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Beweidung

Fast alle Pflanzen der Insel Naxos müssen sich mit dem Problem der Beweidung auseinandersetzen, da es nur sehr wenige Stellen gibt (wie etwa die Auwälder oder extrem schlecht erreichbare Felsstandorte), die nicht beweidet werden. Schafe beweiden vor allem die Krautschicht, das heißt Gräser und andere meist einjährige Pflanzen, die zwischen den Sträuchern gedeihen. Für sie gibt es einen sehr großen Unterschied im Nahrungsangebot je nach Jahreszeit, so dass sie in nur mäßiger Anzahl gehalten werden können oder sie müssen in den ungünstigeren Zeiten (Sommer und Herbst) gefüttert werden – meist werden sie dann auf Felder getrieben, auf denen Getreide gesät worden ist. Ziegen fressen dagegen vor allem die Blätter der Sträucher und Bäume. Diese treiben im späten Frühjahr aus, so dass dann die fetteste Zeit für die Ziegen ist. Es gibt nur wenig Pflanzen, die Ziegen verschmähen, beispielsweise Wacholder, Meerzwiebel, Asphodill und andere giftige Arten.


Ziegen fressen vor allem Blätter und Trieben von Sträuchern und Bäumen. Durch den Verbiss der Bäume entsteht die niedrige Vegetationsform der Garrigue.


Ziegen beim Weiden. Auch eine geringe Anzahl an Ziegen kann die Vegetation sehr effektiv niedrig halten.


Niedrige Garrigue aus extrem verbissenen Kermeseichen.


Wenn sie den Ziegen entkommen, können die Kermeseichen zu stattlichen Bäumen heranwachsen.

Anpassungen der Pflanzen an die Beweidung

Die wichtigsten Anpassungen an Beweidung sind die Ausbildung von Dornen und Stacheln, die Blattreduktion, die Einlagerung von Giftstoffen oder abschreckenden Aromastoffen und eine klebrige, unangenehme Behaarung. Ferner sind zu erwähnen der Wuchs als Liane im Schutz anderer Pflanzen, ein rosettenförmiger, dem Boden anliegender Wuchs und die Fähigkeit zur Bildung von Ersatzknospen. Eine Rolle spielen auch ein geringer Gehalt an Nährstoffen wie bei vielen Gräsern und das Wachsen im Schutz von stacheligen Zwergsträuchern, wie es bei vielen Kräutern beobachtet werden kann. Schließlich ist eine sehr effektive Vermeidungsstrategie das nur schnelle, kurzlebige Erscheinen der zahlreichen Einjährigen zur Periode der günstigsten Bedingungen, wenn die Pflanzen schlicht aufgrund ihrer Masse überleben.

Für alle diese Anpassungen gibt es auf Naxos zahlreiche Beispiele. Pflanzen, die sich nicht auf die eine oder andere Art vor der Beweidung schützen können, sind kaum überlebensfähig. Bei hoher Intensität der Beweidung breiten sich die widerstandsfähigsten Pflanzen aus, während die empfindlicheren verschwinden. Kaum gefressen werden aufgrund ihrer Stacheligkeit beispielsweise der Wilde Spargel, die Ginster-Arten, der Kreuzdorn, die Brombeere, die Dornige Bibernelle und viele Distelarten. Giftstoffe oder abschreckende Inhaltsstoffe haben z.B. Meerzwiebel und Asphodill, Oleander, Alraune, der Nickende Sauerklee, der Mönchspfeffer, der Phönizische Wacholder, der Mastixstrauch, das Brandkraut und die Euphorbien. Durch Blattreduktion schützen sich die Wacholder, viele Ginster-Arten, das Heidekraut und der Kopfige Thymian. Eine starke Behaarung weisen beispielsweise das Brandkraut, die Königskerze und Ballota acetabulosa auf. Einen geringeren Schutz gewährleistet z.B. rosettenförmiger Wuchs, wie ihn eine Unzahl an Asteraceen zeigt, für die es sich entsprechend ihrer Kurzlebigkeit nicht lohnt, in Dornen oder Giftstoffe zu investieren. Durch eine ausgeprägte Ersatzknospenbildung, das heißt ständiges Nachwachsen, versuchen sich Arten wie Kermeseiche und Immergrüner Ahorn zu schützen.


Pflanzen, die den Ziegen widerstehen wollen, müssen entweder stachelig sein wie diese Ginster…

Meerzwiebel, Drimia maritima
…oder giftig wie die Meerzwiebel…

Strauchiges Brandkraut, Phlomis fruticosa
…oder das Brandkraut.

Polsterförmige Zwergformen der Bäume

Manche Baumarten, insbesondere die Kermeseiche, aber auch der Kretische Ahorn, die Steinlinde und der Ölbaum, sind in der Lage unter starker Beweidung eine stachelige, polsterförmige, extrem kleinblättrige Zwergform zu bilden, die kaum Ähnlichkeit mit dem stattlichen Waldbaum zeigt. Nach und nach entwickeln sich diese Polster auch bei starker Beweidung zu einem kleinen, undurchdringlichen Gestrüpp, bis in der Mitte die ersten Zweige für die Ziegen unerreichbar werden und in die Höhe wachsen können. Aus dem dichten niedrigen Strauch mit einigen überstehenden Ästen wird dann nach und nach ein kleines Bäumchen, oft mit mehreren Stämmen, dessen Krone außer Reichweite der Ziegen gelangt ist. Ausgewachsene Bäume können von den Weidetieren nicht mehr erreicht werden, außer wenn diese in die Krone klettern können, und sind darum weniger gefährdet. Bei vielen Wäldchen und Einzelbäumen kann man deutlich die Höhe erkennen, die die Ziegen erreichen können: Unterhalb dieser ist alles weggefressen, als ob es abrasiert wäre. In Wäldern mit starker Beweidung wird gegebenenfalls der Jungwuchs unterbunden.


An dieser Olive sind die unteren Teile des Strauches verbissen und bilden nur sehr kleine Blätter aus, während die oberen Teile außer Reichweite der Ziegen normale Blätter tragen.


In dichten Gebüschen können einige Triebe den Mäulern der Ziegen entkommen.

Degradierung der Vegetation durch Beweidung

Bei zunehmender Beweidung zusammen mit gelegentlichen Feuern wird der mediterrane Hartlaubwald in eine offene Macchie, dann in eine Garrigue und schließlich in eine offene Felstrift mit nur wenigen, sehr resistenten Arten wie der Meerzwiebel degradiert. Eine mäßige Beweidung wirkt allerdings keinesfalls so pflanzenvernichtend, wie es oft dargestellt wird. Auf Naxos kann man beobachten, dass bei nachlassender Nutzung in fast alle Gegenden die Vegetation schnell wieder zunimmt. Wo sich kein Wald einstellt, ist dieser meist aufgrund des Untergrundes oder der natürlichen Trockenheit nicht überlebensfähig.


Auch unter extremer Beweidung werden die Baumarten der Macchie nicht völlig eliminiert, sondern wachsen nur immer spärlicher.


Hier auf dem Gipfel des Zeus wuchs sicher ursprünglich ein dichter Hartlaubwald. Das ist heute davon übrig geblieben: eine sehr lockere Garrigue aus verbissenem Kreta-Ahorn, Kermeseiche und hier und da Kreuzdorn.

Beweidung – Schaden oder Nutzen?

Schädigend für die Vegetation sind vor allem die Intensivierung der Weidewirtschaft durch Straßenbau, Fütterung und Subventionen (insbesondere Pro-Stück-Subvention wie sie von der EG praktiziert wird), da sie eine Überweidung vieler Landstücke fördern.


Als sehr schädlich für die Vegetation der Insel Naxos hat sich die Pro-Kopf-Subvention durch die EG herausgestellt, die dazu geführt hat, dass die Hirten zu große Herden halten, die die Landschaft nicht tragen kann.


Viele Gebiete der Insel sind stark überweidet; insbesondere in trockenen Jahren kann praktisch nichts mehr gedeihen außer ein paar stacheligen Sträuchern und den Bäumen, die der Reichweite der Ziegen entkommen sind.


überweidete Macchie mit Phönizischem Wacholder und wilden Ölbäumen bei Pánormos

Eine mäßige auf größere Bereiche verteilte Beweidung ist der Vegetation dagegen durchaus förderlich, insbesondere da auf den offeneren Flächen eine wesentlich höhere Artenzahl gedeihen kann als in einem geschlossenen Wald.

Besonders günstig für die Vegetation des Mittelmeergebietes war die traditionelle Hirtenwirtschaft, bei der die Tiere nicht immer auf demselben Gelände standen, sondern zwischen Winter- und Sommerweide gewechselt wurde. Früher war es üblich, jedes Jahr abwechselnd die eine Hälfte des Gemeindegebietes mit Getreide zu bebauen und die andere zu beweiden. Diese Form der Bewirtschaftung erhielt ein artenreiches Mosaik an Pflanzengesellschaften von Zwergstrauchgesellschaften über Macchie bis zum Wald.


Offene, niedrige, mäßig beweidete Pflanzengesellschaften wie diese Phrygana in Azalás gehören zu den artenreichsten Standorten auf Naxos.

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