Boden
Bodenbildung
Im Mittelmeergebiet gibt es viel weniger Erde, als wir aus den gemäßigten Zonen gewöhnt sind. Das hat verschiedene Gründe. Zunächst einmal ist die Bodenbildung erschwert: Im Winter ist es zu kalt für die bodenbildenden Mikroorganismen und im Sommer zu trocken, so dass nur recht kurze Zeiträume im Frühjahr und Herbst zur Verfügung stehen. Eine echte Bodenbildung kann außerdem nur an gut beschatteten Stellen stattfinden: Zu intensive Sonnenstrahlung schädigt vor allem bei dünnen Böden die Bodenorganismen. Nicht zu vernachlässigen ist auch die Tatsache, dass die meisten Mittelmeer-Pflanzen immergrün sind, so dass kaum Blattmaterial für die Bodenbildung anfällt; zudem sind die Blätter der Hartlaubgewächse, zu denen die meisten der waldbildenden Bäume gehören, nur schwer zersetzbar.
Boden in Kermeseichenwald auf Marmor mit dünner Humusschicht
Ein weiterer Grund dafür, dass die Böden im Mittelmeergebiet schlecht ausgebildet sind, liegt in der starken Erosion. Das Gelände auf Naxos ist in den meisten Gebieten so steil, dass der sich bildende Boden ständig in Gefahr ist, durch die Winterregen wieder abgetragen zu werden. Auch die Winderosion spielt bei lückiger Vegetation eine gewisse Rolle, insbesondere dort, wo die oberste, normalerweise durch Algen, Flechten oder Moose verfestigte Bodenkruste durch Ziegentritt oder Pflügen zerstört wird. Entsprechend der starken Erosion ist nur selten ein gut ausgebildetes Bodenprofil zu finden; bei den meisten Böden ist eine obere humusreiche Schicht kaum vorhanden.
steiler Hang mit spärlichem Boden und starker Erosion durch Ziegentritt
Wald ohne Boden?
Tiefgründige Böden können im Mittelmeergebiet nur an begünstigten Standorten entstehen, insbesondere in Wäldern, wo die Bodenbildung durch die Beschattung und das abfallende Laub verbessert wird. Nach der Abholzung eines Waldes wird die oberflächliche, humushaltige Bodenschicht meist recht schnell erodiert und kann sich praktisch nicht mehr neu bilden.
Die natürliche Vegetation des Mittelmeergebietes kann jedoch auch fast ohne Boden gut gedeihen. Viele der Pflanzen sind darauf eingerichtet, direkt im Gestein oder im humusarmen Rohboden zu wachsen. Für Bäume ist die sich bei sehr felsigem Untergrund in Spalten und Klüften ansammelnde Erde genauso günstig wie oder besser als eine oberflächliche Bodenschicht.
Der Einfluss des Untergrundgesteins
1. Boden über Schiefer
Schieferartige Gesteine stehen in weiten Gebieten von Zentral-, Nord- und Ostnaxos an, insbesondere in den großen Hochtälern. Schiefer erodiert recht schnell; er zerfällt vor allem durch physikalische Verwitterung in kleine, bröselige Steinplatten, die ein gutes Rohmaterial für die Bodenbildung darstellen. Über Schiefer kann sich entsprechend unter günstigen Bedingungen ein tiefgründiger und fruchtbarer Boden ausbilden (Ranker). Manche Schiefergesteine sind allerdings weitgehend wasserundurchlässig und nur schwer von Wurzeln zu durchdringen und darum in trockenen Lagen ein weniger günstiger Standort für tiefwurzelnde Bäume.
Mastixstrauch auf Schiefer mit nur sehr dünner Bodenschicht
2. Boden über Marmor
Marmor ist eins der häufigsten Gesteine auf Naxos, insbesondere in der Osthälfte und im Süden der Insel. Marmor und andere Kalkgesteine verwittern vor allem chemisch: Sie lösen sich unter Einwirkung des leicht sauren Regenwassers allmählich auf. Das führt dazu, dass sich Risse und Klüfte im Untergrundgestein bilden. In den Rissen sammelt sich das Regenwasser, wodurch die chemische Verwitterung weiter verstärkt wird – ein selbstverstärkender Prozess. Aus den bei der chemischen Verwitterung zurückbleibenden unlöslichen Mineralien des Gesteins bildet sich eine rötliche Erde, die sich in den Klüften ansammelt, während an der Oberfläche oft kaum eine Bodenschicht existiert. In den Klüften ist die Erde vor Erosion und Austrocknen geschützt. Die rötliche, eisenhaltige Erde der Marmorgebiete enthält zwar recht viele für die Pflanzen wichtige Mineralien, aber nur wenig organisches Material (Roterden, Rendzina, Kalk-Rohböden). Die Roterden sind teilweise in ihrem Ursprung schon sehr alt und unter anderen Klimabedingungen als den heutigen entstanden (reliktische Böden aus Tertiär und Pleistozän).
In Marmorgebieten gibt es oft kaum eine oberflächliche Bodenschicht; die meiste Erde befindet sich unter der Oberfläche in den Klüften des Gesteins.
