Wicken, Linsen und Platterbsen, Vicia, Lens und Lathyrus
Die Gattung der Wicken (Vicia) ist eine der artenreichsten Gattungen der Schmetterlingsblütler. Sie ist im Mittelmeergebiet mit besonders vielen Arten vertreten; auf Naxos sind 11 Arten nachgewiesen. Charakteristisch sind die gefiederten Blätter, die üblicherweise in einer Ranke enden, mit deren Hilfe die Wicken sich an anderen Pflanzen emporranken. Die Stängel sind oft kantig, aber nicht geflügelt. Die Blüten stehen in länglichen Blütenständen oder einzeln; sie können unterschiedlichste Farben haben. Die Samen liegen wie bei allen Schmetterlingsblütlern in Hülsen (siehe auch die nah verwandte Erbse (Pisum sativum) und die Linse (Lens culinaris)). Die Hülsen sind so konstruiert, dass sie bei Trockenheit plötzlich aufspringen, wobei die Samen herausgeschleudert werden; die runden Samen können dann auf abschüssigem Gelände noch ein Stück weiter rollen. Die Samen sind recht groß und nährstoffreich und auf das Überdauern langer Zeitspannen eingerichtet – deswegen bei einigen Arten auch als Nahrung für den Menschen geeignet (so die Erbse und die Linse, die in Griechenland schon in der Steinzeit als Nutzpflanze auftreten, zum Beispiel in der Franchthi-Höhle).
Häufig wachsen mehrere Wicken- und Platterbsen-Arten durcheinander.
Hier kann man direkt zu den Gattungen springen (zurück kommt man durch Zurückblättern): Wicken, Vicia – Platterbsen, Lathyrus – Linsen, Lens
Wicken, Vicia
Die Wicken treten mit etwa 180 Arten vor allem in den gemäßigten Breiten der Nordhalbkugel auf.
Einblütige Wicke, Vicia articulata, Hornem.
Die Einblütige Wicke wächst in Getreidefeldern; sie ist stellenweise häufig, so im Hochtal südlich von Apíranthos.
Die Einblütige Wicke ist eine sehr zarte, schmale Pflanze mit kleinen weißlichen, langgestielten Blüten. Ihre Fiederblätter sind klein, schmal und abgestutzt. Die ganze Pflanze ist kahl.
Jeweils das eine der Nebenblätter ist fein zerteilt, ein charakteristisches Merkmal der Art.
Die kahle Hülse beinhaltet 3 bis 4 Samen. Für die Bestimmung dieser Art danke ich sehr herzlich Arne Strid.
Bithynische Wicke, Vicia bithynica, L.
Die Bithynische Wicke ist auf Naxos eher selten. Sie kommt als “Unkraut” in Gärten vor und wächst in Feldern.
Die Bithynische Wicke hat große, schmal elliptische bis rundliche Blätter mit meist nur zwei Fiederpaaren und große, ovale, gezähnte Nebenblätter.
Ihre hübschen Blüten sind lila-weiß gefärbt.
Kretische Wicke, Vicia cretica, Boiss. & Heldr.
Die Kretische Wicke ist in Phrygana und Garrigue häufig; sie wächst meist in Zwergsträuchern, insbesondere in der Dornigen Bibernelle (Sarcopoterium spinosum).
Die zarte Kretische Wicke hat kleine Blätter mit meist nur 4 Paar länglichen Fiederblättchen.
Die kleinen Blüten sind purpurn mit dunkleren Streifen.
Die Kretische Wicke wächst fast immer, so wie hier, in den sehr dornigen Büschen der Dornigen Bibernelle (Sarcopoterium spinosum). Hier sieht man auch die breiten, braunen Hülsen.
Spitzblättrige Wicke, Vicia cuspidata, Boiss.
Die Spitzblättrige Wicke ist im ostmediterranen Raum heimisch. Sie ist nicht selten, aber klein und unauffällig, so dass sie leicht übersehen kann. Sie wächst in Olivenhainen, im alten Kulturland und in der Phrygana.
Die Spitzblättrige Wicke hat weißliche sitzende Blüten und schmale, zugespitzte Blätter.
Die Hülse besitzt einen gebogenen Schnabel.
Hybrid-Wicke, Vicia hybrida, L.
