Um den Fanari
Eine der schönsten Wanderungen, die man auf Naxos machen kann, führt einmal um den Fanári herum. Von Apíranthos aus geht es zunächst nach Westen über den Pass südlich des Fanári und hinab in das Tal der Tragaía, dann deren Ostrand entlang nach Norden, an Moní vorbei in das Tal von Sífones und schließlich über den nördlichen Fanári wieder zurück nach Apíranthos. Es handelt sich um eine recht lange Wanderung: Wir haben 6 Stunden benötigt – wesentlich mehr als auf den Wegweisern angegeben, sind allerdings auch recht langsam gelaufen. Man hat einige Steigungen zu bewältigen und die Wege sind zwar gut zu finden, aber überall steinig, so dass man an vielen Stellen vorsichtig und dementsprechend langsamer gehen muss.
Der Wanderweg ist auf der neuen Karte des Anavasi-Verlages eingezeichnet (Wanderung 8) und auch im Gelände mit hölzernen Wegweisern und kleinen Metallplättchen sowie mit roten Punkten markiert. Nach dem steilen Abstieg des südlichen Fanári haben wir den auf der Karte eingezeichneten, aber nicht markierten östlicheren Weg ganz am Ostrand der Tragaía gewählt, der im Gelände gut mit roten Punkten bezeichnet ist. Außerdem sind wir nicht in das Dorf Moní hineingegangen, sondern haben den Weg dort östlich abgeschnitten (auf einer kleinen Fahrstraße). Nach dem Dorf Sífones gab es eine Stelle, an der wir den Weg nicht auf Anhieb gefunden haben, da man dort an einer nicht markierten Stelle seitlich auf einen mit Ginster bewachsenen Hang abbiegen muss. Da hat sich die App der Karte des Anavasi-Verlages als nützlich erwiesen, mit der man mit Hilfe eines Smartphones seinen Standort genau finden und den Weg bestens verfolgen kann.
Im Sommer ist das Wandern auf Naxos wegen der Hitze nur eingeschränkt möglich. Diese Wanderung ist trotz ihrer Länge an einem nicht zu heißen Tag jedoch ganz gut zu bewältigen: Wenn man in Apíranthos früh genug los geht, schafft man den ersten Anstieg bis zum Pass solange die Sonne noch niedrig steht; danach läuft man während des Abstiegs im “Rücken” des Fanári ganz im Schatten, da die Sonne noch nicht über den Berg geklettert ist. Auf den nächsten Abschnitten bis Moní und Sífones verläuft der Weg überwiegend im Schatten der vielen Bäume, die in diesen Tälern wachsen. Nur auf dem letzten Stück von Sífones über den nördlichen Fanári zurück nach Apíranthos gibt es kaum Schatten, aber hier haben wir bei unserer Wanderung Anfang September das Glück, dass es etwas bewölkt ist, so dass es nicht zu heiß wird. Wenn man das Dorf Moní umgeht, kommt man an keiner Stelle vorbei, an der man seine Wasserflasche auffüllen kann, also sollte man ausreichend Wasser mitnehmen. Wie immer beim Wandern auf Naxos ist es empfehlenswert leichte Wanderschuhe oder gute Turnschuhe zu tragen; lange Hosen sind auf dieser Wanderung eigentlich nicht erforderlich, da man nur auf einer kurzen Strecke durch stachelige Ginsterbüsche hindurch muss, ansonsten sind die Wege frei (Stand 2021).
Es folgt eine Auswahl an schönen Fotos von unserer Wanderung. Dieselbe Strecke habe ich schon an anderer Stelle beschrieben: “Von Apiranthos nach Chalki” (=Südlicher Fanári), “Von Apiranthos nach Moni” (=Nördlicher Fanári) und Sifones.
Wenn man den Pass südlich des Fanári erreicht hat, öffnet sich ein wunderschöner Blick auf die Tragaía.
Hier der Blick nach Norden. Der westliche Hang des Fanári ist recht steil und nur an wenigen Stellen gut begehbar.
Wir folgen einem wunderschönen Pfad, der sich in vielen Serpentinen den steilen Hang hinabwindet.
Wenn man früh genug losgeht, liegt dieser Hang noch im Schatten, so dass man bequem laufen kann.
