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Auf den Koronos-Berg

Der Gebirgszug des Kóronos ist mit 999 Meter fast ebenso hoch wie der Zeus, der höchste Berg von Naxos (und den Kykladen). Der östliche, höchste Gipfel heißt Mávro Voúni, der mittlere Gipfel wird Pelekiá genannt, der westliche, die Spitze des eigentlichen Kóronos-Berges heißt Troúlla. Die Troúlla ist mit 989 Metern nur wenig niedriger als die Spitze des Mávro Voúni. Das Kóronos-Gebirge hat aufgrund seines anderen Gesteins einen ganz anderen Charakter als der Zeus-Berg: Während dieser aus Marmor aufgebaut ist, besteht der Mávro Voúni aus Schiefer und die Troúlla und ihre weitere Umgebung aus Granit-ähnlichem Gestein.

Blick zum Kóronos-Berg vom Stavró tis Meramotís
Blick auf den Pass Stavrós tis Keramotís mit seiner kleinen Kapelle und dem Kóronos-Gebirge dahinter: rechts der Mávro Voúni, in der Mitte die Pelekiá und ganz links die Troúlla.

Entsprechend dem verschiedenen Gestein ist auch die Vegetation auf den zwei Bergzügen ganz unterschiedlich: Auf dem Zeus wächst eine lockere Garrigue vor allem aus niedrigem Immergrünen Ahorn und Kermeseichen, während auf dem Kóronos die Bereiche mit Marmor und Schiefer überwiegend von Dornigem Ginster (Genista acanthoclada) bewachsen sind und auf dem Granit fast ausschließlich eine Heide vor allem aus Erica manipuliflora wächst.

Wir biegen kurz hinter dem Stavrós tis Keramotís nach links auf die Erdstraße ein, lassen unser Auto aber schon bald (kurz hinter den Antennen) stehen, da die Straße hier ziemlich schlecht wird.

auf dem Kóronos-Berg
Blick nach Nordosten auf die Dörfer Kóronos und Skadó; im Vordergrund ein Streifen mit abgebranntem Ginster

Blick vom Koronos-Berg nach Süden
Blick nach Süden; ganz links im Hintergrund der Zeus, in der Bildmitte tief im Tal das kleine Dorf Keramotí.

Wir folgen dem alten Fußpfad südlich der Bergkuppe des Mávro Voúni, der aber schon bald so völlig überwachsen ist, dass man ihn kaum mehr erkennen kann, und wir uns durch die Ginsterbüsche schlagen müssen, bis wir bei einem kleinen Hirtenhof wieder auf die Fahrstraße stoßen. Auf dem ersten Stück des Weges steht Marmor an. Dieser ist hier besonders zerklüftet; in den die Felsen durchziehenden Klüften versickert das Regenwasser und Erde sammelt sich an.


Anfangs besteht das Gestein aus Marmor, der hier besonders schön zerklüftet ist; in den Klüften, wo sich Erde und Regenwasser ansammeln, wächst Ginster


In den Spalten und an den schattigen Unterseiten des Marmors sitzen viele Clausilien.

Krähenbeeren-Johanniskraut, Hypericum empetrifolium
Es ist schon Anfang Juni und zwar dieses Jahr noch sehr grün, aber es blüht nicht mehr viel. Hier eine Johanniskraut-Art (Hypericum empetrifolium).

Bald kommen wir aus dem Marmor hinaus in Schiefergebiet. Hier wachsen die Ginsterbüsche besonders dicht. Früher wurden die hervorragend brennbaren Ginster (Genista acanthoclada) von der Dorfbevölkerung zum Anfeuern der Herde und der Backöfen zuwie auch zum Betreiben der Kalkbrennöfen und der Töpferöfen benutzt; entsprechend gab es viel weniger davon als heute. Heute haben sich die Ginster soweit ausgebreitet und bilden an vielen Stellen ein so undurchdringliches Gestrüpp, in dem nichts anderes wachsen kann, dass es kein Wunder ist, wenn die Hirten ihn von Zeit zu Zeit abbrennen.

Phrygana, Dorniger Ginster, Genista acanthoclada
Auf dem Mávro Voúni wächst der Dornige Ginster in fast reinen Beständen.

