Erosion

Jede Landschaft erodiert in einem gewissen Maß. Als Erosion bezeichnet man den Abtrag von Boden oder von (meist durch Verwitterung gelockertem) Gesteinsmaterial. Die Erosion ist ein ganz natürlicher Vorgang, der überall auf der Landoberfläche eine gewisse Wirkung hat. Nicht alle Erosion ist Bodenerosion. Auch das Untergrundgestein kann erodiert werden, insbesondere durch Flüsse, die sich in das Gestein einschneiden. An den Hängen wird dagegen in flächiger Erosion vor allem der Boden abgetragen.


Die aufliegenden Steine schützen den Boden vor der Erosion.

Für die Intensität und Art der Erosion (und der Verwitterung) spielen eine ganze Reihe von Faktoren eine Rolle: vor allem das Ausgangsgestein, die Temperaturen und die Feuchtigkeit.

Eine Kulturlandschaft ist dann durch Erosion gefährdet, wenn der Boden schneller erodiert als gebildet wird. Dieser Zustand kann hauptsächlich dann eintreten, wenn Wald gefällt und danach der unbedeckte Waldboden durch den Regen weggetragen wird. Auch in Steppenregionen kann der Boden erodiert werden, wenn die natürliche Vegetation zerstört und der Boden durch Pflügen aufgebrochen wird; solche Regionen sind insbesondere durch Winderosion gefährdet.

Jedoch kann ein Feld auch trotz einer kontinuierlichen flächigen Erosion des Oberbodens kultivierbar bleiben, wenn durch das Pflügen der Gesteinsuntergrund jedes Jahr ein wenig tiefer aufgebrochen wird (insbesondere bei leicht zerspaltbarem Schiefer). Dadurch bleibt die Fruchtbarkeit des Bodens sogar besonders gut erhalten, da ständig neue Mineralien zur Verfügung gestellt werden.

Auf Naxos zeigt sich, dass die aufgegebenen Terrassen recht schnell verfallen: Bis vor etwa 50 Jahren, das heißt bis zum Beginn der Sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts, waren noch fast alle Gebiete der Insel kultiviert und der Verfall der Terrassen (sowie auch ihr Bewuchs mit Phrygana, Macchie oder Wald) hat sich in dem Zeitraum danach abgespielt.

Die verschiedenen Arten der Erosion

An verschiedenen Standorten und auf verschiedenem Gestein treten verschiedene Arten der Erosion auf, zum Beispiel flächige Erosion, Rillen- oder Seitenerosion oder Erosion durch Erdrutsche.

Flächige Erosion, das heißt der gleichmäßige Abtrag von Boden bzw. Gestein auf den Terrassenflächen oder einem Hang, ist auf Naxos eher unbedeutend, wie man an alten Bäumen erkennen kann: bei bedeutender Erosion sind die Stammfüße freigelegt.

Olivenhain mit freigelegten Stammfüßen
In der Tragaía sind bei sehr alten Ölbäumen die Stammfüßen teilweise um einen knappen halben Meter freigelegt, das Ergebnis von Jahrhunderte andauernder Erosion.

Eine größere Rolle spielt die Rillenerosion, bei der durch das abfließende Regenwasser linienförmig in die Tiefe erodiert wird, so zum Beispiel in den Bachbetten und in kleineren Rillen auf den Feldern, und vor allem die Seitenerosion, bei der an empfindlichen Stellen wie Straßenrändern oder den unbefestigten Rändern von verfallenden Terrassen nach Einsturz der Stützmauern die Erde von der Seite aus wegerodiert wird.

durch seitliche Erosion vom Terrassenrand aus freigelegte Wurzeln
durch seitliche Erosion vom Terrassenrand aus freigelegte Wurzeln eines Ölbaumes

seitlich erodierende Terrassen ohne Mauer
Schnelle seitliche Erosion des unbefestigten Terrassenrandes nach Einsturz der Stützmauer; die flächige Erosion ist dagegen deutlich geringer, wie die nur wenig freigelegten Stammfüße der Ölbäume zeigen.

Außer durch Wassereinwirkung (durch den Regen sowie durch Bäche und Flüsse bzw. an der Küste durch den Wellenschlag) kann Erosion auch durch Wind erfolgen. Die Winderosion spielt jedoch nur in weitgehend vegetationsfreien Gebieten mit lockerem Bodenmaterial eine Rolle. Der meiste Boden ist mit einer schützenden Schicht von Algen, Flechten und Moosen bewachsen, die die Erosion fast völlig verhindert. Nur wenn diese Schicht beispielsweise durch intensiven Tritt durch weidende Tiere oder durch Pflügen zerstört wird, kann eine nennenswerte Erosion auftreten. Auf Naxos sind vor allem unbewachsene, gepflügte Felder oder andere gestörte Stellen wie Straßen durch Winderosion gefährdet. Ansonsten ist die Winderosion auch bei geringer Vegetation nicht sehr beträchtlich; im Gegensatz zur Erosion durch Regenfälle wirkt sie aber während fast des ganzen Jahres.

Erosion durch Niederschläge

Die größte Rolle spielt auf Naxos die Erosion durch Regenfälle. Allerdings ist ein gewöhnlicher Regen kaum in der Lage, Bodenmaterial oder Gestein abzutragen und zwar fast unabhängig von der Bodenbedeckung: Schon die normalerweise überall auf der Bodenkruste (auch in den trockensten Lagen) wachsenden Algen, Flechten und Moose schützen den Boden fast ebenso gut wie ein Wald. Eine stärkere Erosion kann nur dort auftreten, wo die schützende Flechten- und Moosschicht zum Beispiel durch den Tritt von Ziegen zerstört wird. Auch die meist zahlreichen losen Steine an der Oberfläche schützen die Bodenschicht effektiv vor Erosion.

Boden über Marmor mit Flechten und Moosen
Schützende Moos- und Flechtenschicht auf Boden über Marmor

Eine nennenswerte Erosion tritt nur bei sehr heftigen Regenfällen auf, wie sie meist nur einmal in ein paar Jahren auftreten, und auch innerhalb der Starkregen normalerweise nur bei den kurzzeitig auftretenden, sehr heftigen Güssen, wenn die Regentropfen in der Lage sind, das Bodenmaterial loszuschlagen. Die Intensität der Erosion bei diesen Starkregen ist wiederum fast unabhängig vom Bewuchs. Die einzigen Flächen, die deutlich stärker erodiert werden, sind kaum bedeckte und frisch gepflügte Flächen wie Getreideäcker oder Weinberge sowie unbefestigte, von einem Bulldozer geschobene Terrassen.

Fluss nach starkem Regenfall
Torrente mit reißendem Fluss nach heftigem Unwetter
von eingeschwemmter Erde rot gefärbtes Meer
weithin durch eingeschwemmte Erde braunrot gefärbtes Meer

Die Erosion läuft also nicht gleichmäßig ab, sondern fast ausschließlich bei starken, nur selten und unregelmäßig auftretenden Unwettern. Das macht die Ermittlung von durchschnittlichen Erosionswerten sehr schwierig: man muss über einen langen Zeitraum beobachten.

Erosion und Untergrundgestein

Ein entscheidender Faktor für die Erosionsempfindlichkeit einer Landschaft ist das Gestein. Landschaften aus wenig verfestigten Gesteinen sind wesentlich erosionsanfälliger. Hier spielen allerdings gegebenenfalls recht feine Unterschiede eine Rolle, so dass die Gefährdung eines Gebietes oft nicht sehr leicht einzuschätzen ist.

In Gegenden, in denen Kalkstein oder Marmor ansteht, versickert das meiste Regenwasser gleich in Spalten und Klüften; nur bei sehr heftigen Regenfällen tritt ein nennenswerter oberflächlicher Abfluss auf. Die oberflächliche Erdschicht ist meist nur sehr gering ausgebildet, jedoch sammelt sich eine rötliche Erde in den Klüften und Spalten teilweise bis in beträchtlicher Tiefe an. Aus der Erde werden durch den Regen Mineralien ausgeschwemmt und das kalkhaltige Gestein wird durch das leicht saure Regenwasser nach und nach aufgelöst. Entsprechend ist die Erosion an der Oberfläche eher gering; unterirdisch entstehen jedoch ganze Fluss- und Höhlensysteme.


Im Marmorgestein bilden sich durch das versickernde Regenwasser Klüfte.

rötliche Erde in Marmorklüften
In den Klüften sammelt sich rötliche Erde an.

Auch Granit und Gneis verwitterern unter dem Einfluss von Feuchtigkeit vor allem chemisch. Dabei verwittern die Blöcke besonders stark an ihrer beschatteten und somit feuchteren Nord- sowie der Unterseite. Auf diese Weise entstehen die für den Granit typischen ausgehöhlten „Tafonis“.


Tafoni

Bei der Verwitterung werden die Feldspate aufgelöst und in Tonmineralien umgewandelt, und Quarz und Glimmer bleiben zurück und bilden einen wenig fruchtbaren, sandigen Boden. Die heutigen Granit-, Migmatit und Gneislandschaften auf Naxos sind im Tertiär unter tropischen Bedingungen entstanden, als unter gleichmäßigen starken Regenfällen die Granitlandschaft tiefgründig verwitterte, wobei sich am unteren Bodenhorizont die sogenannten „Wollsäcke“, das heißt abgerundete Granitblöcke, bilden. Seitdem wurde bei den nun jahreszeitlich schwankenden Regenfällen die Bodenschicht abgetragen, so dass dieses untere Bodenniveau mit den „Wollsäcken“ nun an der Oberfläche liegt.


