Koronos - das Dorf des Schmirgels
Kóronos ist eines der größeren Gebirgsdörfer von Naxos (in den Vierziger Jahren zählte es 1888 Einwohner); heute ist es jedoch größtenteils verlassen (die letzte Volkszählung ergab etwa 300 Einwohner, plus gut 60 Einwohner in Liónas, 15 in Argokíli und 10 in Atsipápi). Es liegt in etwa 500 Meter Höhe am Rand eines terrassierten Talkessels unterhalb des gleichnamigen Bergzuges. Wie alle traditionellen kykladitischen Dörfer besteht es aus einfachen, meist geweißten Häusern, die sich eng an eng an den steilen Hang schmiegen mit schmalen Gassen mit Hunderten von Treppenstufen.
der Dorfplatz
Ursprünglich waren die steilen, schmalen Terrassen des Hochtales um Kóronos hauptsächlich mit Wein und hier und da Obstbäumen bebaut; in der Nähe der Wasserläufe wurde Gemüse kultiviert und auf den nicht terrassierten Hängen in etwas größerer Entfernung vom Dorf Getreide. Heute ist nur noch ein geringer Teil der Fläche bewirtschaftet. Die aufgegebenen Terrassen wuchern allmählich zu, insbesondere mit den für diese Region von Naxos typischen laubabwerfenden Sträuchern und Bäumen wie Ahorn, Esche, Wilder Birne und Weißdorn.
Die Hänge um das Dorf sind sorgfältig terrassiert; hier wird vor allem Wein angebaut.
Von allen Dörfern auf Naxos hat Kóronos winters wie sommers die kühlste Lage. Im Sommer wird es von den Nordwinden gekühlt, und im Winter liegt es sehr häufig in den sich an den Bergen stauenden Nebelwolken. Entsprechend der hohen Feuchtigkeit ist es hier im Winter und Frühling besonders grün.
Auf den aufgegebenen Terrassen unterhalb von Koronos wachsen wilde, laubabwerfende Bäume und Sträucher und verwilderte Obstbäume in buntem Durcheinander.
Das Dorf Kóronos besitzt wegen der hier besonders steilen und kargen Hänge nur relativ wenig landwirtschaftlich nutzbare Fläche. Entsprechend besaßen viele Dorfbewohner früher auch Landflächen in teilweise weit entfernt gelegenen, fruchtbareren Gegenden der Insel wie in Apollonas, zu denen sie weite Strecken zu Fuß zurückzulegen hatten. Viele Dörfler lebten auch als Hirten: Als Weidefläche geeignete, nicht bebaute Hänge standen reichlich zur Verfügung.
Weinterrassen um Koronos
Bis in die fünfziger, sechziger Jahre hinein verlief das Leben im Dorf ganz gemäß den über Jahrhundete überlieferten Traditionen der dörflichen Selbstversorgerwirtschaft: Landwirtschaft, Hirtenwesen und Handwerk wurden noch genauso betrieben wie schon vor Jahrhunderten, wenn nicht Jahrtausenden.
Gemüsegarten bei Koronos
Der Schmirgelabbau
Von besonderer Bedeutung für Kóronos war der Schmirgelabbau, durch den es zu einem gewissen Reichtum gelangte: Gegen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als der Schmirgelabbau seine Blütezeit hatte, waren die Koronidiaten die “Reichen” der Insel: Sie waren fast die einzigen Dörfler auf Naxos, die tatsächlich Geld besaßen und nicht nur mit Tauschhandel lebten. Das änderte jedoch nichts daran, dass sie sich ihren Lebensunterhalt in harter und gefährlicher Arbeit in den Schmirgelminen sowie durch eine mühselige, mit sehr einfachen Mitteln betriebene Landwirtschaft verdienen mussten.
das Tal der Schmirgelminen
In vielen Minen sind zur Vereinfachung des Transports Waggongleise verlegt.
Arbeit in den Schmirgelminen
Das Dorf der Träumer und Propheten
Von großer Bedeutung für das Dorf war die Auffindung wundertätiger Ikonen aufgrund von Träumen, die manche Einwohner gehabt hatten, sowie die Gabe einiger Menschen im Dorf Geschehnisse und Entwicklungen aus der Zukunft zu prophezeihen. Im 19. Jahrhundert und Anfang des 20. hatten mehrere Dörfler prophetische Träume, in denen sie von der Jungfrau Maria und den Heiligen nicht nur vor Gefahren gewarnt wurden, wie dem Einsturz einer Schmirgelmine oder einem verheerenden Unwetter, sondern die sie auch über die Lage von Schätzen aufklärten, die sie dann zu heben versuchten. Vor allem berichteten die Träume aber von vielen Dingen aus der Zukunft, die den Dörflern damals unerklärlich bleiben mussten und erst in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, als der “Fortschritt” auch in Griechenland Einzug hielt, verstanden werden konnten: So kündigten sie beispielsweise die elektrischen Straßenbeleuchtung an, das Telefon, den Busverkehr zur Chora und die Ankunft von Touristen. Die größte Bedeutung für das Dorf hatten aber die prophetischen Träume der Bewohner, die sie vor einer kommenden schrecklichen Zeit warnten, die schon bald während des Zweiten Weltkrieges wahr wurde, als das Dorf während der italienischen Besatzung wegen der Einstellung des Schmirgelabbaus und der an die Besatzer zu leistenden Abgaben von einer verheerenden Hungersnot heimgesucht wurde.
