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Algen

Algen haben generell keinen besonders guten Ruf. Die meisten Menschen denken, wenn es um Algen geht, an Killeralgen, an giftige Algenblüten oder einfach an rutschige, knochenbrechende, häßliche Überzüge auf feuchten Steinen. Ja, auch das gehört zum Thema Algen. Algen können lästig oder gar gefährlich werden, insbesondere wo das natürliche Zusammenspiel der Organismen eines Lebensraumes durch zu großen Nährstoffeintrag aus dem Gleichgewicht gebracht wurde.

Algen im Mesolitoral
„Häßliche“, rutschige Algenüberzüge dieser Art, die aber völlig natürlich sind, bilden sich auf den Steinen im niedrigen Wasser, wenn sie nicht durch kräftigen Wellengang wieder abgerieben werden.

Aber Algen sind viel mehr als das. Sie sind beispielsweise überaus wichtige Sauerstoffproduzenten: Sie produzieren etwa die Hälfte des Sauerstoffs der Erdatmosphäre. Entsprechend assimilieren und speichern sie auch Kohlendioxid und spielen damit eine große Rolle für unser Klima. Sie waren nach den Bakterien unter den ersten Organismen auf der Erde. Die Blaualgen und Algen, die ersten Photosynthese betreibenden Organismen, haben unseren Planeten durch die Anreicherung der Atmosphäre mit Sauerstoff überhaupt erst für Tiere bewohnbar gemacht. Außerdem sind sie die Basis der gesamten Nahrungskette im Meer: Von den planktischen Algen (und Bakterien) ernähren sich unzählige planktische und auch festsitzende Tiere, die wiederum den räuberischen Tieren des Meeres als Nahrung dienen. Die benthischen, also auf dem Boden festsitzenden Algen werden in geringerem Ausmaß gefressen – vor allem bieten sie unglaublich vielen mikroskopischen und makroskopischen Tieren einen Lebensraum.

Algen im Mesolitoral
In der Gezeitenzone sind die Felsen meist dicht von Algen bewachsen.

Die ersten Pflanzen der Erde waren Algen. Alle Landpflanzen haben sich aus Algen entwickelt, genau gesagt aus den Grünalgen. Algen sind sehr niedrig stehende Organismen, die sich in ihrem Aufbau und ihrer Fortpflanzung noch stark von den Höheren Pflanzen unterscheiden. Sie sind sehr uneinheitlich und zeigen eine große Variationsbreite in Aufbau und Entwicklung: Bei ihrer Evolution wurden sozusagen verschiedene Möglichkeiten für den Aufbau, den Stoffwechsel und die Fortpflanzungsweise ausprobiert. Somit sind die Algen auch sehr interessante Studienobjekte. Fast alle unsere Erkenntnisse über den Aufbau der Zellen und den Zellstoffwechsel stammen aus Untersuchungen an Algen. Trotzdem sind die in den Meeren vorkommenden Algenarten bislang geradezu stiefmütterlich behandelt worden, und ihre große Vielfalt ist noch kaum erforscht. Man rechnet damit, dass man mit den bisher bekannten etwa 36.000 Arten noch nicht einmal ein Fünftel aller Algenarten „entdeckt“ und beschrieben hat, und es werden noch ganze Klassen neu gefunden.

mehr zum Aufbau der Algen

Der Aufbau der Algen
Die Algen sind keine einheitliche systematische Gruppe wie die Höheren Pflanzen. Ihre Einteilung in Gruppen beruht manchmal eher auf einer oberflächlichen Ähnlichkeit und weniger auf einer tatsächlichen Verwandtschaft. Die wirklichen Verwandtschaftsverhältnisse innerhalb der als „Algen“ bezeichneten Organismen sind noch unzureichend erforscht. Die Variationsbreite im Aufbau, aber auch in den chemischen Inhaltsstoffen ist wesentlich größer als bei den Höheren Pflanzen. Bei weitem nicht alle Algen sehen so aus, wie wir uns eine Alge vorstellen. Zunächst einmal gibt es zahlreiche einzellige Formen, von denen sich manche wie Amöben fortbewegen. Es gibt einzellige begeißelte Formen, koloniebildende Einzeller und bis zu zentimetergroße Arten, die einzellig sind, aber viele Zellkerne aufweisen. Unter den mehrzelligen Arten gibt solche, die fädig aufgebaut sind, andere Arten weisen ein Scheingewebe auf, andere wiederum ein (einfaches) echtes Gewebe (beispielsweise viele Tange). Es gibt zahlreiche mikroskopische Arten, die nur mit der Lupe zu finden sind, aber auch meterlange Tange, die regelrechte Urwälder am Meeresgrund bilden (und auch eine den tropischen Regenwäldern ähnliche Produktivität haben). Andere Arten, oft mit Kalkeinlagerungen in den Zellwänden, wachsen krustenartig auf den Felsen des Meeresbodens.


mehr zur Fortpflanzung der Algen

Die Fortpflanzung der Algen
Auch die Fortpflanzung ist bei vielen Algengruppen sehr ungewöhnlich und oft überaus kompliziert. Abgesehen von der vegetativen Fortpflanzung durch Teilung und Sprossung bilden die Algen verschiedene Fortpflanzungszellen aus. Dabei gibt es ungeschlechtliche Fortpflanzungszellen (Sporen), die nur der Vervielfältigung und der Verbreitung der Alge dienen, sowie geschlechtliche (Gameten), die zusätzlich das Genom zweier Elternpflanzen vermischen und so für eine hohe Variationsbreite in den Merkmalen und damit für eine effektive Evolution sorgen. Die aus den ungeschlechtlichen Fortpflanzungszellen wachsende Alge weist dasselbe Genom auf wie die Mutterpflanze. Bei der geschlechtlichen Fortpflanzung verschmelzen von unterschiedlichen Pflanzen gebildete männliche und weibliche Fortpflanzungszellen, die entweder gleichgestaltet oder als bewegliches Spermium und unbewegliche Eizelle ausgebildet sein können. Damit sich die weiblichen und männlichen Gameten finden können, werden sie von den Algen oft nur an bestimmten Tagen freigesetzt, die meist von der Mondphase bestimmt werden (beispielsweise nach der Springflut, das heißt der um Vollmond oder Neumond erfolgenden höchsten Flut). Geschlechtliche bzw. ungeschlechtliche Fortpflanzungszellen werden von unterschiedlichen Generationen gebildet, die einander abwechseln. Diese können gleich gestaltet oder auch unterschiedlich sein, so dass man sie teilweise ursprünglich für verschiedene Arten gehalten hat. Manchmal lebt die eine Generation gar rückgebildet und „parasitisch“ auf der anderen. Verkompliziert wird die Angelegenheit noch dadurch, dass es Generationen und ungeschlechtliche Fortpflanzungszellen sowohl mit einfachem als auch mit doppeltem Chromosomensatz gibt. So wechseln sich bei den Rot- und den Braunalgen drei Generationen ab: die geschlechtliche Generation, eine ungeschlechtliche Generation mit doppeltem Chromosomensatz und eine ungeschlechtliche Generation mit einfachem Chromosomensatz. Bei den unterschiedlichen Algenarten kommen alle denkbaren Ausprägungen dieses Systems vor.


mehr zur Biochemie der Algen

Die Biochemie der Algen
Auch die Biochemie der Algen ist wesentlich uneinheitlicher als die der Höheren Pflanzen. Die Landpflanzen stammen von den Grünalgen ab und benutzen als Photosynthese-Pigment ebenso wie diese Chlorophyll a und b. Die übrigen Algengruppen verwenden eine ganze Reihe weiterer Pigmente, so Chlorophyll c sowie Xanthopylle und Fucoxanthin, die eine braune oder rote Färbung der Pflanze bedingen. So können die Braun- und die Rotalgen auch das grüne Licht absorbieren, das von den Grünalgen und den Höheren Pflanzen ja nicht genutzt wird. Das langwellige rote Licht, das vom Chlorophyll b der grünen Pflanzen hauptsächlich absorbiert wird, dringt nur wenig in das Wasser ein; entsprechend leben die Grünalgen hauptsächlich in den obersten Meeresschichten. Die Braun- und die Rotalgen können mit ihren zusätzlichen Pigmenten das tiefer ins Wasser eindringende energiereichere Licht absorbieren, was ihnen das Vordringen in weit tiefere Wasserschichten ermöglicht. Manche Rot- und Braunalgen können in über 200 Metern Tiefe mit verschwindend geringen Lichtmengen existieren.
Auch die übrigen Inhaltsstoffe der Algen weisen eine weitaus größere Variationsbreite auf als die der Höheren Pflanzen. So benutzen viele Algen andere Stoffe als Speichersubstanz als die bei den Höheren Pflanzen verwendete Stärke, zum Beispiel Öle, Laminarine oder dem Glykogen ähnliche Polysaccharide, und die Zellwände enthalten nicht nur Zellulose, sondern auch zahlreiche andere Stoffe: gelatinöse Substanzen wie Alginate und Galactane, unterschiedliche Polysaccharide, Mannane, Xylane, Murein, Proteine, Kalk oder Kieselsäure.


Hier bei uns in Azalas, wo die Mittelmeerküste noch vergleichsweise intakt ist, kann jeder leicht selbst erfahren, wie vielfältig, ungewöhnlich, interessant und einfach schön die Algen sind. Auf den Fotos kann man hoffentlich schon einen ersten Eindruck bekommen. Außerdem wimmeln die Algen der Meeresküste geradezu von tierischem Leben, das man einfach entdecken kann, wenn man sich zwischen ihnen auf die Entdeckungsreise macht.

Algen im Mesolitoral
Algen mehrerer Arten überwachsen sich gegenseitig

Zum Schluss noch ein Wort zur Bestimmung. Ich habe mich mithilfe mehrerer älterer und neuerer Bestimmungsbücher und des Internets nach Kräften bemüht, die Arten einigermaßen zu bestimmen. Von allen Pflanzen- und Tiergruppen, mit denen ich mich bislang beschäftigt habe, scheinen mir die Algen die zu sein, die bei uns (d.h. in der Ägäis) am wenigsten bearbeitet und somit am schlechtesten zu bestimmen sind. Viele Arten zeigen einheitliche, deutliche Charakteristika im Bau des Thallus und der Wuchsform und sind somit sehr einfach wiederzuerkennen. Trotzdem kann ich sie in den Büchern und im Internet nicht genau finden, und selbst die ähnlichsten Arten, auf der meine ungefähre Bestimmung dann hinausläuft, sehen auf den Fotos in den Büchern und im Internet oft deutlich anders aus. Ich kann nicht sagen, ob das daran liegt, dass die Arten bei uns anders aussehen, oder daran, dass es sich um andere Arten handelt. Dabei ist oft nicht nur die Bestimmung der Art unsicher, sondern auch die Einordnung in die Gattung. Ich hoffe sehr, dass sich bald jemand findet, der die Algen der Ägäis gründlich untersucht, bestimmt und kartiert (und die Ergebnisse in einem Buch oder im Internet zugänglich macht)!

Erschwert wird die Lage dadurch, dass oft für eine exakte Bestimmung eine Untersuchung mit einer starken Lupe oder mit dem Mikroskop erforderlich ist, da der Aufbau des Gewebes oder sogar der Zellen (z.B. Anzahl der Zellkerne) für die Abgrenzung der Gattungen und Arten von Bedeutung ist. Wegen all diesen Schwierigkeiten müssen also viele meiner „Bestimmungen“ unsicher bleiben. Trotzdem hat es vielleicht seinen Wert, die Arten vorzustellen, und sei es nur um ihre Vielfalt und Schönheit zu demonstrieren!


Hier wachsen diverse Grün-, Braun- und Rotalgen durcheinander.

Hier geht es zu den Arten:

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