In der natürlichen Vegetation ist der Boden überall von Steinen, Pflanzenresten, Flechten oder Moosen bedeckt, die ihn recht effektiv vor Erosion schützen.
Auf Marmor können tiefwurzelnde Bäume meist gut gedeihen, auch wenn man oberflächlich kaum Boden erkennen kann, da sie ihre Wurzeln tief in die Klüfte treiben können, wo sie eine ausreichende Feuchtigkeit finden können; entsprechend sind in den trockeneren Gebieten der Insel die Regionen mit Marmor meist stärker bewaldet als die mit Schiefer, dessen oberflächliche Bodenschicht im Sommer vollständig austrocknet.
3. Boden über Granit und Gneis
Granit und Gneis stehen auf Naxos im westlichsten Teil der Insel an sowie in der zentralen Region und nordwestlich davon. Granitartige Gesteine bestehen aus groben Kristallen von Feldspat und Glimmer sowie Quarz. Erstere sind Silikat-Mineralien, die bei Feuchtigkeit chemisch verwittern und dabei in wasserlösliche Stoffe zerfallen, die ausgewaschen werden. Zurück bleibt der grobkörnige Quarz. Entsprechend bildet sich über Granit und Gneis meist nur ein dünner, sandiger und wenig fruchtbarer Boden (Protoranker, saure Rohböden = Syroseme).
Über Granit und ähnlichen Gesteinen bildet sich nur ein dünner, armer, sandiger Boden aus.
In den Tälern und Senken sammelt sich mehr Erde an; auch diese ist jedoch überwiegend sandig und wenig fruchtbar.
Der anstehende Gneis oder Granit ist wasserundurchlässig, so dass das Wasser oberflächlich abfließt. Dadurch trifft man in den Granitgebieten im Winter und Frühling oft auf feuchte Senken, in denen sich das Wasser für einige Zeit hält; im Sommer trocknen die dünnen Böden und die kleinen Wassergräben oder Tümpel allerdings meist vollständig aus. In den Granitgebieten im Nordwesten der Insel entspringen außerdem die meisten der ganzjährig wasserführenden Flüsse der Insel.
kleiner Wassergraben im Granitgebiet
Boden und Kultivation
1. Über Schiefer
Für eine Kultivierung sind die Gegenden, in denen Schiefer ansteht, besonders geeignet. Das liegt daran, dass sich über dem leicht verwitternden Schiefer tiefgründiger, reicher Boden bildet.
Schiefergebiete sind oft besonders fruchtbar und werden (oder wurden) fast überall kultiviert (Landschaft bei Sífones).
Auch über Schiefer ist die Bodenschicht jedoch an den Hängen wegen der Erosion oft nur sehr dünn. Um die Erosion einzudämmen terrassiert man die Hänge. Für die Anlage von neuen Terrassen an steilen Hängen mit wenig Bodendecke brachen die Bauern das anstehende, leicht zu spaltende Schiefergestein auf und zerschlugen den Schiefer in kleine Stücke. Der so entstehende frische Rohboden ist auch ohne nennenswerte Humusschicht für viele Pflanzen ausreichendend.
junger Weinberg auf Schiefer-Rohboden
2. Über Marmor
In Marmorgebieten gibt es meist keine für eine Kultivierung ausreichende Bodenschicht. Entsprechend werden viele Gebiete nur als Weidegebiet für die genügsamen Ziegen genutzt. An Hängen mit die ausreichend Erde und in den ebeneren Gebieten wurden vor allem Ölbaumhaine angelegt; der Ölbaum wächst gut auf Marmor und braucht nur wenig Boden.
kleine Terrassen mit roter Erde und Ölbäumen zwischen den kargen Marmorhängen, die nur als Ziegenweide genutzt werden
Olivenhain in Marmorgebiet, in Lakkomérsina südöstlich von Apíranthos
3. Über Granit und Gneis
Die Granit- und Gneisregionen sind für die Landwirtschaft am wenigsten geeignet. Nur in den Tälern sammelt sich ausreichend Erde an; und hier gibt es oft auch längerfristig oder sogar ganzjährig fließendes Wasser, so dass Gemüse, Obstbäume und Kartoffeln angebaut werden können. Die Hänge sind nicht einmal als Ziegenweide besonders geeignet, da sie überwiegend von Heide bewachsen sind, die bei den Ziegen weniger beliebt ist als die Kermeseichen und Sträucher der Marmorgebiete. Am besten können die öden und einsamen Berge der Granitgebiete noch für die Imkerei genutzt werden; die Heide und andere Zwergsträucher bieten den Bienen viel Nahrung.
In den Granitgebieten können nur schmale Streifen entlang der Flüsse, wo mehr Feuchtigkeit und Erde zur Verfügung stehen, kultiviert werden.
Die oberen Hänge sind in den Granitgebieten meist karg und öde; der untere Bereich des Tals mit aus dem Fluss bewässerbaren Terrassen kann dagegen bewirtschaftet werden. Entsprechend der größeren Feuchtigkeit können sich hier auch wildwachsende Bäume halten.
In den Granitgebieten haben Bauern und Hirten hier und da kleine Teiche ausgebaggert, mit deren Wasser, das sich oft den ganzen Sommer über hält, die Beete und Weinberge der Umgebung gegossen werden können.
4. Die Schwemmebenen
Die fruchtbarsten Regionen der Insel sind die Schwemmebenen sowohl in der Nähe der Küste, als auch die Hochebene der Tragaía, in denen das Erosionmaterial und die weggeschwemmte Erde aus den Bergen abgelagert werden. Diese Ebenen sind deswegen für die Landwirtschaft besonders geeignet. Zahlreiche Siedlungsreste beweisen uns die dichte Besiedlung der küstennahen Bereiche auf Naxos seit der Bronzezeit. In der großen Schwemmebene bei Naxos-Chora hat man die Überreste eines bis in das 5. Jahrhundert nach Christus genutzten Tempels (ursprünglich dem Fruchtbarkeitsgott Dionysos gewidmet) unter gut einem Meter tiefen Flusssedimenten gefunden; diese haben sich also in den anderthalb Jahrtausenden seit Aufgabe der Kultstätte an dieser Stelle abgelagert.
Die Tragaía ist vor allem mit Ölbaumhainen bestanden. In der Nähe der Quellen und Flussläufe können auch Gärten angelegt werden. Die Böden der Tragaía bestehen aus dem hier abgelagerten Erosionsmaterial der Berge und sind tiefgründig und fruchtbar.
Die Livádia um Naxos-Stadt mit ihrer reichen Schwemmerde werden schon seit Jahrtausenden kultiviert.
Noch eine generelle Anmerkung: Die chemischen Unterschiede zwischen den Böden über den unterschiedlichen Gesteinen sind auf Naxos insgesamt weniger ausgeprägt, als man vielleicht erwarten würde. Das liegt daran, dass sich das Gestein meist recht kleinräumig abwechselt, und dass die Mineralien und Bodenbestandteile aufgrund des steilen Terrains stark transportiert werden: So werden die Übergänge zwischen den Bodentypen verwischt.
Desertifikation durch Bodenverlust
Im Mittelmeergebiet ist die Bodendecke an den meisten Stellen aufgrund der natürlichen Umweltfaktoren gering ausgebildet. Die Vegetation des Mittelmeeres ist an diesen dünnen, lückigen Boden angepasst; viele Pflanzen gedeihen auch in Gesteinsspalten ganz ohne oberflächlichen Boden.
In den vergangenen geologischen Epochen war das Mittelmeergebiet beileibe nicht immer bewaldet; über lange Zeiträume herrschten Steppen- und Wüstenbedingungen. In den heute nur spärlich bewachsenen Gegenden des Mittelmeergebietes wird der Pflanzenwuchs vor allem durch natürliche Standortfaktoren verhindert, insbesondere durch eine Kombination aus schlecht durchwurzelbarem, nicht wasserspeicherndem Gestein mit niedrigen Regenfällen oder stark erodierbarem Boden in Zusammenhang mit heftigen Regenfällen und tektonischer Anhebung (badlands).
Auf Naxos sind große Gebiete nur von niedriger Strauchvegetation bewachsen, die jedoch den Boden dicht bedeckt und die natürliche Vegetation an diesen Standorten darstellt. Es gibt allerdings auch größere Flächen, insbesondere auf den Gipfeln der Berge, auf denen Wald wachsen könnte, wenn der Boden besser entwickelt wäre – aber ohne Wald kann sich kaum eine dicke Bodenschicht bilden. Die Faktoren, die auf diesen Flächen die Wiederbewaldung verhindern, sind Abbrennen und Beweidung durch Ziegen. Auch wenn nur in sehr großen Abständen gebrannt wird, und es nicht so aussieht, als ob viele Ziegen unterwegs seien, kann das Keimen neuer Bäume oder das Hochwachsen verbissener Sträucher völlig unterbunden werden. Selbst auf vor Feuer und Ziegen geschützten Flächen verläuft die natürliche Sukzession zum Wald meist sehr langsam.
Auf dem Gipfel des Zeus-Berges wächst nur eine sehr spärliche Vegetation, obwohl hier sicher auch Wald wachsen könnte. Eine oberflächliche Bodenschicht fehlt; Erde gibt es hier nur in den Klüften zwischen den Felsen.
Nur in zwei kleinen Senken, in denen sich mehr Erde angesammelt hat, stehen noch einige Ahorn-Bäume.
Der beste Schutz für den Boden in vom Menschen genutzten Gebieten ist an den Hängen die Anlage von Terrassen mit ordentlichen Stützmauern und in den Talsohlen die Anlage kleiner Mäuerchen, durch die je eine ebene Fläche geschaffen wird, auf der sich ein tiefgründigerer Boden bilden kann.
Im kleinen Tal östlich vom Zeus-Gipfel mit gut ausgebildetem Boden wachsen riesige Ahorn-Bäume.
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