„Wollsacklandschaft“ in der Nähe von Kinídaros im Migmatit

Der meiste Schiefer auf Naxos verwittert leicht: Er zerfällt entlang der Schichten und zerbröselt in Plättchen und Stückchen (physikalische Verwitterung).


stark verwitternder Schiefer an der Küste

Entsprechend bilden sich über Schiefer tiefgründigere Böden: Die verwitternden Schieferplättchen sind ein hervorragendes Boden-Rohmaterial. Auch hier verwandeln sich die Feldspate durch Wassereinwirkung in Tonmineralien und die Glimmer bleiben zurück. Die Ton- und die Glimmerminerale sind ein gutes Boden-Ausgangsmaterial; zusammen mit Humus kann sich eine fruchtbare Erde bilden. In Schieferregionen ist es besonders sinnvoll, den Boden durch die Anlage von Terrassen vor dem Wegschwemmen am Hang zu schützen. Nach der Aufgabe von Terrassen verfallen diese recht schnell. Schon eine geringe Vegetation kann den Boden jedoch gut schützen; die größte Erosionsgefahr besteht an den Stellen, an denen Ziegen auf den Terrassen vegetationsfreie Pfade austreten.

Erosion und Tektonik

Von ausschlaggebender Bedeutung für die Erosionsanfälligkeit eines Gebietes ist jedoch ein ganz anderer Faktor und zwar die tektonische Stabilität. Fast alle stark erodierenden Landschaften liegen in Gegenden, die gegenwärtig deutlich angehoben werden. Dazu gehört in Griechenland insbesondere die Nordküste des Peloponnes. Die Anhebung eines Gebietes (über den Meeresspiegel) ist überhaupt der treibende Faktor der Erosion.

Die Kykladen und insbesondere Naxos sind dagegen tektonisch vergleichsweise stabil. Entsprechend ist hier auch die Erosion viel geringer. Die meisten Gegenden sind, was die Bodenerosion betrifft, als sehr stabil zu bezeichnen. Das erkennt man beispielsweise daran, dass an horizontalen Strukturen wie Pfaden oder Mauern auf der hangwärtigen Seite kaum Bodenmaterial abgelagert ist, wie bei starker Flächenerosion am Hang zu erwarten wäre. Einen guten Hinweis kann man auch von den Bäumen erhalten, bei dem man einen Bodenverlust daran erkennen kann, dass am Stammfuß die Wurzeln freigelegt sind, und einen Bodenzuwachs durch Ablagerung daran, dass der Stammfuß verschüttet ist. An den meisten Stellen kann man auf Naxos nur eine leichte Abtragung beobachten.

uralter Ölbaum mit nur wenig freigelegtem Stammfuß
uralter Ölbaum in der Tragaia; sein vergleichsweise wenig freigelegter Stammfuß zeigt den relativ geringen Bodenabtrag seit der Baum existiert (vermutlich über 1000 Jahre)

Erosion und Feuer

Gelegentlich kann man eine nennenswerte Abtragung von Boden bei Regenfällen nach Feuern beobachten. Aber auch dann bleibt gewöhnlich der meiste Boden im weiter unten gelegenen, bewachsenen Gelände hängen. Wenn nicht eine zu starke Beweidung die Wiederbesiedlung durch Pflanzen erschwert, kann auch nach einem deutlichen Bodenverlust die Vegetation schnell wieder ihre ursprüngliche Dichte erreichen.

Desertifizierung durch Bodenverlust

Im Mittelmeergebiet ist die Bodendecke an den meisten Stellen aufgrund der natürlichen Umweltfaktoren gering ausgebildet. Die Vegetation des Mittelmeeres ist an diesen dünnen, lückigen Boden angepasst; viele Pflanzen gedeihen auch in Gesteinsspalten ganz ohne oberflächlichen Boden.

Macchie auf Marmorgestein fast ohne oberflächlichen Boden

In den vergangenen geologischen Epochen war das Mittelmeergebiet beileibe nicht immer bewaldet; über lange Zeiträume herrschten Steppen- und Wüstenbedingungen. In den heute nur spärlich bewachsenen Gegenden des Mittelmeergebietes wird der Pflanzenwuchs durch natürliche Standortfaktoren verhindert, vor allem durch eine Kombination aus schlecht durchwurzelbarem, nicht wasserspeicherndem Gestein mit niedrigen Regenfällen oder stark erodierbarem Boden in Zusammenhang mit heftigen Regenfällen und tektonischer Anhebung (badlands).

Es kann für keine Region im Mittelmeergebiet nachgewiesen werden, dass sie sich durch den Verlust von Boden aufgrund von Abholzung in eine Wüste entwickelte. Es gibt nur wenige Fälle, wo ein Gebiet durch die Abtragung des Bodens unkultivierbar wurde (meist durch Winderosion). Im Gegenteil gibt es eine ganze Reihe von Beispielen, wo schon im Altertum abgeholzte und vom Boden entblößte Gegenden heute wieder gut bewaldet sind. Fehlender Boden bedeutet nicht Waldlosigkeit!

In großen Gebieten von Naxos sind die größtenteils seit etwa 50 Jahren aufgegebenen Terrassen schon weitgehend verfallen und der Terrassenboden wegerodiert, aber Sträucher und Bäume gedeihen hier gut, und der Bewuchs der Insel mit Wald und Macchie nimmt kontinuierlich zu.

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