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Das Supralitoral

Als Supralitoral wird die Spritzwasserzone bezeichnet. Sie beginnt an der mittleren Hochwasserlinie (mittlerer Wasserstand bei Flut) und reicht bis zur größten Höhe, die noch von den Wellen benetzt wird. In der Ägäis, wo der Tidenhub minimal ist, der Wasserstand aber aus anderen Gründen deutlich schwankt, scheint es den meisten Sinn zu machen, das Supralitoral an der mittleren Wasserlinie bei hohem Wasserstand beginnen zu lassen, d.h. ab der Höhe, die nicht mehr regelmäßig oder zeitweise ganz von Wasser bedeckt ist, sondern nur von den Wellen erreicht wird. In geschützten Lagen ist das Supralitoral nur eine schmale Zone, während es in wellenexponierten Lagen mehrere Meter Höhe umfassen kann.

Supralitoral
Das Supralitoral ist ein schwieriger Lebensraum.

Die Spritzwasserzone ist ein extremer Lebensraum, der durch stark wechselnde Umweltbedingungen gekennzeichnet ist. Sie kann über längere Zeiträume völlig trockenliegen; zwischendurch wird sie dem Salzwasser, aber bei Regenfällen auch dem Süßwasser ausgesetzt, so dass die Organismen hier alle diese Bedingungen ertragen können müssen. Eine Herausforderung ist auch die oft extreme mechanische Belastung durch den Wellengang. Die Temperaturen wechseln ebenfalls stark: In der Sonne heizen sich die Felsen auf, während sie bei den Wasserduschen plötzlich abkühlen. Viele Tiere der Spritzwasserzone sind nachtaktiv, um die hohen Temperaturen des Tages zu vermeiden. Das Nahrungsangebot ist gering: Pflanzen können kaum existieren, weil sie von den Wellen abgerissen werden, und auch an Tierarten können sich nur wenige Spezialisten halten.

Supralitoral
Die starkem Wellengang ausgesetzte Felsküste ist völlig kahl.

1. Sand- und Kiesböden

Von großer Bedeutung für die Lebewesen im Supralitoral ist die Art des Untergrundes. Ein Sand- oder Kiesstrand bietet ganz andere Lebensbedingungen als eine Felsküste, so dass in beiden Lebensräumen deutlich unterschiedliche Organismen vorkommen. Wegen der starken Bewegung des lockeren Substrates können auf Sandstränden keine Pflanzen und keine sessilen Tiere existieren; somit ist das Supralitoral nur von wenigen Organismen bewohnt. Es wird jedoch von eine Reihe kleiner Detritusfresser aufgesucht, die ihre Nahrung im Spülsaum suchen. Ein Spaziergang am Sandstrand kann zusätzlich einen interessanten Einblick in die Meeresfauna des Eu- und Infralitorals ermöglichen: Häufig findet man allerlei angeschwemmte Schneckenhäuser, Muschelschalen, Krebspanzer und Seeigelskelette, aber auch die hübschen Marienaugen (die Gehäusedeckel der Turbanschnecke).

Sandstrand
An einem Sandstrand können Pflanzen nur oberhalb des Supralitorals in den Gebieten wachsen, die von den Wellen nicht mehr erreicht werden. Die Zone des Supralitorals wirkt hier weitgehend unbelebt.

Strandsammelgut
Man kann im Spülsaum und im Sand darüber jedoch zahlreiche Überreste von Tieren des Eu- und Infralitorals finden: Muscheln, Schnecken, Marienaugen usw. (hier die Ausbeute eines Strandausflugs nach Psilí Ámmos).

2. Geröllböden

An Stränden mit groben Kies oder Geröll (meist aus Marmor, da Schiefer und Granit und ähnliche Gesteine schnell zerrieben werden bzw. in Körner zerfallen) sind die Lebensbedingungen für Tiere und Pflanzen besonders ungünstig: Es gibt kein Sandlückensystem, in dem sich kleine Organismen aufhalten können und keinen stabilen Untergrund für Pflanzen oder sessile Tiere. Direkt an der Wasserlinie können sich einige Tiere unter den Steinen aufhalten, aber weiter oben, wo zwischen den Steinen kein Wasser mehr steht, fallen auch diese fast weg.

Steinstrand
Strände aus Steinen und grobem Kies sind der ungünstigste Standort: Hier können sich im Supralitoral fast keine Lebewesen dauerhaft aufhalten.

3. Felsböden

Ganz andere Lebensbedingungen bieten die Felsküsten, wobei außerdem ein deutlicher Unterschied zwischen Schiefer- und Marmorgestein festzustellen ist.

3.1. Schiefer

Eine Felsküste aus Schiefer ist meist nur wenig besiedelt; es gibt einige Tiere, die sich an den Felsen aufhalten (s.u.), während Algen fast nur in den untersten Bereichen der Spritzwasserzone gedeihen können, die noch häufig benetzt werden.

Supralitoral
Oberhalb der oberen Wasserlinie hört der Bewuchs durch die im Eulitoral verbreiteten Kalkalgen schnell auf (das Foto ist bei besonders niedrigem Wasserstand aufgenommen).

In der untersten Zone des Supralitorals wachsen meist einige Algen, vor allem aus den Gattungen Chaetomorpha und Neosiphonia. Etwas höher gedeihen spärlich verteilt Polysiphonia sertularioides (auch auf Marmor) und selten Nemalion elminthoides.

Algenbewuchs im Supralitoral
Chaetomorpha spec. (grün) und Neosiphonia(?) (braun) auf Schieferfelsen in der untersten Zone des Supralitorals.

Polysiphonia sertularioides
Polysiphonia sertularioides kann längeres Trockenfallen überstehen.

Polysiphonia sertularioides
von den Wellen überspülte Polysiphonia sertularioides

3.2. Marmor

Auf Marmor weist dagegen die gesamte Spritzwasserzone (oft bis in über einen Meter Höhe) einen dünnen Belag aus Blaualgen auf. Dabei kann man drei Unterzonen unterscheiden: eine untere braungrün gefärbte, eine mittlere schwarze und eine obere weiße bis bräunliche. Die unterste Zone in Wassernähe, die noch regelmäßig überspült wird, trägt einen gelb- oder braungrünen Bewuchs aus kleinen rasigen Blaualgen, beispielsweise der Art Calothrix scopulorum. In dieser sogenannten Lithophyten-Zone wachsen epilithische, aber auch endolithische, also im Stein lebende Blaualgen (beispielsweise Mastigocoleus testarum), die das kalkhaltige Gestein durch Säuren auflösen und so die Bildung kleiner Vertiefungen und Löcher bewirken. Auch durch die natürliche saure Reaktion des Meerwassers wird der Kalkstein langsam aufgelöst. In den Löchern kann sich die Feuchtigkeit länger halten, wodurch auch der Blaualgenbewuchs begünstigt wird, so dass die Löcher immer größer werden; auf diese Weise werden die Felsen nach und nach tief zerfressen.

Supralitoral
An der Marmorküste wird an der Färbung der Felsen eine Zonierung des Supralitorals deutlich.

Supralitoral
An diesem Marmorfelsen kann man deutlich die drei Zonen des Supralitorals erkennen.

Supralitoral
vom Blaualgenbewuchs braungrün gefärbte Marmorfelsen im untersten Supralitoral

durch endolithische Blaualgen entstehende Löcher im Marmorfels im Supralitoral
Die endo- und epilithischen Blaualgen lösen den Marmor auf.

durch endolithische Blaualgen entstehende Löcher im Marmorfels im Supralitoral
So entstehen sich stets weiter vertiefende Löcher.

durch endolithische Blaualgen entstehende Löcher im Marmorfels im Supralitoral
In den Vertiefungen sammelt sich Wasser an, wodurch der Blaualgenbewuchs weiter begünstigt wird, so dass die Löcher immer größer und tiefer werden.

durch endolithische Blaualgen entstehende Löcher im Marmorfels im Supralitoral
Felsen des Supralitorals mit vielen Löchern

Löcher im Marmorfels im Eulitoral
Wenn sich in großen Vertiefungen das von den Wellen hineingespülte Wasser dauerhaft hält, können sich Organismen des Eu- und sogar des Infralitorals ansiedeln (im Bild Seepocken, Napfschnecken und verschiedene Algenarten sowie etwa in der Bildmitte eine Seeanemone (Aiptasia mutabilis).

zerfressene Marmorküste
Durch die Tätigkeit der Blaualgen und die auflösende Wirkung des leicht sauren Meerwassers werden die Marmorfelsen oft zu messerscharfen Graten zerfressen.

Oberhalb dieser Lithophyten-Zone schließt sich eine bis etwa einen halben Meter hohe Zone an, die nur selten überspült, aber recht regelmäßig durch die Gischt benetzt wird. Hier sind die Marmorfelsen durch einen dünnen Belag der Blaualge Entophysalis granulosa schwarz gefärbt. Im schwarzen Algenbelag kann man (ebenso wie in der grünen Zone) häufig die Fraßspuren der sich von ihm ernährenden Napfschnecken finden.

schwarzer Blaualgenbelag auf Marmorfels im Supralitoral mit Napfschnecken-Fraßspuren
schwarzer Blaualgenbelag auf Marmorfels im Supralitoral mit Napfschnecken-Fraßspuren

Noch darüber schließt sich eine meist etwas schmalere Zone an, in der die Marmorfelsen von einem bräunlichen bis weißen, lackartigen Belag überzogen sind. Hier werden die Felsen nur noch bei Stürmen benetzt. Auch dieser Belag wird vermutlich durch Blaualgen gebildet.

bräunlich-weißer Überzug in der obersten Zone des Supralitorals
bräunlich-weißer Überzug in der obersten Zone des Supralitorals

Supralitoral
weiße und braune Ablagerungen im Supralitoral (vermutlich ebenfalls durch die Blaualgen hervorgerufen)

Supralitoral
In den dunkelbraunen, pockigen Ablagerungen erkennt man deutliche Rillen, in denen Regen- und Spritzwasser abfließen.

Tiere im Supralitoral

Die charakteristischsten und häufigsten Tiere des Supralitorals sind die Napfschnecken, die während der Nacht den (Blau-)Algenbewuchs im Supralitoral oder im benachbarten Eulitoral abweiden. Besonders hoch über der Wasserlinie sitzt die Zwergstrandschnecke (Littorina neritoides, siehe Schnecken), die ebenfalls den Algenbelag der Felsen abschabt. In den untersten, gelegentlich noch überspülten Bereichen des Supralitorals kommen die filtrierenden Seepocken vor, sowohl auf Schiefer als auch auf Marmor. Auch einige Krebsarten leben im Supralitoral: In Felsspalten oder unter angespültem Seegras findet man die nachtaktiven Klippenasseln (Ligia italica); und auch die Felsenkrabbe (Pachygrapsus marmoratus) ist ein häufiger Besucher des Supralitorals, der allerdings immer wieder ins Meer eintauchen muss.

Felsenkrabbe, Pachygrapsus marmoratus
Die Felsenkrabbe sitzt oft knapp oberhalb der Wasserlinie.

Klippenassel, Ligia oceanica
Die scheue Klippenassel kommt regelmäßig in der Spritzwasserzone vor.

Napfschnecke, Patella
Die typischsten Bewohner des Supralitorals sind die Napfschnecken.

Zwergstrandschnecke, Melarhaphe neritoides (= Littorina n.)
Die winzige Zwergstrandschnecke (bis 8 mm) findet man in Felsritzen im oberen Supralitoral.

Sternseepocke, Chthamalus stellatus

Sternseepocke, Chthamalus stellatus
Die Sternseepocke kommt in der Spritzwasserzone häufig vor.

weiter: Das Eulitoral

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siehe auch:

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