Die Hybrid-Wicke ist auf Naxos sehr häufig; sie kommt im Kulturland, in Feldern und Gärten vor.
Die häufige Hybrid-Wicke besitzt gelbe, sitzende Blüten.
Die Blüten sind auf dem Rücken behaart.
Platterbsen-Wicke, Vicia lathyroides, L.
Die kleine Wicke Vicia lathyroides blüht recht früh im Frühjahr. Sie kommt in der Tragaía und bei Sífones vor.
Bei dieser kleinen, unauffälligen Art mit sitzenden Blüten und kurzer, weicher Behaarung handelt es sich um Vicia lathyroides.
Vicia lathyroides hat zweifarbige Blüten mit dunklerer, rötlicher Fahne und helleren, bläulichen Flügeln. Die Kelchzähne sind etwa gleich lang. Die Blätter tragen oft keine Ranke, sondern nur eine kleine Granne. Die Schote hat eine leicht gebogene Spitze.
Gelbe Wicke, Vicia lutea, L.
Die Gelbe Wicke tritt stellenweise in der Macchie, in Olivenhainen und im alten Kulturland auf, ist aber eher selten auf Naxos.
Die Gelbe Wicke hat meist hellgelbe Blüten und ist stark abstehend behaart.
Die an den Blüten gelegenen auffällig schwarz gefärbten kurz dreieckigen Nebenblätter tragen eine dunkelviolette runde Nektardrüse.
Die Blüten können auch rosarot gefärbt sein. Die langen Haare der Hülsen stehen auf kleinen Warzen.
Die oberen Kelchzähne der Blüten sind kürzer als die unteren.
Pannonische Wicke, Vicia pannonica, Crantz
Die Pannonische Wicke ist auf Naxos selten. Sie wächst in Äckern und Gärten.
Diese Art hat zahlreiche, dichtstehende, ungestielte rosa Blüten und anliegend behaarte Hülsen.
Fremde Wicke, Vicia peregrina, L.
Die Fremde Wicke wächst an trockenen Standorten in der Phrygana und an Wegrändern. Sie ist auf Naxos selten.
Die Fremde Wicke besitzt sehr schmale, an der Spitze abgeschnittene Fiederblättchen. Die Fahne der intensiv dunkel-lila Blüten ist tief ausgerandet.
Die Hülsen sind kurz geschnäbelt und recht breit.
Vicia pinetorum, Boiss. & Spruner
Die große und auffällige Art Vicia pinetorum kommt an schattigen Hängen in den Bergen von Naxos vor.
Vicia pinetorum bildet große Pflanzen, die einen kleinen Hang dicht überwuchern können.
Die Blätter besitzen viele Fiederpaare und die hübschen cremefarbenen Blüten stehen in vielblütigen, langstieligen Trauben.
Hier sieht man die Hülsen.
Flaum-Wicke, Vicia pubescens, (DC.) Link
Die Flaum-Wicke wächst an feuchten schattigen Stellen wie in Flusstälern und Wäldern. Sie kommt auf Naxos nur sehr lokal vor.
Bei dieser sehr zarten Wicke handelt es sich um Die Flaum-Wicke.
Sie besitzt kleine weißliche Blüten mit dünnen, ungleich langen Kelchzähnen, deren längster länger ist als die Kelchröhre.
Die Blüten sitzen zu bis zu sechst in sehr langgestielten Trauben.
Die Hülsen weisen meist vier Samen auf.
Saat-Wicke, Vicia sativa, L.
Die in Europa weit verbreitete Saatwicke oder Futterwicke ist sehr häufig auf Naxos; es handelt sich um eine alte Kulturpflanze, die als Futterpflanze angebaut wird und heute in vielen Gegenden auch verwildert wächst.
Die Saatwicke ist eine alte Kulturpflanze.
Die Blüten sind purpurn; charakteristisch sind die schwarzen Nektarien auf den Nebenblättern.
Auffällig sind die Hülsen mit dicken Samen.
Die Samen sind essbar; jung schmecken sie süßlich, während die reifen einen deutlichen Bittermandel-Geschmack haben.
Vicia sibthorpii, Boiss.
Die seltene Art Vicia sibthorpii ist auf Naxos erst wenige Male nachgewiesen worden (bestimmt und fotografiert von Stefan Meyer). Sie kommt fast ausschließlich in Griechenland vor.