Nachdem wir den Steilhang hinter uns gelassen haben, geht es auf einem schmalen Pfad am Rand der bewirtschafteten Region entlang. Hier gehen wir über schöne alte Terrassen, die heute mit Adlerfarn bewachsen sind; hier liegt (vorn rechts im Bild) ein altes Becken zum Weintreten, was wohl bedeutet, dass die Terrassen früher mit Wein bebaut waren.
Ich genieße es immer ganz besonders, so wie hier an einem Hang zwischen der bewirtschafteten und belebten Region und dem “wilden” Berg entlang zu gehen. Hier ist es ganz still und einsam: Wir begegnen keiner Menschenseele, und um uns herum sind nur die natürlichen Geräusche – das Rauschen des Windes in den Bäumen, hier und da das Zwitschern eines Vogels, mal eine Ziegenglocke. Aber von unten, aus der Tragaía, dringen aus der Ferne die Geräusche der Menschenwelt hinauf: das Knattern eines Mopeds, das Geräusch einer Motorsäge, das Bellen eines Hundes, eine Kirchenglocke, ein lauter Ruf. Es hat etwas Magisches, die geschäftige Welt so unter sich zu hören, aber selbst durch die Stille der Natur zu wandern, umgeben von den Elementen selbst: der frischen, klaren Luft, den ewigen Felsen und Steinen, den genügsamen Pflanzen, mal von Sonnenstrahlen berührt, mal in Schatten getaucht. Was für ein Balsam für die Seele!
Danach folgen wir einem schön gepflasterten alten Maultierpfad, der heute stellenweise mit Oleander zugewuchert ist.
Im geschützten Tal wachsen Walnussbäume.
Wir fühlen eine archaische Jäger- und Sammlernatur in uns erwachen: Erst pflücken wir ein paar Feigen von einem ungenutzten Feigenbaum, dann ein paar Trauben von einem verwilderten Weinstock, dort gibt es wilde Birnen, hier sammeln wir einige Nüsse auf (die meisten sind verdorben), ein Stück weiter wachsen Brombeeren am Wegesrand.
Bald kommen wir durch malerische Ölbaumhaine.
Die Ölbaumhaine sehen gut gepflegt aus: Sie werden offensichtlich noch abgeerntet.
Hier sieht man Moní. Der Wanderweg 8 führt eigentlich durch’s Dorf, aber wir biegen nach rechts ab und gehen direkt zur kleinen Passhöhe Richtung Sífones.
Im Tal von Sífones folgt der Wanderweg einem schmalen aber deutlichen Pfad, der zwischen alten Weinbergen entlang führt. Fast die ganze Zeit laufen wir im Schatten von Bäumen: Hier wachsen überall Eichen und Ahornbäume. An den feuchteren Stellen, so wie auf dem Foto, stehen Platanen. Es ist schon recht herbstlich, und es ist wunderbar, durch das raschelnde Laub zu laufen.
Das Tal von Sífones war früher durchgehend bewirtschaftet. Heute werden viele Felder nicht mehr genutzt und sind nun von Sträuchern überwuchert. Außer den Kermeseichen, die den natürlichen Wald bilden, wachsen an vielen Stellen auch große Flaumeichen. Im Frühling blüht und grünt hier alles, nun sind die offenen Flächen braun und trocken.
An vielen Stellen gehen folgt der Pfad schattigen Hohlwegen.
Der Blick auf den Fanári; im Vordergrund sieht man, wie sich noch bewirtschaftete Weinberge und Ölhaine mit Eichenwäldchen abwechseln.
ein kleines Steinhäuschen, wie die Terrassenmauern aus dem hier überall anstehenden Schiefer errichtet
Wir kommen am weißen Maultier vorbei, das wir schon von anderen Wanderungen kennen, und das sich gern mit trockenem Gras und Obst füttern lässt.
Im verlassenen Dörfchen Sífones machen wir Mittagspause. Die verfallenden Häuser sind sorgfältig aus Schiefer errichtet.
Wir stöbern durch die kleine Siedlung: überall sind hübsche Details zu entdecken. Sífones war kein eigenständiges Dorf, sondern gehörte zu Kóronos. Es ist irgendwann nach dem Zweiten Weltkrieg verlassen worden.
Dieses Haus besaß sogar Glasfenster.
Die Schieferplatten sind bestens zum Mauern geeignet. Ums Dorf herum liegen sorgfältig errichtete Terrassen, die durch kleine Treppen verbunden sind.