Dorniger Ginster, Genista acanthoclada
Der Ginster gehört zu den Rutensträuchern, das heißt er besitzt keine oder nur sehr kleine Blätter, und betreibt die Photosynthese mit den Stängeln. Auf diese Weise kann die Pflanze die Wasserverluste durch Verdunstung gering halten.

Im Sattel hinter dem Mávro Voúni liegt ein Hirtenpferch mit einer außergewöhnlich hohen Umfassungsmauer und einem ungewöhnlichen, sehr sorgfältig gemauerten Steinhaus (“mitátos”). Es ist mit der üblichen Technik gebaut, die schon seit mykenischer Zeit nachgewiesen ist, indem die Wände innen nach oben hin allmählich dicker werden; der übrig bleibende Zwischenraum von etwa einem halben Meter ist mit großen Steinplatten abgedeckt. Allerdings ist dieses Steinhaus ganz entscheidend höher als die üblichen – unerklärlich hoch. Wir phantasieren, dass es sich bei diesem Bauwerk um eine Station zwischen den zwei wichtigen byzantinischen Burgen am Kalógeros bei Apóllonas im Norden der Insel und in Apalírou bei der Bucht von Agiassós im Südwesten gehandelt haben könnte Vom Kalógeros aus kommend ist hier jedenfalls die erste Stelle, wo man Sichtkontakt nach Apalírou hat. Gehörte dieses Bauwerk vielleicht zu einem Wachtposten, auf dem gegebenenfalls ein Signalfeuer entzündet wurde, um die andere Festung zu warnen?


Der Hirtenpferch auf dem Sattel zwischen den Berggipfeln ist von einer ungewöhnlich hohen Mauer umgeben, dahinter der Gipfel des Mávro Voúni.


Hier von hinten mit Blick auf den Fanári und den Zeus.


Das Haus ist besonders sorgfältig gemauert.


Innen verengen sich die Wände allmählich; oben ist der Zwischenraum mit Steinplatten abgedeckt. Ich habe noch nie einen so hohen mitátos gesehen!

Wir laufen die Straße weiter entlang bis zu ihrem Ende. Nun ist es nicht mehr weit bis zur Troúlla. Wir kommen in die Granit-Region; Ginster, Ahorn und Kreuzdorn verschwinden. Hier wächst fast reine Heide mit einigen Kretischen Zistrosen dazwischen: eine Vegetation mit einem besonderen Reiz! Wir streifen zwischen den Granitfelsen umher. Es ist ganz still; außer gelegentlichem Läuten der Glocken einer versteuten Ziegenherde hören wir nur hier und da einen vorbeifliegenden Trupp Hänflinge oder das melancholische Pfeifen des Grauortolans. Die Troúlla ist nicht ganz einfach zu besteigen, daran wagen wir uns heute nicht. Aber wir schauen in alle Richtungen vom Berg herunter und bewundern die vielfältigen Flechten, die auf Felsen und Sträuchern wachsen.

auf dem Kóronos-Berg
die Heide auf dem Gipfel des Kóronos


Unter den Heidekraut-Büschen wachsen dichte Moospolster, die ihre Feuchtigkeit daher beziehen, dass die Äste der Heide den hier im Winter sehr häufigen Nebel “auskämmen”; auch im Sommer ist der Gipfel des Kóronos nicht selten in Wolken gehüllt.

Pseudevernia furfuracea
Auf den Ästen der Heide wachsen viele Strauchflechten, was im trockenen Mittelmeerklima recht ungewöhnlich ist.

Pseudevernia furfuracea
Die auffälligste Strauchflechten-Art hier in der Heide ist Pseudevernia furfuracea.

Usnea spec
Auch Bartflechten der Gattung Usnea kommen vor, eine große Besonderheit für die Kykladen.

epilithische Krustenflechten, Granit
Die Granitfelsen sind ebenfalls völlig von Flechten bewachsen, vor allem von Krustenflechten, die oft dicke Lager bilden

Ramalina subfarinacea
Hier und da kommen auch auf den Felsen Strauchflechten der Gattung Ramalina vor, hier Ramalina subfarinacea.

auf dem Kóronos-Berg
Blick vom Sattel an der Troúlla nach Süden

Ausdauernder Knäuel, Scleranthus perennis
Wir finden nur noch sehr wenige blühende Pflanzen; hier der Ausdauernde Knäuel (Scleranthus perennis).

Kretische Zistrose, Cistus creticus
Die Kretische Zistrose fängt erst gerade an zu blühen, diese Knospe ist besonders hübsch aufgedreht. Die Zistrose ist besonders drüsig und klebrig.

Nach Norden hin fällt das Gelände weniger steil ab als nach Süden zum Tal von Keramotí. Hier gibt es in der Talmulde eine Quelle, an der einige Platanen wachsen. In dem nach Nordwesten gerichteten Tal liegt eine Höhle, Kakó Spílaio, in dem der Gott Dionysos von den drei Nymphen Koronis, Kleis und Philia aufgezogen wurde. In der Höhle wurden kleine Statuetten des Pan (aus dem Gefolge des Dionysos) und von Nymphen gefunden; auch eine antike Inschrift “Drios Dionysou”, die in der Nähe gefunden wurde (ich weiß leider nicht, wo sie sich befindet), bezeugt, dass hier in der Antike der Gott Dionysos verehrt wurde (damals wurde der Berg “Drios” genannt).

auf dem Kóronos-Berg
Blick nach Norden und auf das kleine Tälchen mit den Platanen


Tief unten im Tal liegt das verlassene Dörfchen Skepóni. Nicht weit unterhalb von dieser Stelle liegt auch die Höhle Kakó Spílaio, deren Eingang jedoch schwer zu entdecken ist.

Exkurs: Warum auf dem Kóronos keine Bäume wachsen

Man kann sich durchaus wundern, warum in der Gipfelregion des Kóronos keine Baumarten wachsen. Außer einigen Wilden Birnen in den niedrigeren Bereichen finden wir nur ein oder zwei verbissene, niedrige Wilde Ölbäume und einige verbissene Exemplare des Immergrünen Ahorns; auf Schiefer ist nur der Kreuzdorn (Rhamnus lycioides) etwas häufiger, auch dieser zwergstrauchartig verbissen. In der Granitregion wachsen gar keine Bäume, außer ein paar vereinzelten Steineichen an den felsigeren Stellen und einige Platanen in den Talsenken. Und das, obwohl das Kóronos-Gebirge noch ein ganzes Stück regen- und nebelreicher ist als der Zeus, auf dem doch zahlreiche Bäume gedeihen.

Das Fehlen der Baumarten ist auch nicht darauf zurückzuführen, dass ein ehemaliger Wald gefällt oder abgebrannt worden ist – zumindest die Kermeseiche ist durch beides nicht völlig auszurotten. Auch der Reisende Ludwig Ross, der Naxos im Jahr 1835 bereiste, berichtet, dass die Spitzen des Kóronos unbewaldet gewesen seien, während auf seinen Abhängen Eichenwaldung wuchs.

Der Grund für das Fehlen der Baumarten auf dem Kóronos-Gebirge ist vielmehr im Untergrund-Gestein zu suchen: Der Granit (bzw. Gneis) ist im Gegensatz zum Marmor wasserundurchlässig, so dass das Regenwasser größtenteils oberflächlich abfließt. Das führt zwar im Winter zu großem Wasserreichtum, der sich in zahlreichen Quellen äußert, die auch die ganzjährig wasserführenden Flüsse von Nordwest-Naxos speisen, aber im Sommer trocknen die Hänge und Gipfel besonders stark aus und das Wasser fließt nur in den Tälern. Diese extreme Sommertrockenheit können die sommergrünen und immergrünen Baumarten nicht überstehen: sie brauchen Klüfte und Spalten im Untergrund für ihre tiefen Wurzeln, so wie sie im Marmor existieren.

Im Gegensatz dazu haben sich die für das Mittelmeergebiet besonders typischen Zwergsträucher an die Sommertrockenheit auf verschiedene Weise angepasst, sei es durch starke Reduktion der Blätter wie beispielsweise die Heide und der Thymian, durch Zusammenrollen oder Abwerfen der Blätter wie die Zistrosen-Arten oder dadurch, dass sie gar keine Blätter ausbilden und die Photosynthese mit den weniger Verdunstungs-empfindlichen Stängeln betreiben wie der Dornige Ginster. Dass auf dem Granit nur Heide und Zistrosen und keine Ginster wachsen, liegt vermutlich am hohen Säuregehalt des Untergrundes, der den meisten eher kalkliebenden Zwergsträuchern weniger behagt.

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