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Seegraswiesen

Auf durch die Wellen bewegten Sand- und Schlammböden im flachen Meer können keine Meerespflanzen gedeihen. Die ersten Pflanzen treten erst ab einigen Metern Tiefe auf, wo die Wellenbewegungen nicht mehr zu stark sind. Besonders typisch für diese Standorte sind die Seegräser. Diese gehören nicht zu den Algen, sondern zu den Höheren Pflanzen. Im Gegensatz zu den Algen besitzen sie gut ausgebildete Wurzeln, mit denen sie sich auch in leicht bewegtem Sand verankern können. In geringeren Tiefen erscheint zunächst das Ausläufer bildende, meist eher vereinzelt wachsende Tanggras (Cymodocea nodosa), in etwas größerer Tiefe dann das Neptungras (Posidonia oceanica), das ausgedehnte, dichte Wiesen bildet. Das Neptungras gehört zu den Einkeimblättrigen, innerhalb derer die Posidoniaceae mit nur einer Gattung und neun Arten eine eigene Familie bilden. Das Tanggras gehört zur verwandten Familie der Cymodoceaceae mit fünf Gattungen und 16 Arten.

Diese Seegraswiesen, die auch bei uns in der Bucht schon vorkommen, sehen recht einförmig aus, beherbergen aber eine erstaunliche Anzahl an den verschiedensten Tierarten. So hat man auf einem Hektar Seegraswiese 350 Tierarten der Makrofauna mit der erstaunlichen Menge von 15 Tonnen tierischer Biomasse gemessen.


Seegraswiesen sind schwer von der Wasseroberfläche aus zu fotografieren, weil sie eigentlich in etwas größerer Tiefe wachsen; diese Wiesen in wenigen Metern Tiefe habe ich bei Mákares aufgenommen.


Das Neptungras Posidonia oceanica wächst in dichten Wiesen; es gedeiht ab etwa 10 m Meerestiefe.


Das Tanggras Cymodocea nodosa kommt schon wenigen Metern Meerestiefe vor. Es wächst in locker verstreuten, oft wegen der Wurzelausläufer in Reihen angeordneten Einzelpflanzen.

Seegraswiesen gedeihen auf Feinsubstratböden in Lagen mit geringem Wellengang und ausreichendem Lichtangebot, also bis etwa 40, ausnahmsweise auch 100 Meter Tiefe. Das Neptunsgras wächst sowohl in die Höhe als auch seitlich, wobei es Rhizome bildet, mit deren Hilfe es sich ausbreitet. So bilden sich dichte, dicke, verfilzte Matten, in denen sich viel Feinsediment ablagert. Ab dem Ende des Sommers sterben die alten Blätter der Seegräser ab und werden durch die Stürme im Herbst und Winter abgerissen und an die Strände getrieben, wo sie oft lästige, dicke Wälle bilden, die manchmal erst im Sommer wieder davongetragen werden. Der Besucher sollte sich jedoch vor Augen halten, dass das Seegras ein ganz natürlicher Bewohner des Meeres ist und zwar einer, der in vielen Gebieten des Mittelmeeres aufgrund der Verschmutzung und übermäßigen Schleppnetzfischerei bedroht oder schon verschwunden ist. Das reiche Vorkommen des Seegrases in der zentralen Ägäis zeigt, dass die Unterwasserwelt hier noch weitgehend intakt ist. Im Herbst bildet das Neptunsgras Blüten, die aber sehr unauffällig sind, und im Frühjahr kann man die Früchte am Strand finden („Meeroliven“).


Im Winter wird in unserer Bucht manchmal viel Seegras angetrieben.

Seegraswiesen spielen eine kaum zu überschätzende Rolle im Ökosystem des Meeres. Sie beherbergen zahlreiche seltene Tierarten und bieten Jungfischen einen lebenswichtigen Schutz. Eine große Anzahl kleiner Algenarten und auch sessiler Tiere wächst direkt auf den Blättern des Seegrases, viele freischwimmende Arten fressen die lebenden oder abgestorbenen Blätter oder ernähren sich von den Epiphyten sowie natürlich von den Tieren, die in der Seegraswiese leben. Trotz ihrer relativ geringen Flächenausdehnung im Mittelmeer produzieren sie einen großen Anteil des Sauerstoffes im Wasser. Auch ihre Biomassenproduktion ist beträchtlich (20 Tonnen Trockenmasse pro Hektar pro Jahr).

Auf das Leben in Seegraswiesen spezialisiert sind insbesondere die hervorragend getarnten Seenadeln und die Seepferdchen, die man aber kaum entdecken kann (ich habe noch kein Seepferdchen gesehen; Seenadeln werden gelegentlich am Strand angetrieben oder man kann sie mit einem Kescher aus den Seegraswiesen fischen). Auch zahlreiche weitere Fischarten, Tintenfische, Krebse, Garnelen und Asseln, Seesterne, Haarsterne und Schlangensterne, Borsten- und Igelwürmer, Steckmuscheln, Schnecken und Schwämme kommen in den Seegraswiesen vor, von den Lebewesen der Mikrofauna ganz zu schweigen. Die Blätter der Seegräser sind häufig beispielsweise von der Moostierchen-Art Electra posidoniae und der kleinen, roten Foraminifere Miniacina miniacea bewachsen.


Hier steckt eine große Muschel, vielleicht eine Steckmuschel, in einer Seegraswiese.


Der einem Seegras erstaunlich ähnliche Pfeifenfisch ist auf das Leben in Seegraswiesen spezialisiert.

Hier zum Vergleich ein Seegras. Sogar die charakteristischen Winkel des abgestumpften Endes werden vom Pfeifenfisch perfekt nachgeahmt.

Außer ihrer bedeutenden Rolle als Lebensraum haben die Seegraswiesen auch einen schützenden Effekt auf die Küsten, da sie den Wellengang effektiv abbremsen. Leider müssen die Seegraswiesen Europas sehr unter dem Einfluss des Menschen leiden, insbesondere unter der Schleppnetz-Fischerei, die die Wiesen auf breiten Schneisen verwüstet. Im Atlantik und der Nordsee wurden die Seegraswiesen schon im letzten Jahrhundert (ab 1930) durch eine Krankheit weitgehend vernichtet, von der sie sich immer noch nicht vollständig erholt haben. Im Mittelmeer ist das Seegras Posidonia oceanica endemisch, wobei es sich um einen Alt-Endemit aus der Zeit der Tethys handelt, dessen nächster Verwandter heute bei Australien vorkommt.

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