Das Kriegerdenkmal am Kirchplatz erinnert an die hohen Verluste unter der Dorfbevölkerung während des Zweiten Weltkrieges.
Die Dorfkirche Agia Marina wird von einer riesigen Platane beschattet.
Am Argokíli in der Nähe der Schmirgelminen errichteten die Koronidiaten, wie ihnen in Prophezeihungen aufgetragen worden war, die Kirche Panagía Argokiliótissa. Wie in Träumen von der Jungfrau Maria und der Heiligen Anna angekündigt, kamen hier wundertätige, alte Ikonen zu Tage, die tief in der Erde vergraben gelegen hatten; direkt über der Fundstelle wurde die kleine Kirche der Heiligen Anna errichtet. Im Hintergrund der neue, gigantische Kirchenbau der Panagía Argokiliótissa.
Die neu errichtete Wallfahrtskirche Panagía Argokiliótissa ist eine der größten Kirchen der Kykladen.
Am Freitag nach Ostern, zum Feiertag der Kirche, versammeln sich nach wie vor jedes Jahr viele Menschen.
Hier wird die wundertätige Ikone über den Kirchhof getragen.
Ein Dorf, das in der Vergangenheit lebt
Das Dorf Kóronos scheint in der Vergangenheit zu leben – es ist, als ob die moderne Welt es nicht so ganz erreicht hätte. Heute leben fast nur noch ältere Menschen im Dorf; nur wenige Familien mit Kindern vermögen sich hier ein Auskommen zu schaffen. Nur im Sommer, wenn es viele der nach Athen Ausgewandeten wieder in ihr Heimatdorf zieht, füllen sich die Gassen des Dorfes mit Leben.
In Kóronos scheint die Zeit stehen geblieben zu sein.
Winter in Kóronos
Mein Buch “Zwei Türen hat das Leben” mit den Lebenserinnerungen meines Schwiegervaters Dimítris Mandilarás spielt sich zu einem großen Teil in Kóronos ab, und man kann in ihm viel über die jüngere Geschichte und das tägliche Leben der Menschen in Kóronos um die Zeit des Zweiten Weltkriegs erfahren.
Wandern um Kóronos
In Kóronos beginnen mehrere Wanderwege: Wanderweg 10 führt von Kóronos nach Liónas, Wanderweg 9 führt über Skadó und Komiakí nach Apóllonas und Wanderweg 12 nach Keramotí und über den Wasserfall Routsoúnas nach Skepóni (die letzten beiden sind um die 10 km lang, was bei dem schwierigen und oft steilen Gelände schon ganz schön weit ist). Außerdem kann man um das verlassene Dörfchen Atsipápi und bis nach Lioíri spazieren gehen oder eine kleinere Runde drehen, indem man Wanderweg 9 bis Skadó geht und dann über die Fahrstraße zurück. Von der “Pórta” aus, dem Pass kurz vor Kóronos, kann man auch auf den Mávro Boúni und den Berg Kóronos laufen, und, wenn man mag, bis zur Höhle Kakó Spílaio. Und natürlich kann man auch von Kóronos über Atsipápi nach Ágios Dimítris laufen.
Auch um Kóronos kann man sehr schön spazieren gehen. Hier die byzantinische Kirche Panagía Kerá in Lioíri.
auf dem Spaziergang zwischen Kóronos und Skadó
Der schmale Wanderweg führt durch dicht überwucherte Terrassen.
Der Wanderweg nach Liónas führt durch das wilde Tal unterhalb von Kóronos.
auf Wanderweg 10
Liónas, der kleine Ableger von Kóronos am Meer
Blick von Atsipápi zur See
auf der Wanderung zur Höhle Kakó Spílaio
in der Höhle Kakó Spílaio an der Nordwestseite des Kóronos-Berges
Auf dem Berg Mávro Boúni bei Kóronos kann es selbst im Sommer nebelig sein – aber das ist auch mal eine schöne Atmosphäre.
Wanderungen bei Kóronos:
- Von Koronos nach Skado
- Von Koronos nach Lionas
- Zur Wallfahrtskirche am Argokili
- Bei Atsipapi
- Auf den Koronos-Berg
- Im Nebel auf dem Koronos-Berg
- Zur Höhle Kako Spilaio
siehe auch: