Sehr abgelegen, nur über eine sehr schlechte Straße zu erreichen, liegt in der Nähe von Agiassós eine wunderbare byzantinische Kirche auf einem Hügel im öden Hirtenland von Südwest-Naxos: Panagía Archatoú. Das Gebäude geht vermutlich auf die Zeit vor dem 12. Jahrhundert zurück, ist jedoch spätestens im 13. Jahrhundert deutlich umgebaut worden. Es handelt sich um eine einschiffige Kirche mit Kuppel, mit einer seitlichen Kapelle mit niedriger Kuppel im Süden und einer querstehenden Kapelle im Norden. Von der zentralen Kuppel aus verlaufen Dächer mit Tonnengewölben nicht nur nach Westen und Osten (das normale Kirchenschiff), sondern auch nach Norden und nach Süden über die Seitenkapellen, so dass der Eindruck einer kreuzförmigen Kirche entsteht. Die Kirche Panagía Archatoú ist mit Wandmalereien hoher Qualität ausgeschmückt, von denen einige noch recht gut erhalten sind, während andere stark von Ablagerungen beeinträchtig und unkenntlich sind. Die am besten erhaltenen Malereien befinden sich um die Kuppel und im nördlichen Seitenschiff. Auf dem oberen Bild ist Joseph zu sehen, unten links Ágios Geórgios Diasorítis, ein beliebter Heiliger auf der Insel. Die Wandmalereien stammen aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts und sind von bemerkenswerter Qualität. Die Gestaltung der Gesichter und Kleidung und die Linienführung sind einfach und klar gehalten, aber die Farbgebung und Schattierung sehr sorgfältig ausgeführt, so dass die Gesichter natürlich wirken. Ihr Ausdruck vermittelt eine tiefe, heilige Ruhe. Unten rechts sieht man den Kopf einer Heiligen mit Krone, der zu einer älteren Schicht gehört: Er ist ins 12. Jahrhundert zu datieren und ähnelt den Malereien in der Kirche Ágios Geórgios Diasorítis bei Chalkí. In den ersten Jahrzehnten nach der Einnahme der Insel durch die Venezianer im Jahr 1207 und nach der Etablierung der katholischen Feudalherrschaft war das Errichten und Ausschmücken von Kirchen völlig zum Erliegen gekommen und wir kennen keine Wandmalereien aus dieser Zeit. Etwa fünfzig Jahre später, zur Regierungszeit von Marco Sanudo II, Enkel des ersten Herzogs, hatte sich die Lage offenbar soweit beruhigt, dass die ersten Kirchen wieder errichtet und vor allem neu ausgemalt wurden. Die im 13. Jahrhundert angefertigten Wandmalereien auf Naxos sind meist in Repertoire und Stil eher konservativ und ein wenig ländlich; aber wie man an vielen Kirchen, so auch an der Panagía Archatoú, sehen kann, war die Qualität der Malereien oft erstaunlich hoch mit einer bemerkenswerten Vielfalt und ungewöhnlichen Motiven. Mehrere Inschriften geben uns Auskunft über die Stifter und Maler der Ausschmückungen; vor allem wird ein Priester namens Michael erwähnt. Die meisten Kirchen, die in dieser Zeit errichtet oder ausgemalt wurden, befanden sich in ländlichen Gebieten, nicht in den Dörfern, und wurden den Inschriften zufolge meist von lokalen Anwohnern gestiftet, nicht von hohen Persönlichkeiten der Kirche wie in der mittleren byzantinischen Epoche vor der Einnahme der Insel durch die Venezianer, als die Insel noch einen byzantinischen Bischof besaß.