Vicia sibthorpii ist dicht behaart. Die Blüten sind bläulicher, ansonsten ist sie V. villosa recht ähnlich. Es handelt sich um eine recht seltene Art,
Diese Art ist nach John Sibthorp, dem Autor der Flora Graeca benannt, der Ende des 18. Jahrhunderts durch den Balkan reiste und viele noch unbeschriebene Arten sammelte und dokumentierte. Seine Pflanzensammlung existiert noch heute; die Flora Graeca wurde allerdings erst nach seinem frühen Tod herausgegeben.
Kleinblättrige Zottelwicke, Vicia villosa ssp. microphylla, (d’Urv.) P.W. Ball
Die Kleinblättrige Zottelwicke kommt in Phrygana und Garrigue vor; sie ist auf Naxos weitverbreitet und recht häufig.
Diese Kleinblättrige Zottelwicke kommt vor allem in der Phrygana vor.
Die Blüten sitzen in lockeren Blütenständen. Sie sind lila mit weißlichen Flügeln. Die Fiederblättchen sind breit oval bis länglich, die Hülse ist leicht geadert.
Wollsamige Zottelwicke, Vicia villosa ssp. eriocarpa, (Hauskn.) P.W. Ball
Die Wollsamige Zottelwicke wächst vor allem in Äckern und an Straßenrändern. Sie ist auf Naxos sehr häufig und kann teilweise in dichten, ausgedehnten Beständen wachsen.
Diese Unterart bildet vielblütige, sehr dichte Blütenstände aus; die Fiederblättchen sind schmaler als bei der vorigen Unterart. Sie kommt vor allem auf Feldern und an Wegrändern vor.
Die zahlreichen, hängenden Blüten sind auf charakteristische Weise angeordnet.
Die Blüten besitzen sehr ungleiche Kelchzähne. Die Hülse ist fein behaart.
Die Art ist bei uns stellenweise sehr häufig und kann dichte Bestände bilden.
Platterbsen, Lathyrus
Die Platterbsen (Lathyrus) umfassen ebenfalls etwa 160 Arten, die überwiegend in den gemäßigten Breiten der Nordhalbkugel auftreten; auch sie sind mit zahlreichen Arten im Mittelmeerraum vertreten. Ihre Blätter haben im Gegensatz zu den Wicken meist weniger Fiedern; manchmal sind die Blätter grasartig langgestreckt. Charakteristisch sind die geflügelten Stängel. Auch die Platterbsen sind nicht gerade einfach zu bestimmen.
Einjährige Platterbse, Lathyrus annuus, L.
Die Einjährige Platterbse wächst an feuchten Stellen und ist auf Naxos selten.
Die Einjährige Platterbse besitzt geflügelte Stängel und lange, sehr schmale Blätter mit feinen Nebenblättern.
Die Blüten sind gelb bis orange.
Ranken-Platterbse, Lathyrus aphaca, L.
Die Ranken-Platterbse kommt hier und da in Gärten und Kulturland vor.
Die Ranken-Platterbse hat blassgelbliche Blüten.
Sie ist leicht an den charakteristischen Blättern zu erkennen: Eigentlich handelt es sich um die Nebenblätter, während die Blattspreite zu einer Ranke reduziert ist.
Lathyrus articulatus, L.
Die Purpur-Platterbse ist auf Naxos häufig. Sie kommt in Gärten und in Feldern und allgemein im Kulturland vor. Lathyrus articulatus ist der Purpur-Platterbse L. clymenum sehr ähnlich; äußerlich sind die beiden Arten kaum zu unterscheiden. Sie unterscheiden sich nur an der Gestaltung des Griffels: während Lathyrus articulatus einen stumpfen Griffel aufweist, trägt der von L. clymenum eine kleine Granne. Soweit ich es bislang überprüft habe, scheint es sich bei uns um ausschließlich Lathyrus articulatus zu handeln.
Die Purpur-Platterbse ist essbar: Aus ihren getrockneten Samen wird ein gelber Erbsenbrei (fava) bereitet, der in Griechenland sehr beliebt ist. Heute wird fava noch beispielsweise auf Santorin und Schinoussa angebaut.
Lathyrus articulatus ist bei uns sehr häufig.
Sie besitzt breit geflügelte Stängel.
Die Blüten sind zweifarbig mit roter Fahne und hellrosa Flügeln.
Von der sehr ähnlichen Art L. clymenum unterscheidet sich L. articulatus nur an der Gestaltung der Narbe: Hier ist sie stumpf, bei L. clymenum ist sie dagegen nach unten gebogen und begrannt.
Rote Platterbse, Lathyrus cicera, L.
Die Rote Platterbse kommt in Kulturland und Phrygana recht regelmäßig vor. Sie blüht schon sehr früh im Frühjahr.
Es gibt mehrere Platterbsen-Arten mit roten Blüten auf Naxos; darunter ist die Rote Platterbse mit Abstand am häufigsten.
Sie besitzt lange, grasartige Blätter, breite Nebenblätter und lange Kelchzähne.
Felsen-Platterbse, Lathyrus saxatilis, (Vent.) Vis.
Die Felsen-Platterbse ist selten auf Naxos; sie kommt an trockenen Standorten mit offener Vegetation vor.
Die seltene und sehr zarte Lathyrus saxatilis besitzt einen ungeflügelten Stängel und Blätter mit zwei schmalen, etwa 2 cm langen Fiederpaaren.
Die kleinen weißen Blüten weisen zarte lilablaue Striche auf.
Lathyrus setifolius, L.
Die Platterbse Lathyrus setifolius ist auf Naxos recht selten; sie wächst in Phrygana und Garrigue an trockenen Standorten.
Lathyrus setifolius ist eine sehr zarte Pflanze mit sehr langen und schmalen Blättern, schmalen Nebenblättern und kaum geflügeltem Stängel.
Die Blüten sehen denen der Roten Platterbse ähnlich; das Schiffchen ist vorn schwärzlich.
Die Hülse ist breit und weist eine deutliche Netznervatur auf.
Lathyrus sphaericus, Retz.
Auch Lathyrus sphaericus ist auf Naxos selten; sie kommt an saisonal feuchten Stellen in Flusstälern vor.
Lathyrus sphaericus ist eine weitere rotblühende Platterbse; ich habe sie erst einmal im Flusstal von Engarés angetroffen.
Sie besitzt einen ungeflügelten Stängel, sehr lange und schmale grasartige Blätter und sehr schmale Hülsen.
Linsen, Lens
Die Linsen sind eine kleine Familie mit nur sechs Arten, die im Mittelmeergebiet und in Asien vorkommen. Lens culinaris ist eine der ältesten Kulturpflanzen der Menschheit. Die Linsen sind den Wicken sehr ähnlich, unterscheiden sich aber in den kürzeren Hülsen und den abgeflachten (linsenförmigen) Samen. Auf Naxos kommen zwei Arten vor, von denen es bislang jedoch nur einen bzw. wenige Nachweis aus den 50er Jahren gab. Beide Arten habe ich dieses Jahr (2023) bei Apíranthos wiedergefunden.
Die Samen der Linsen sind abgeflacht (linsenförmig) und sehen denen der Kulturlinse sehr ähnlich.
Zwerg-Linse, Lens ervoides, (Brign.) Grande
Die Zwerg-Linse kommt in der Nähe von Apíranthos in lockerem Kermeseichen-Wald vor.
Die Zwerg-Linse ist eine sehr zarte Pflanze.
Die Blüten sind sehr klein; die Fahne ist bläulich, Flügel und Schiffchen sind weißlich gefärbt.
Der Kelch besitzt sehr lange Zähne. Die Blätter der Zwerg-Linse weisen meist nur zwei oder drei Fiederblatt-Paare auf und besitzen meist keine Ranke. Die kleinen Nebenblätter sind lanzettlich bis spießförmig.
Charakteristisch für die Linsen-Arten sind die langgestielten, kurzen Hülsen; bei dieser Art sind die Hülsen kurz behaart.
Schwärzliche Linse, Lens nigricans, (M. Bieb.) Godr.
Die Schwärzliche Linse habe ich nur einmal gefunden, ebenfalls in der Nähe von Apíranthos.
Bei der Schwärzlichen Linse sind die Hülsen kahl, die Blätter besitzen mehr Fiederblättchen und tragen eine Ranke, und der Blütenstiel trägt eine Granne. An unserer Pflanze sind die Nebenblätter (untypischerweise) nicht gezähnt, sondern einfach und lanzettlich.
siehe auch: