Therophyten: Einjährige Pflanzen
Die Therophyten, also die Einjährigen Pflanzen oder Annuellen, verfolgen eine ganz andere Strategie als alle mehrjährigen Pflanzen: Sie beschränken ihre Lebensdauer auf die günstige Zeit des Jahres und überdauern die ungünstige Periode als Samen. Entsprechend ist ihr ganzes Bestreben auf die Produktion vieler Samen ausgerichtet, während beispielsweise die Ausbildung von tiefen Wurzeln, von Speicherorganen und Strukturen, die der Reduktion der Verdunstung dienen, nicht erforderlich ist.
Strategie
Die Hälfte aller Pflanzenarten von Naxos sind Therophyten, also etwa 500 Arten. Diese ausgesprochen deutliche Dominanz der einjährigen Pflanzen ist typisch für Wüsten- und Halbwüstengebiete und ist auf die Saisonalität der Regenfälle und die lange Sommertrockenheit zurückzuführen, die den mehrjährigen Arten das Leben schwer macht. Außerdem hat sicher der Jahrtausende alte Getreideanbau auf Naxos die Etablierung zahlreicher einjähriger Getreideunkräuter und Ruderalpflanzen begünstigt.
Im Frühling ergrünt die ganze Landschaft von den zahlreichen Therophyten wie hier ein alter Olivenhain.
Zu Beginn des Sommers sind außer den Bäumen und Sträuchern fast alle Pflanzen vertrocknet.
Auch in der Phrygana wächst im Frühjahr eine sehr artenreiche Pflanzengemeinschaft: Zwischen den Zwergsträuchern und anderen mehrjährigen Pflanzen sprießen jetzt auch sehr viele Einjährige, hier beispielsweise Trifolium nigrescens, T. campestre und Petrorhagia velutina.
Die Therophyten sind in der Kulturlandschaft besonders häufig so wie hier auf nicht mehr bewirtschafteten Feldern.
In diesem extensiv bewirtschafteten Getreidefeld wachsen beispielsweise Glebionis segetum und Silene gallica.
Blütezeit
Es können zwei Typen von Therophyten unterschieden werden: die Winteranuellen und die Sommeranuellen. Die winteranuellen Therophyten sind darauf eingerichtet, dass sie sofort nach den ersten starken Regenfällen im Herbst oder Winter keimen; wenn günstige Bedingungen herrschen, können sie zu großen Pflanzen aufwachsen. Die sommerannuellen Therophyten keimen dagegen erst zu Beginn des Frühjahrs und wachsen unter den dann optimalen Bedingungen beonders schnell heran; wenn es im Frühjahr zu trocken ist, können sich die späteren Arten allerdings oft kaum entwickeln und bilden nur kümmerliche Zwergformen aus.
Die Acker-Ringelblume ist eine der frühesten Pflanzen, die nach den ersten Regenfällen im Herbst in unserem Weinberg erscheint und ihn schnell weitgehend überwuchert.
Wenn sich das Wetter nicht günstig entwickelt und den ersten Regenfällen (wie meistens) eine längere Trockenperiode folgt, versuchen die Ringelblumen als winzige Zwergpflanzen bis zu den nächsten Regenfällen zu überdauern und wenigstens einige Samen zu produzieren, die ihre Existenz für das nächste Jahr sichern.
Auch das Hirtentäschel keimt schon im Herbst. Wie viele Winterannuelle bildet es erst eine Blattrosette, aus der später der Blütenstand herauswächst.
Im Frühling wachsen die Blütenstände schnell in die Höhe, während gleichzeitig die Rosettenblätter zurückgebildet werden.
Die Schneckenklee-Arten, hier Medicago littoralis, sind Sommerannuelle, erscheinen also erst im späten Winter oder im Frühjahr, wenn die Tage wieder länger werden.
Der Acker-Schwarzkümmel gehört zu den vergleichsweise wenigen Therophyten, die erst im Frühsommer blühen.
Der Einjährige Strandstern gehört zu den spät keimenden Arten. In günstigen Jahren mit guten Regenfällen im Frühjahr kann er im Frühsommer zu großen, reichverzweigten Sträuchern heranwachsen.
Wenn es schon früh zu regnen aufhört, bildet er dagegen gegebenenfalls nur winzige Pflänzchen, die es aber immerhin schaffen eine Blüte zu treiben – wenn auch nur eine einzige.
