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Koronos – ein urtümliches Bergdorf

Kóronos ist eines der größeren Gebirgsdörfer von Naxos (heute ist es allerdings größtenteils verlassen). Es liegt in etwa 500 Meter Höhe am Rand eines terrassierten Talkessels. Wie alle traditionellen kykladitischen Dörfer besteht es aus einfachen, geweißten Häusern, die sich eng an eng an den steilen Hang schmiegen und zwischen denen nur schmale Gassen mit Hunderten von Treppenstufen liegen.

Koronos, Naxos

Koronos, Naxos

Koronos, Naxos, Plateia
der Dorfplatz

Ursprünglich waren die steilen, schmalen Terrassen des Hochtales um Kóronos hauptsächlich mit Wein und hier und da Obstbäumen bebaut; in der Nähe der Wasserläufe wurde Gemüse kultiviert und auf den nicht terrassierten Hängen in etwas größerer Entfernung vom Dorf Getreide. Heute ist nur noch ein geringer Teil der Fläche bewirtschaftet. Die aufgegebenen Terrassen wuchern allmählich zu, insbesondere mit den für diese Region von Naxos typischen laubabwerfenden Sträuchern und Bäumen wie Ahorn, Esche, Wilder Birne und Weißdorn.

Terrassen bei Koronos
Die Hänge um das Dorf sind sorgfältig terrassiert.

Von allen Dörfern auf Naxos hat Kóronos winters wie sommers die kühlste Lage. Im Sommer wird es von den Nordwinden gekühlt, und im Winter liegt es sehr häufig in den sich an den Bergen stauenden Nebelwolken. Entsprechend der hohen Feuchtigkeit ist es hier im Winter und Frühling besonders grün.

Koronos
Auf den aufgegebenen Terrassen unterhalb von Koronos wächst ein dichter Wald aus wilden, laubabwerfenden Sträuchern und verwilderten Obstbäumen.

Das Dorf Kóronos besitzt wegen der hier besonders steilen und kargen Hänge nur relativ wenig landwirtschaftlich nutzbare Fläche. Entsprechend besaßen viele Dorfbewohner früher auch Landflächen in teilweise weit entfernt gelegenen, fruchtbareren Gegenden der Insel wie in Apollonas, zu denen sie weite Strecken zu Fuß zurückzulegen hatten. Viele Dörfler lebten auch als Hirten: Als Weidefläche geeignete, nicht bebaute Hänge standen reichlich zur Verfügung.

Terrassen bei Koronos
Weinterrassen um Koronos

Bis in die fünfziger, sechziger Jahre hinein verlief das Leben im Dorf ganz gemäß den über Jahrhundete überlieferten Traditionen der dörflichen Selbstversorgerwirtschaft: Landwirtschaft, Hirtenwesen und Handwerk wurden noch genauso betrieben wie schon vor Jahrhunderten, wenn nicht Jahrtausenden.

Koronos
Gemüsegarten bei Koronos

Der Schmirgelabbau

Von besonderer Bedeutung für das Dorf war der Schmirgelabbau, durch den es zu einem gewissen Reichtum gelangte: Gegen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als der Schmirgelabbau seine Blütezeit hatte, waren die Koronidiaten die „Reichen“ der Insel. Das änderte jedoch nichts daran, dass sie sich ihren Lebensunterhalt in ununterbrochener, harter und gefährlicher Arbeit in den Schmirgelminen sowie durch eine mühselige, mit sehr einfachen Mitteln betriebene Landwirtschaft verdienen mussten.


das Tal der Schmirgelminen


Arbeit in den Schmirgelminen

Das Dorf der Träumer und Propheten

Erwähnenswert sind die mit dem Dorf Kóronos verknüpften Prophezeiungen: Im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts hatten viele Dörfler prophetische Träume, in denen sie von der Jungfrau Maria und den Heiligen nicht nur vor Gefahren gewarnt wurden, wie dem Einsturz einer Schmirgelmine oder einem verheerenden Unwetter, sondern die sie auch über die Lage von Schätzen aufklärten, die sie dann zu heben versuchten. Vor allem berichteten die Träume aber von vielen Dingen aus der Zukunft, die den Dörflern damals unerklärlich bleiben mussten und erst so in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, als der „Fortschritt“ auch in Koronos Einzug hielt, verstanden werden konnten: So berichteten sie beispielsweise von der elektrischen Straßenbeleuchtung, vom Busverkehr zur Chora und vom Tourismus. Die größte Bedeutung für das Dorf hatten aber die prophetischen Träume der Bewohner, die sie vor einer kommenden schrecklichen Zeit warnten, die schon bald während des Zweiten Weltkrieges wahr wurde, als das Dorf während der italienischen Besatzung wegen der Einstellung des Schmirgelabbaus und der an die Besatzer zu leistenden Abgaben von einer verheerenden Hungersnot heimgesucht wurde.

Koronos
Das Kriegerdenkmal am Kirchplatz erinnert an die hohen Verluste unter der Dorfbevölkerung während des Zweiten Weltkrieges.

Koronos
Die Dorfkirche Agia Marina wird von einer riesigen Platane beschattet.

Argokíli
Aufgrund der Prophezeihungen errichteten die Koronidiaten nicht weit vom Dorf entfernt die rechts im Bild zu sehende Kirche der Panagía Argokiliótissa. Die kleine Kirche der Ágia Anna (im Vordergrund links) wurde an der Stelle errichtet, an der in den Träumen angekündigte, wundertätige Ikonen gefunden wurden. Im Hintergrund der neue, gigantische Kirchenbau der Panagía Argokiliótissa.

Argokíli
Am Freitag nach Ostern, zum Feiertag der Kirche, versammeln sich nach wie vor jedes Jahr viele Menschen.

Argokíli
Hier wird die wundertätige Ikone über den Kirchhof getragen.

Wandern um Kóronos


Auch um Kóronos kann man sehr schön spazieren gehen. Hier die byzantinische Kirche Panagía Kerá.


Spaziergang zwischen Kóronos und Skadó


Der Wanderweg nach Liónas führt durch das wilde Tal unterhalb von Kóronos.


Liónas, der kleine Ableger von Kóronos am Meer

Wanderungen bei Kóronos:

Ein Dorf, das in der Vergangenheit lebt

Das Dorf Kóronos scheint in der Vergangenheit zu leben – es ist, als ob die moderne Welt es nicht so ganz erreicht hätte. Heute leben fast nur noch ältere Menschen im Dorf; nur wenige Familien mit Kindern vermögen sich hier ein Auskommen zu schaffen. Nur im Sommer, wenn es viele der nach Athen Ausgewandeten wieder in ihr Heimatdorf zieht, füllen sich die Gassen des Dorfes mit Leben.


In Kóronos scheint die Zeit stehen geblieben zu sein.

Koronos
Winter in Kóronos

Mein Buch „Zwei Türen hat das Leben“, die Lebenserinnerungen meines Schwiegervaters Dimitris Mandilaras, spielt sich zu einem großen Teil in Kóronos ab, und man kann in ihm viel über die jüngere Geschichte und das tägliche Leben der Menschen in Kóronos um die Zeit des Zweiten Weltkriegs erfahren.

siehe auch:

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