamen jedoch viele laubabwerfende Arten vor, von denen manche in den heutigen Auwäldern überlebt haben.
Der Einfluss des Menschen
Eine Beeinflussung der natürlichen Vegetation durch den Menschen begann in prähistorischen Zeiten; schon ab der Jungsteinzeit wurden schon eine ganze Reihe von Pflanzenarten, v.a. Getreide und Hülsenfrüchte kultiviert. Ab etwa 2.000 v. Chr. sinkt der Anteil der Baumarten in Pollendiagrammen von Kreta etwa auf heutige Verhältnisse, d.h. die Pflanzen offener Standorte überwiegen nun deutlich, was vermutlich auf einen Anstieg der Landwirtschaft zurückzuführen ist (allerdings zeigen die Gänsefußgewächse (typische Steppenbewohner) einen deutlich höheren Anteil als heute).
In der archaischen Epoche (um 500 v. Chr.) war Naxos so dicht besiedelt, dass alles geeignete Land der Insel für die Landwirtschaft genutzt gewesen sein muss und die ehemaligen Wälder vermutlich zu großen Teilen verschwunden waren. In dieser Zeit trug Naxos alten Berichten zufolge eine Bevölkerung von etwa 100.000 Menschen, also fast zehn mal so viel wie heute, die sich (fast ausschließlich) von der Insel selbst ernährten. Dementsprechend müssen alle landwirtschaftlich nutzbaren Flächen mit Getreide, Ölbäumen, Weinbergen sowie Hülsenfrüchten, Gemüse und Obst bebaut worden sein. Außerdem hat es auf Naxos auch eine bedeutende Tierhaltung und zwar vor allem Ziegenzucht gegeben, die alle nicht direkt kultivierten Landstriche genutzt haben wird. Es ist anzunehmen, dass die Insel schon im Altertum einen ähnlichen Anblick bot wie zur Zeit der traditionellen Landwirtschaft der letzten Jahrhunderte, wie sie bis etwa in die 60er Jahre hinein betrieben wurde. Die ursprünglichen Wälder werden schon im Altertum größtenteils abgeholzt worden sein, vor allem aus Landbedarf für den Anbau. Auch der Bedarf für den Schiffsbau, der seit der frühesten Zeit eine wichtige Rolle auf der Insel spielte, wird dazu beigetragen haben (wenn auch neuere Forschungen vermuten lassen, dass der Holzverbrauch dafür geringer war als allgemein angenommen wird). Schon Plato beschreibt und beklagt bekanntlich die (schon lange vor seiner Zeit erfolgte) verwüstende Abholzung und Erosion der ehemals bewaldeten Landschaft in Attika.
So mag die Landschaft auf Naxos auch schon in der archaischen Epoche ausgesehen haben.
In späteren Jahrhunderten ist die Bevölkerung von Naxos teilweise deutlich zurückgegangen, so dass sich die (halb-)natürlichen Wälder vermutlich wieder ausbreiten konnten. Vermutlich wurden die Walloneneiche und die Esskastanie, nach manchen Forschern auch die Flaumeiche, schon im Altertum auf der Insel eingeführt und kultiviert; diese Arten verwilderten möglicherweise und bildeten in den höheren Lagen auch Wälder. Ernst Aristide Dugit, der Naxos 1861 bereiste, berichtet, dass es auf dem Kóronos-Berg im 18. Jahrhundert Wälder aus Kastanien und Eichen mit Erdbeerbaum und Mastixstrauch im Untergrund gegeben haben soll. Von diesen Wäldern ist fast nichts übrig geblieben: ein paar vereinzelte Steineichen, ein kleines Wäldchen mit Erdbeerbäumen bei Skepóni und nur ein, zwei (vielleicht angepflanzte) Exemplare der Kastanie in den höchsten Lagen bei Komiakí.
artenreicher Waldrest bei Skepóni mit Erdbeerbaum, Steineichen, Platanen, Erlen, Blumen-Esche, Kreta-Ahorn, Weißdorn und anderen Arten
Natürlicher Wald auf Naxos heute
Wie überall stellt sich auch auf Naxos die Frage, was für eine Vegetation sich herausbilden würde, wenn die menschliche Beeinflussung der Landschaft wegfiele. Abgesehen von der in den meisten Gebieten heute nur mäßigen Nutzung für Landwirtschaft und Anbau würde das auf Naxos vor allem eine Beendung der Beweidung durch Ziegen und des gelegentlichen Abbrennens bedeuten. Man geht meist davon aus, dass Wald das natürliche Endstadium der Sukzession auf Naxos wie allgemein im Mittelmeergebiet ist.
In den höheren Lagen auf Marmor bestände die natürliche Vegetation vermutlich in Stein- und Kermeseichenwäldern mit Kretischem Ahorn und auf Schiefer bzw. Granit in den nördlichen Berglagen der Insel aus Flaumeichen, Blumeneschen, Kretischem Ahorn, Kermeseichen, Weißdorn etc. In den niederen Lagen besteht der natürliche Wald aus Kermeseichen, Steinlinden und Wilder Olive. Entlang der Flüsse von Naxos an dauerhaft feuchten Standorten wächst heute ein natürlicher, vom Menschen wenig beeinflusster Auwald aus Platanen, Erlen und Oleander, in kleinen Relikten auch mit Weiden, Ulmen und Pappeln.
Natürlicherweise waldfreie Gebiete
Unter den heutigen Klimabedingungen ist allerdings ein beträchtlicher Teil der Insel, nämlich die meisten Granit-(Migmatit-)Gebiete sowie teilweise die Schieferregionen in den niedrigen Lagen, auch für die anspruchslosesten Hartlaubgewächse zu trocken: In diesen Bereichen kann heute natürlicherweise, auch ohne menschlichen Einfluss, kein Wald gedeihen. Stattdessen wachsen auf diesen Flächen lockere Wacholder-Macchien sowie Pflanzengesellschaften aus Zwergsträuchern (Phryganas).
Es ist auffällig und interessant, dass diese Phryganas, in geringerem Maß auch die Macchien und Garrigues, auf Naxos viel artenreicher sind als die Wälder, die insbesondere in den niedrigen Lagen nur wenig Unterwuchs aufweisen. Der Artenreichtum der Phryganas und die Artenarmut vieler Wälder lässt vermuten, dass offene Strauchgesellschaften auf der Insel über längere Zeiträume heimisch waren als Wälder. Es wäre natürlich denkbar, dass die Pflanzenarten des Unterwuchses der Wälder im Zuge der großräumigen Zerstörung dieser Wälder durch den Menschen ausgestorben sind. Aber auch auf Kreta, wo sich mehr urtümliche Waldreste erhalten haben, ist die Artenvielfalt in den offenen Pflanzengesellschaften wesentlich höher. Es gibt kaum endemische Waldarten, aber zahlreiche endemische Arten der offenen Vegetation. All das weist darauf hin, dass auch vor der Ankunft des Menschen offene Vegetationsbestände für die Ägäis typischer waren als geschlossener Wald, dass sich diese über die klimatischen und menschenbedingten Veränderungen über die Jahrtausende hinweg mit geringeren Veränderungen erhalten haben.
Die Zukunft des Waldes
Bei der Rekonstruktion der potentiellen natürlichen Vegetation von Naxos darf man auch jüngsten klimatischen Entwicklungen nicht vergessen: Möglicherweise ist es bald auf Naxos in den meisten Gebieten für natürlichen Wald zu trocken. Da Wälder der beste Schutz vor den Auswirkungen der menschengemachten Klimaveränderung sind (sowohl was große Trockenheit und Hitze, als auchwas Überschwemmungen angeht), sind wir hier in einem zerstörerischen Teufelskreis gefangen. Es kann kein Zweifel darüber bestehen, dass wir Menschen uns in einer der heutigen ähnlichen Bevölkerung auf der Erde nur mithilfe der Wälder erhalten können. Wir sollten und müssen überall auf der Welt alles daran setzen, jedes Stückchen noch existierenden Wald, jeden einzelnen Baum zu erhalten, und die verlorengegangenen Wälder soweit wie möglich zu ersetzen. Auf Naxos ist das durch ein Ende der (freien) Ziegenhaltung und ein vernünftiges Feuer-Management zu erreichen.
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siehe auch:
zum Weiterlesen: Postglaziale Vegetationsentwicklung im Mittelmeergebiet unter besonderer Berücksichtigung des Ostmediterranraumes