Lebensräume
Die auf schnelles Wachstum und schnelle Samenproduktion ausgerichtete therophytische Lebensform ist an gestörten, ruderalen Standorten besonders erfolgreich. Entsprechend kommen an Weg- und Straßenrändern und auf gepflügten Flächen besonders viele Therophyten vor – fast alle Ackerwildkräuter sind annuelle Pflanzen. Bei vielen dieser Pflanzen handelt es sich um ausgesprochen häufige Arten; viele können fast flächendeckende Bestände bilden. Manche Arten sind durch die Intensivierung der Landwirtschaft in den letzten Jahrzehnten jedoch wieder selten geworden.
Vicia villosa ist ein typisches Ackerwildkraut und auf Naxos in extensiv bewirtschafteten Getreidefeldern sowie an Wegrändern sehr häufig.
Der Klatschmohn ist ein weiteres, häufiges Acker- und Gartenwildkraut.
Nicht mehr bewirtschaftete Terrassen sind im Frühjahr ebenfalls dicht mit diversen Therophyten überwachsen, hier mit der auf Naxos sehr häufigen Chios-Hundskamille.
Nicht alle Getreidewildkräuter sind auch häufige Pflanzen. Die Kornrade besitzt den Getreidekörnern ähnliche Samen und ist in ihrer Verbreitung seit dem Beginn der Landwirtschaft fast ausschließlich an Getreidefelder gebunden. Seit der Intensivierung des Getreideanbaus ist sie jedoch durch die effektivere Saatgutreinigung und das Spritzen der Getreidefelder sehr selten geworden.
Größe
Therophyten haben die Fähigkeit zu schnellem Wachstum und einige Arten werden so groß, dass man sie für mehrjährige Stauden halten könnte. Andere Arten bleiben dagegen sehr klein und sind leicht zu übersehen.
Die Kronen-Wucherblume gehört zu den größeren Therophyten.
Das Zwergedelweiß ist dagegen ein winziges Pflänzchen, das nicht höher wird als etwa 5 cm, mit nur wenige Millimeter großen Blütenköpfchen.
Auch die zierliche Glockenblume Campanula erinus gehört zu den unauffälligen Pflanzen.
Pflanzenfamilien
Es gibt eine Reihe von Pflanzengruppen, deren sämtliche (auf Naxos vorkommende) Vertreter einjährig sind, so vor allem die Storchschnabelgewächse und die mit nur wenigen Arten vertretenen Enziangewächse. Bei mehreren Familien sind die meisten Angehörigen einjährig, vor allem bei den Kreuzblütlern, den Mohngewächsen, den Süßgräsern, und auch bei den Malvengewächsen, den Schmetterlingsblütlern, den Korbblütlern und den Doldenblütlern, unter denen es eine ganze Reihe von größeren Gattungen gibt, die nur Therophyten umfassen, so die Wicken und Platterbsen und die Gattungen Anthemis, Glebionis, Filago der Korbblütler sowie die Gattungen Torilis und Tordylium der Doldenblütler usw. Ferner gibt es zahlreiche Therophyten auch unter den Nelkengewächsen, den Wegerichgewächsen, den Dickblattgewächsen, den Baldriangewächsen, den Rötegewächsen, den Hahnenfußgewächsen und den Euphorbien.
Der eher seltene Reiherschnabel Erodium botrys ist wie alle Storchschnabelgewächse einjährig.
Auch der schöne Glänzende Storchschnabel ist einjährig.
Auf Naxos kommen nur wenige Enziangewächse vor; sie sind alle einjährig. Hier der Durchwachsenblättrige Bitterling.
Auch die Kreuzblütler sind in ihrer Mehrheit einjährig wie hier das in der Phrygana sehr häufige Brillenschötchen.
Das Echte Schildkraut dagegen ist recht klein und unauffällig.
Eine der vielen einjährigen Pflanzenarten, die man gleich bei uns auf dem Grundstück antreffen kann, ist Papaver purpureomarginatum.
Auch die meisten Malvengewächse sind einjährig. Die Kretische Strauchpappel wird sehr groß und kräftig (und ist mit ihrer starken Pfahlwurzel ein furchtbares Gartenunkraut).
Unter den artenreichen Schmetterlingsblütlern gibt es ebenfalls sehr viele Therophyten. Ein typischer Vertreter ist die Schneckenklee-Art Medicago orbicularis.
Der bei uns in der Phrygana regelmäßig auftretende Blasen-Wundklee gehört zu den hübschesten Arten.
Der Sternklee ist ein weiterer sehr häufiger Therophyt in der Phrygana.
Der eher seltene Trifolium globosum ist eine besonders schöne Klee-Art.
Es gibt über zwanzig Klee-Arten auf Naxos, von denen fast alle einjährig sind; hier Trifolium resupinatum
Die Platterbse Lathyrus articulatus kommt vor allem im Kulturland vor.
Auch unter den Nelkengewächsen gibt es viele einjährige Arten. Sehr häufig ist bei uns das Farbige Leimkraut.
Das Gitter-Spindelkraut gehört zu den zahlreichen Annuellen unter den Korbblütlern. Es ist ein niedriges Kraut mit leicht dornigen Blättern und bemerkenswerten Blütenköpfen, die von gitterartigen Hochblättern umgeben sind.
Crepis fœtida ssp. commutata ist einer der vielen, oft schwer zu bestimmenden gelben Korbblütler.
Einer der vielen einjährigen Doldenblütler ist der Hasenkümmel.
Der Möhrenartige Breitsame ist auf Naxos eher selten anzutreffen.
Der Echte Venuskamm ist dagegen sehr häufig und kommt oft in großen Beständen vor.
Plantago lagopus ist der häufigste der Wegerich-Arten; hier zusammen mit dem ebenfalls sehr häufigen Trifolium nigrescens.
Sideritis curvidens ist einer der wenigen einjährigen Lippenblütler.
Geographische Verbreitung
Entsprechend der hohen Anzahl an Getreidewildkräutern, die durch den Menschen verbreitet werden, gibt es unter den Therophyten von Naxos besonders viele kosmopolitische Arten, während diese unter den anderen Lebensformen fehlen oder selten sind. Die meisten der auf Naxos vorkommenden Therophyten sind jedoch auf das Mittelmeergebiet beschränkte Arten; bei anderen dehnt sich das Verbreitungsgebiet in das gemäßigte Eurasien oder in östlich anschließende Regionen aus. Schließlich gibt es auch einige Arten, die in der Ägäis oder auf den Kykladen endemisch sind.
Die Saatwicke gehört zu den kosmopolitischen Arten, die sich als Kulturfolger durch den Getreideanbau auf der ganzen Erde verbreitet hat.
Auch der Acker-Gauchheil ist weltweit verbreitet.
Fumaria capreolata kommt auch in Mitteleuropa vor.
Auch das Verbreitungsgebiet des Acker-Löwenmaules dehnt sich nach Norden hin aus.
Der Purpur-Klee gehört zu den auf das Mittelmeergebiet beschränkten Arten.
Erodium gruinum ist eine ostmediterrane Art.
Der Haken-Tragant ist auch in den östlich anschließenden Gegenden verbreitet.
Die Steife Hundkamille ist ein Ägäis-Endemit.
Die östliche, im Bereich der Ägäis heimische Unterart der Gebogenen Malcolmie (Malcolmia flexuosa naxensis) hat ihren Namen von der Insel Naxos erhalten.
Schutzmaßnahmen gegen Trockenheit und Beweidung
Die Therophyten verwenden als Strategie gegen das Problem der Sommertrockenheit die zeitliche Vermeidung: Sie überdauern den trockenen Sommer als Samen. Auch gegen Beweidung werden meist keine besonderen Maßnahmen getroffen, außer der Produktion sehr vieler Samen und dem Versuch, sich durch ihre schiere Menge durchzusetzen. Viele der Arten werden dementsprechend gern und viel von Schafen gefressen. Sie haben sich daran angepasst, indem sie schnell wieder hochwachsen, wenn sie abgefressen werden.
Die Therophyten kommen mit dem mediterranen Klima und seiner Sommertrockenheit durch die Strategie der zeitlichen Vermeidung zurecht, d.h. sie vertrocknen sobald es nicht mehr genügend Wasser gibt. Entsprechend sind die Pflanzen meist saftig, zart und grün und besitzten keinen besonderen Schutz gegen Verdunstung und Sonneneinstrahlung. Hier der Essbare Hornklee, eine häufige Art in Gärten und Feldern.
Die meisten Therophyten treffen auch keine Schutzmaßnahmen gegen Beweidung, sondern versuchen sich durch ihre Menge zu behaupten.
Entsprechend wachsen sie oft in dichten Beständen mit vielen Einzelindividuen, so wie hier der Feld-Klee.
Die Kretische Wicke versucht der Beweidung zu entgehen, indem sie im Schutz der sehr dornigen Büsche der Dornigen Bibernelle wächst.
Der Portulak besitzt winzige Samen in kleinen Kapselfrüchten, von denen eine Pflanze bis zu 200.000 produzieren kann. Entsprechend vermehrt er sich sehr leicht, was sein bester Schutz gegen Beweidung ist. Obwohl er keine Vermeidungsstrategien zeigt und sehr wohlschmeckend ist, wurde geschätzt, dass er die achthäufigste Pflanze der Welt ist.
Verbreitungsstrategien
Die Früchte der Therophyten sind oft verhältnismäßig groß, so dass sie auch längere ungünstige Perioden überdauern können, wie es für Pflanzen von Ruderalstellen und trockenen Standorten wichtig ist. Bewohner ruderaler, gestörter Standorte müssen immer wieder neue Plätze besiedeln können. Deswegen besitzen die meisten Arten Früchte, die über Tiere (Klettfrüchte, essbare Samen bzw. Früchte) oder den Wind weit verbreitet werden können.
Die Lupinen, hier Lupinus pilosus, gehören zu den größeren Therophyten auf Naxos.
Alle Lupinen bilden dicke Hülsen mit stärkehaltigen Samen aus, die besonders viele Jahre keimfähig bleiben, so dass sie auch längere ungünstige Perioden überstehen können.
Medicago minima besitzt typische Klettfrüchte.
Auch viele Doldenblütler besitzen Klettfrüchte, hier Daucus guttatus.
Die meisten Korbblütler, wie hier Urospermum picroides, besitzen Flugsamen, sogenannte Achänen.
Einige Klee-Arten besitzen Fruchtstände, die als Ganzes als Bodenroller durch den Wind verbreitet werden, so der Filzige Klee.
Sehr viele Samen werden fleissig durch Ameisen eingesammelt und in deren unterirdischen Bauten getragen, also gleich eingepflanzt. Das machen sich einige Arten zunutze, die an den Samen ein sogenanntes Elaiochrom ausbilden, das Inhaltsstoffe enthält, die von Ameisen gern gegessen werden. Zu diesen Arten, die sich also durch Ameisen verbreiten lassen, gehört das Einjährige Adonisröschen.
Auch die Erdrauch-Arten sind “myrmekochore” Pflanzen (von Ameisen verbreitet) und bilden ein Elaiosom an ihren Samen aus.
Die Platterbsen-Art Lathyrus articulatus ist ein Selbstausbreiter: Wenn sie austrocknen, platzen ihre Hülsen mit einem deutlich hörbaren Knack auf, wobei die Samen davongeschleudert werden.
Auch der Rundblättrige Storchschnabel verbreitet seine Samen durch Wegschleudern (hier sind sie allerdings an den Fruchtschnäbeln hängengeblieben).
Die Samen des Reiherschnabels Erodium botrys bohren sich bei Feuchtigkeit wie eine Schraube in den Boden ein, wobei der obere Teil seitlich abknickt, so dass er sich als Widerstand in der Vegetation verhakt.
Nutzbarkeit
Unter den Therophyten gibt es einige essbare Arten, vor allem unter den Korbblütlern; die meisten der als Wildgemüse gesammelten Pflanzen sind jedoch Hemikryptophyten.
Die Gemüse-Gänseldistel ist einer der vielen Korbblütler, die als chórta von der Dorfbevölkerung gesammelt werden.
nächster Artikel: Hydrophyten (Wasserpflanzen)
weitere Lebensformen:
- Phanerophyten (Bäume und Sträucher)
- Chamaephyten (Zwergsträucher)
- Geophyten (Zwiebel-, Knollen- und Rhizompflanzen)
- Hemikryptophyten (Staudenpflanzen)
zurück: Das Lebensformenspektrum von Naxos
siehe auch: