Terrassen
Die Terrassen sind ein besonders auffälliges Charakteristikum der mediterranen Landschaft. Heute ist etwa 10 % der Fläche von Naxos terrassiert, ursprünglich lag der Anteil wesentlich höher. Intakte und noch bewirtschaftete Terrassen liegen vor allem in der Nähe der Dörfer.
Terrassen beim Dorf Mési
in Lioíri bei Kóronos
Früher, als die Bevölkerung von Naxos ihre Nahrungsmittel noch fast vollständig selbst produzierte, waren praktisch alle zu bewirtschaftenden Flächen der Insel genutzt. Überall kann man an den Berghängen heute die Spuren nicht mehr genutzter, mehr oder weniger verfallener Terrassen erkennen.
Warum baut man Terrassen?
Auf Naxos sind alle bewirtschafteten Hänge terrassiert. Die Terrassen halten die spärliche Erde fest und schützen sie vorm Wegschwemmen durch starke Regenfälle im Winter. Dadurch dass sie auch das organische Material an der Erdoberfläche, Humus und Pflanzenreste, davor bewahren, mit den Regenfällen davongeschwemmt zu werden, verbessern sie ebenfalls die Bildung von Erde. Eine nennenswerte Erdschicht kann man auf Naxos (außer in den Ebenen) fast nur auf Terrassen finden; auf nicht terrassierten Hängen ist meist nur ein sehr dünner Boden ausgebildet.
gut instand gehaltener terrassierter Olivenhain in Lakkomérsina
Außerdem stauen die Terrassen das Regenwasser, so dass es leichter im Boden versickern kann und weniger oberirdisch abfließt, was sich sehr günstig auf die Vegetation und auf den Wasserhaushalt der Insel auswirkt.
Aber auch in den Talsohlen ist das Gelände stets terrassiert, auch wenn es nur ein geringes Gefälle gibt. Bei Beeten, die bewässert werden, ist es besonders wichtig, dass sie eben sind, damit sich das darauf geleitete Wasser gleichmäßig verteilt. Früher wurden die Gärten mit so großer Sorgfalt angelegt, dass auch große Beete gleichmäßig über einen aus den Flüssen gespeisten Zulauf bewässert werden konnten.
sorgfältig terrassierte Olivenhaine an den Hängen und in der Talsohle
Von unten sieht man die hohen Terrassenmauern, die noch gut instand sind.
Die Konstruktionsweise der Terrassen
Für die Mauern der Terrassen wurden die Lesesteine von den Feldern verwendet, die sowieso möglichst entfernt werden mussten, um die Bearbeitung zu erleichtern, sowie das vor Ort anstehende Gestein. Die Höhe der Terrassenmauern richtet sich nach der Steilheit des Hanges. Während an flachen Hängen die Terrassenmauern oft nur wenige Dezimeter hoch sind, wurden an den steilsten Hängen manchmal ein bis zwei Meter hohe Stützmauern errichtet, um je nur einen schmalen Streifen Erde zu sichern.
Bei hohen Terrassen legten die Bauern kleine steile Treppen an, um von einer Terrasse auf die andere zu gelangen, oder sie bauten (um den Platz für die Treppe zu sparen) aus den Mauern herausragende Steine als Stufen ein.
Treppen dieser Art dienten dazu, auf die hohen Terrassen zu gelangen.
Die platzsparendere, aber akrobatischere Version der Treppe besteht aus Steinen, die aus der Terrassenmauer herausragen.
und noch ein Beispiel
Terrassen in Schieferregionen
Die für den Anbau am besten geeigneten Gebiete auf Naxos sind – abgesehen von den küstennahen Schwemmebenen, in denen die in den Bergen wegerodierte Erde wieder abgelagert wird – die Gebiete, in denen Schiefer ansteht. Gärten und Weinberge wurden vor allem in Schiefergebieten angelegt, wo tiefgründiger Boden zur Verfügung steht.
In den Tälern im Nordwesten von Naxos gibt es viel Wasser und reiche Vegetation; das Untergrundgestein ist Schiefer, der zu guter, tiefgründiger Erde verwittert. Hier sieht man noch bewirtschaftete Gemüsefelder (v.a. Bohnen) und mit Ölbäumen bestandene Terrassen in der Nähe des Flusslaufes in Myrisis; drumherum liegen aufgegebene und überwucherte Flächen, deren Terrassen heute mehr oder weniger verfallen sind.
gut ausgebildeter Boden auf verfallenden Terrassen über Schiefergestein
Auf Schiefergestein wurden früher zur Anlage von Terrassen erst die Stützmauern errichtet und danach die Terrassen mit aufgebrochenem Gestein, das möglichst klein zerschlagen wurde, aufgefüllt. In diesem lockeren Gestein konnten Kulturpflanzen wie Weinstöcke ausreichend tief wurzeln, so dass sie ihre Wasserversorgung den Sommer über sicherstellen konnten, ohne dass Gießen erforderlich war. Manche Pflanzen konnten in den ersten Jahren auch praktisch ohne Erde direkt in dem aufgebrochenen Schiefer-Rohboden wachsen. Nach und nach bildete sich durch den Bewuchs eine humushaltige Erdschicht aus, in der auch die anspruchsvolleren Gemüsearten gedeihen konnte. So wurde durch die Anlage von Terrassen kultiviertbare Erde geschaffen.
Weinterrassen über Schiefer in Kóronos
junger Weinberg auf Schiefer-Rohboden
Terrassen in Marmorgebieten
In Gebieten in denen Marmor ansteht, gibt es normalerweise nur eine schlecht ausgebildete oberflächliche Bodenschicht. Diese Gebiete sind deswegen für die Landwirtschaft weniger geeignet; allerdings können hier Bäume gut wurzeln, da sie in den Klüften des Marmors tiefe Wurzeln bilden können. In diesen Gebieten werden deswegen überwiegend Ölbaumhaine angelegt.
Der Ölbaum kommt auf Naxos auch wild vor; er gedeiht gut an felsigen und trockenen Stellen ohne nennenswerte Bodenschicht. Auch für die Ölbaumhaine wurden jedoch üblicherweise Terrassen angelegt. Das liegt unter anderem daran, dass das Sammeln der Oliven wesentlich einfacher ist, wenn der Boden um die Bäume herum eben und frei von Sträuchern ist. Auf den Terrassen wurde unter den Bäumen zusätzlich Getreide angebaut, das hier im Winterhalbjahr gut gedeihen konnte. Durch das für den Getreideanbau erforderliche Pflügen beziehungsweise Hacken wurde der Boden von Wildwuchs freigehalten.
terrassierter Olivenhain
Terrassen für Getreideanbau unter Olivenbäumen, bei Atsipápi in der Nähe von Kóronos. Man sieht, dass die Erde sehr mager, dünn und steinig ist. Trotzdem haben Terrassen dieser Art den Menschen das Brot für ein ganzes Jahr gesichert.
Hier der Beweis, dass hier Getreide angebaut wurde: ein Dreschplatz (gr. alóni).
noch ein Dreschplatz in einem Olivenhain
Hier eine hübsche Reihe von sorgfältig errichteten Terrassen, je mit einem Olivenbaum bepflanzt, auf einem Streifen mit Erde zwischen Marmorfelsen.
Wenn keine besseren Flächen zur Verfügung standen, errichteten die Bauern manchmal auch an sehr felsigen Marmorhängen kleine Terrassenmauern, hinter denen je ein bisschen spärliche Erde lag, um den Anbau von ein wenig Getreide zu ermöglichen.
Derartige kleine Terrassenmauern dienten dazu, auch auf sehr felsigem Gelände kleine bebaubare Streifen mit Erde zu schaffen, auf denen je ein bisschen Getreide gesät werden konnte.
Wann wurden die Terrassen angelegt?
Man weiß nicht recht, seit wann Terrassen gebaut werden. Nur an wenigen Stellen im Mittelmeergebiet kann man nachweisen, dass Terrassen schon im Altertum oder gar schon in der Bronzezeit angelegt worden sind. Während der Blütezeit der Insel Naxos im Altertum war praktisch die gesamte Insel kultiviert. Es erscheint wahrscheinlich, dass auch damals schon Terrassen angelegt wurden, insbesondere in Gebieten, die bewässert wurden. In den folgenden Jahrtausenden, während derer die Bevölkerung immer wieder durch Piratenüberfälle dezimiert wurde, verfielen vermutlich in vielen Gebieten die Terrassen wieder. Die heutigen Terrassen sind vermutlich größtenteils erst in den letzten Jahrhunderten angelegt worden. Bis in die Sechziger Jahre wurden von den Dorfbewohnern gelegentlich noch neue Terrassen angelegt, wenn sie ungenutzte Flächen (wieder) in Gebrauch nahmen.
gut erhaltene Terrassen in Skepóni
Die meisten der heute verfallenen Terrassen wurden bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, meist bis etwa zum Beginn der Sechziger Jahre bewirtschaftet, manche auch noch länger. Jedenfalls hat sich praktisch in allen Gebieten der Insel der heute sichtbare Verfall der Terrassen einschließlich Zuwuchern und Wiederbewaldung in diesem Zeitraum abgespielt.
Auf diesen nicht mehr genutzten Terrassen nahe am Auwald in Skepóni sind große Erlen gewachsen.
Terrassen und Erosion
Terrassen und ihre Böden sind, insbesondere, wenn die Mauern sorgfältig aus guten Steinen errichtet sind, recht resistent gegen Verfall und Erosion. Trotzdem brauchen sie eine gewisse Pflege. Schäden können vor allem bei sehr starken Regenfällen entstehen, die Teile der Stützmauern einstürzen lassen können, so dass das Erdmaterial auf die darunter gelegene Terrasse fällt.
eingestürzte Terrassenmauer
Wo die Terrassenmauer weggebrochen ist, wird die Erde bei starken Regenfällen schnell weggeschwemmt.
Manchmal werden auch ganze Terrassen mitsamt den darauf wachsenden Weinstöcken oder Obstbäumen davongerissen. Kleinere Schäden an den Stützmauern müssen immer wieder ausgebessert werden, damit größere Schäden vermieden werden. Besonders schnell erodieren nicht mehr bewirtschaftete Terrassen, die von Ziegen beweidet werden, da durch den Tritt die Erde gelockert wird und Steine losgetreten werden können. Die Ziegen treten Pfade von einer Terrasse auf die andere aus, auf denen auch das Regenwasser entlang läuft, so dass sich immer weiter vertiefende Rinnen ausgewaschen werden, über die der Regen die Erde davonschwemmt.
Hier sieht man wie viel Erde hinter der Terrassenmauer ansteht. Wo die Mauer zusammengebrochen ist, kommt es zu Erosion.
Terrassenmauern können insbesondere durch heftige Regenfälle beschädigt werden. Sie müssen schnell repariert werden, damit die Erde nicht weggetragen wird.
An diesem Olivenhain mit frisch beschnittenen Oliven sieht man die hohen, mühselig errichteten Terrassenmauern, die jedoch an vielen Stellen schon eingestürzt sind.
Olivenhain mit erodierenden Terrassen bei Kalóxylos
erodierende Terrassen bei Apíranthos
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siehe auch: Erosion