Natürlich ist es offensichtlich, dass das traditionelle Leben in einer Selbstversorger-Landwirtschaft, wie es sich auf Naxos noch bis in die Siebziger Jahre gehalten hat (in meinem Buch “Zwei Türen hat das Leben” nachzulesen), nicht einfach und sehr arbeitsreich war. Es hat sich jedoch in einer Umwelt abgespielt, die durch die Tätigkeiten des Menschen nicht zerstört, sondern bereichert und verschönert wurde. Was für einen Effekt dieser Unterschied auf die Psychologie der Menschen hat! Natürlich hat es auch damals Tausend Probleme und Glück und Unglück gegeben, aber die alltäglichen Tätigkeiten an sich und die Umgebung, in der sich das Leben abspielte, hatten etwas Heilsames, das einem auch heute noch Frieden und Zufriedenheit vermittelt, wenn man durch diese Landschaft wandert.
Nach Sífones führt der Weg unter der Fahrstraße hindurch und folgt erst einem deutlichen Pfad das Tal aufwärts.
Bald schon muss man (im Gelände nicht zu erkennen) nach Süden abbiegen und steigt auf einem undeutlichen Pfad den südlichen Hang hinan.
Eine allererste Herbstzeitlose zeugt davon, dass der Sommer nun vorbei ist.
Der Hang ist dicht mit großen Ginsterbüschen bewachsen, zwischen denen der enge Pfad sich hindurchzwängt.
Um die nächste Ecke herum lassen wir den Ginster hinter uns und kommen wir wieder in offenere Vegetation. Es geht den alten, befestigten Maultierweg zwischen Sífones und Apíranthos entlang, der langsam den Hang ansteigt.
Die Weinberge hier am Hang gehörten Bauern aus Apíranthos, was den sorgfältig errichteten Maultierweg erklärt. Manche Weinberge werden noch bewirtschaftet: Hier hat ein Bauer in seinem terrassierten Weinberg eine kleine Bahn zum Transportieren der Kisten konstruiert.
Man sieht den auf Metallstangen laufenden “Wagen”, auf den die Kisten gestellt werden, und oben die Seilwinde.
Am Hang wachsen die typischen Wäldchen der höheren Lagen, die vor allem aus Kermeseichen und Kretischem Ahorn bestehen.
Der Weg ist schmal, aber aufwändig befestigt und bestens zu laufen.
Wir genießen den wunderbaren Blick zurück auf das Tal von Sífones. Hier oben färben sich viele Ahornbäume schon gelblich, was daran liegt, dass es dieses Jahr so trocken war.
Wir kommen an diesem schönen alten Steinhaus vorbei.
Während in Sífones und in den niedrigeren Lagen Schiefer ansteht, ist der obere Fanári aus dicken Marmorschichten aufgebaut. Hier ziehen sich zwei schmale Marmorbänder zwischen den Schieferschichten entlang.
Wir nähern uns allmählich dem Pass: Der Pfad schlängelt sich über den etwas links von der Bildmitte sichtbaren Sattel.
In den Marmorschichten, aus denen der Kamm des Fanári aufgebaut ist, gibt es keine bewirtschaften Felder oder Terrassen mehr und auch keine natürlichen Wäldchen; nur vereinzelte Bäume und kleine Sträucher können sich zwischen den flechtenbewachsenen Felsen halten.
Der Blick zurück auf das südliche Tal von Sífones und Moní; im Vordergrund sieht man die Serpentinen, in denen sich der hübsche Maultierpfad steil zum Pass hinaufschlängelt.
Auf der anderen Seite des Passes geht es dann in mehr oder weniger direkter Linie nach Apíranthos zurück.
Nach einiger Zeit mündet der Fußfad in eine schmale Fahrstraße. Im Hintergrund sieht man schon Apíranthos, das stolz auf seinem Hügel liegt.
Es ist angenehm, dass das letzte Stück so leicht zu laufen ist, auch wenn die alten Pfade natürlich hübscher sind.
Nachdem wir erschöpft, aber glücklich wieder in Apíranthos angekommen sind, sind sich alle einig: Eine lange, aber wunderschöne und abwechslungsreiche Wanderung, die kein Wanderfreund auslassen sollte – definitiv eine der schönsten Wanderungen der Insel!
siehe auch: