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Erosion

Jede Landschaft erodiert in einem gewissen Maß. Als Erosion bezeichnet man den Abtrag von Boden oder von (meist durch Verwitterung gelockertem) Gesteinsmaterial. Die Erosion ist ein ganz natürlicher Vorgang, der in allen exponierten Bereichen der Landoberfläche abläuft.


Aufliegende Steine schützen den Boden vor Erosion.

Für die Stärke und Art der Erosion (und der Verwitterung) spielen eine ganze Reihe von Faktoren eine Rolle: vor allem das Ausgangsgestein, die Temperaturen und die Feuchtigkeit.

Eine Kulturlandschaft ist dann durch Erosion gefährdet, wenn der Boden schneller erodiert als er gebildet wird. Dieser Zustand tritt zum Beispiel ein, wenn Wald gefällt wird und danach der unbedeckte Waldboden durch den Regen weggetragen wird. Auch in Steppenregionen kann der Boden erodiert werden, wenn die natürliche Vegetation zerstört und der Boden durch Pflügen aufgebrochen wird; solche Regionen sind insbesondere durch Winderosion gefährdet.

Jedoch kann ein Feld auch trotz einer kontinuierlichen flächigen Erosion des Oberbodens kultivierbar bleiben, wenn durch das Pflügen der Gesteinsuntergrund jedes Jahr ein wenig tiefer aufgebrochen wird (insbesondere bei leicht zerspaltbarem Schiefer). Dadurch bleibt die Fruchtbarkeit des Bodens sogar besonders gut erhalten, da ständig neue Mineralien zur Verfügung gestellt werden.

Der beste Schutz des Bodens in Gegenden wie Naxos ist ein Bewuchs durch natürliche Vegetation. In kultivierten Gegenden kann die Erosion durch die Anlage von Terrassen fast vollständig verhindert werden. Eine intakte Kulturlandschaft verliert deswegen ebenso wenig Boden wie eine intakte natürliche Landschaft. Leider ist die traditionelle Bewirtschaftung der Landschaft auf Naxos in den letzten fünfzig Jahren größtenteils zum Erliegen gekommen. Inzwischen verfallen viele der aufgegebenen Terrassen allmählich, so dass die Insel zunehmend Boden durch Erosion verliert.


erodierende Terrassen bei Apíranthos

Die verschiedenen Arten der Erosion

An verschiedenen Standorten und auf verschiedenem Gestein treten verschiedene Arten der Erosion auf, zum Beispiel flächige Erosion, Rillen- oder Seitenerosion oder Erosion durch Erdrutsche.

Flächige Erosion, das heißt der gleichmäßige Abtrag von Boden bzw. Gestein auf den Terrassenflächen oder einem Hang, ist auf Naxos eher unbedeutend, wie man an alten Bäumen erkennen kann: durch den Bodenverlust würden die Stammfüße der Bäume freigelegt.

Olivenhain mit freigelegten Stammfüßen
In der Tragaía sind bei sehr alten Ölbäumen die Stammfüßen teilweise um einen knappen halben Meter freigelegt, das Ergebnis von Jahrhunderte andauernder Erosion.

Eine größere Rolle spielt die Rillenerosion, bei der durch das abfließende Regenwasser linienförmig in die Tiefe erodiert wird, so zum Beispiel in den Bachbetten und in kleineren Rillen auf den Feldern, und vor allem die Seitenerosion, bei der an empfindlichen Stellen wie Straßenrändern oder den unbefestigten Rändern von verfallenden Terrassen nach Einsturz der Stützmauern die Erde von der Seite aus wegerodiert.

durch seitliche Erosion vom Terrassenrand aus freigelegte Wurzeln
durch seitliche Erosion von einer kleinen Geländestufe aus freigelegte Wurzeln eines Ölbaumes

seitlich erodierende Terrassen ohne Mauer
Schnelle seitliche Erosion des unbefestigten Terrassenrandes nach Einsturz der Stützmauer; die flächige Erosion ist dagegen deutlich geringer, wie die nur wenig freigelegten Stammfüße der Ölbäume zeigen.

Erosion durch Wind

Die Winderosion spielt nur in weitgehend vegetationsfreien Gebieten mit lockerem Bodenmaterial eine Rolle. Auf Naxos sind vor allem unbewachsene, gepflügte Felder oder andere gestörte Stellen wie Straßen durch Winderosion gefährdet. Ansonsten ist die Winderosion auch bei geringer Vegetation nicht sehr beträchtlich; im Gegensatz zur Erosion durch Regenfälle wirkt sie aber während des größten Teil des Jahres.

Erosion durch Niederschläge

Die größte Rolle spielt auf Naxos die Erosion durch Regenfälle. Allerdings ist ein gewöhnlicher Regen kaum in der Lage, Bodenmaterial oder Gestein abzutragen und zwar fast unabhängig von der Bodenbedeckung: Schon die normalerweise überall auf der Bodenkruste (auch in den trockensten Lagen) wachsenden Algen, Flechten und Moose schützen den Boden fast ebenso gut wie ein Wald. Eine stärkere Erosion kann nur dort auftreten, wo die schützende Flechten- und Moosschicht zum Beispiel durch den Tritt von Ziegen zerstört wird. Auch die meist zahlreichen losen Steine an der Oberfläche schützen die Bodenschicht effektiv vor Erosion.

Boden über Marmor mit Flechten und Moosen
Schützende Moos- und Flechtenschicht auf Boden über Marmor

Eine nennenswerte Erosion tritt nur bei den seltenen sehr starken Regenfällen auf, und zwar überwiegend während kurzzeitiger, sehr heftiger Güsse, deren Regentropfen in der Lage sind, das Bodenmaterial loszuschlagen. Aber auch diese Erosion hat nur bei gelockertem Boden sowie an unebenen Stellen einen stärkeren Effekt. Sie betrifft vor allem kaum bewachsene und frisch gepflügte Flächen wie Getreideäcker oder Weinberge, oder unbefestigte, von einem Bulldozer geschobene Terrassen und tritt auch an den Rändern von Terrassen auf, deren Mauern eingestürzt sind, sowie an Stellen, an denen die natürliche Kruste des Bodens durch Ziegentritt oder Autos aufgebrochen ist.

Fluss nach starkem Regenfall
Torrente mit reißendem Fluss einem nach heftigem Unwetter

von eingeschwemmter Erde rot gefärbtes Meer
Wenn „unser“ Fluss fließt, wird das Meer weithin durch eingeschwemmte Erde braunrot gefärbt.

Erosion und Untergrundgestein

Ein entscheidender Faktor für die Erosionsempfindlichkeit einer Landschaft ist das Untergrundgestein. Landschaften aus wenig verfestigten Gesteinen sind wesentlich erosionsanfälliger, und die Stärke und Art der Verwitterung, die von Gestein zu Gestein ganz unterschiedlich ist, beeinflusst natürlich auch die Erosion entscheidend.

1. Schiefer

Der meiste Schiefer auf Naxos verwittert leicht: Er zerfällt entlang der Schichten und zerbröselt in Plättchen und Stückchen (physikalische Verwitterung).


stark verwitternder Schiefer an der Küste

Entsprechend bilden sich über Schiefer tiefgründige Böden: Die verwitternden Schieferplättchen sind ein hervorragendes Boden-Rohmaterial. Die Feldspate des Schiefers verwandeln sich durch die Feuchtigkeit im Boden in Tonmineralien, während die Glimmer zurückbleiben. Die Ton- und die Glimmerminerale sind ein gutes Boden-Ausgangsmaterial; zusammen mit Humus kann sich eine fruchtbare Erde bilden. In Schieferregionen ist es besonders sinnvoll, den Boden durch die Anlage von Terrassen vor dem Wegschwemmen am Hang zu schützen. Nach der Aufgabe von Terrassen verfallen diese meist recht schnell. Schon eine geringe Vegetation kann den Boden jedoch gut schützen; die größte Erosionsgefahr besteht an den Stellen, an denen Ziegen auf den Terrassen vegetationsfreie Pfade austreten sowie dort, wo die alten Terrassenmauern eingestürzt sind.


erodierende Terrassen über Schiefergestein


An diesem durch den Straßenbau entstandenen Abbruch erodiert der Schiefer so schnell, dass schon die ganze Baumwurzel freigelegt ist.

2. Marmor

In Gegenden, in denen Kalkstein oder Marmor ansteht, versickert das meiste Regenwasser gleich in Spalten und Klüften; nur bei sehr heftigen Regenfällen tritt ein nennenswerter oberflächlicher Abfluss auf. Das kalkhaltige Gestein wird durch das leicht saure Regenwasser nach und nach aufgelöst. Eine oberflächliche Erdschicht ist meist nur spärlich ausgebildet, jedoch sammelt sich eine rötliche Erde aus den bei der chemischen Verwitterung des Marmors zurückbleibenden Mineralien in den Klüften und Spalten teilweise bis in beträchtlicher Tiefe an. In Marmorgebieten ist die Erosion (ebenso wie die Bodenbildung) an der Oberfläche eher gering; unterirdisch entstehen jedoch ganze Fluss- und Höhlensysteme.


Im Marmorgestein bilden sich durch das versickernde Regenwasser Klüfte.

rötliche Erde in Marmorklüften
In den Klüften sammelt sich rötliche Erde an.


Die Erosion in Marmorgebieten spielt sich vor allem unterirdisch ab und kann zur Schaffung großer Höhlensysteme führen.

3. Granit, und Gneis

Auch Granit und Gneis verwitterern unter dem Einfluss von Feuchtigkeit vor allem chemisch. Dabei verwittern die Blöcke besonders stark an ihrer beschatteten und somit feuchteren Nord- sowie der Unterseite, da die Feldspate sich unter der Einwirkung von Feuchtigkeit in lösliche Tonmineralien umwandeln, die mit dem Regenwasser davongetragen werden. Diese Verwitterung führt zur Bildung der für Granit typischen, von unten ausgehöhlten „Tafonis“. Auch die der Sonne exponierte Oberfläche der Granitfelsen erodiert jedoch oft schnell, da das Kristallgefüge durch die Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht wegen der unterschielichen Ausdehnung der Mineralien gelockert wird (physikalische Verwitterung).


Tafonis entstehen durch die schnellere Verwitterung der Granitblöcke an der feuchteren Unterseite.


Granit und Gneis erodieren auf exponieren Flächen außerdem stark durch physikalische Verwitterung, was dazu führt, dass die Gesteinsflächen nicht einmal mit Flechten bewachsen sind (und dass an Granithängen errichtete Gebäude schnell einstürzen, hier das Apáno Kástro).

Die heutigen Granit- und Gneislandschaften auf Naxos sind im Tertiär unter tropischen Bedingungen entstanden, als unter gleichmäßigen starken Regenfällen die Granitlandschaft tiefgründig verwitterte, wobei sich am unteren Bodenhorizont durch die chemische Verwitterung abgerundete Granitblöcke bildeten. Seitdem wurde bei den jahreszeitlich schwankenden Regenfällen des heutigen Mittelmeerklimas die Bodenschicht abgetragen, so dass dieses untere Bodenniveau mit den losgelösten, abgerundeten Blöcken, den sogenannten „Wollsäcken“, nun an der Oberfläche exponiert ist.


„Wollsacklandschaft“ in der Nähe von Kinídaros im Migmatit

Erosion und Tektonik

Von ausschlaggebender Bedeutung für die Erosionsanfälligkeit eines Gebietes ist jedoch außerdem noch ein ganz anderer Faktor, nämlich die tektonische Stabilität. Fast alle stark erodierenden Landschaften liegen in Gegenden, die gegenwärtig deutlich angehoben werden. Dazu gehört in Griechenland insbesondere die Nordküste des Peloponnes. Die Anhebung eines Gebietes (über den Meeresspiegel) ist überhaupt der treibende Faktor der Erosion.

Die Kykladen und insbesondere Naxos sind tektonisch vergleichsweise stabil. Entsprechend ist hier auch die Erosion viel geringer. Die meisten Gegenden sind, was die Bodenerosion betrifft, als stabil zu bezeichnen, oder waren das während der jahhunderte langen Nutzung der Menschen durch die traditionelle Landwirtschaft. Das erkennt man beispielsweise daran, dass an horizontalen Strukturen wie Pfaden oder Mauern auf der hangwärtigen Seite kaum Bodenmaterial abgelagert ist, wie bei starker Flächenerosion am Hang zu erwarten wäre. Einen guten Hinweis kann man auch von alten Bäumen erhalten, bei dem man einen Bodenverlust daran erkennen kann, dass am Stammfuß die Wurzeln freigelegt sind, und einen Bodenzuwachs durch Ablagerung daran, dass der Stammfuß verschüttet ist. An den meisten Stellen kann man auf Naxos sind die Stammfüße der alten Bäume um einige Dezimeter freigelegt worden, d.h. es findet ein mäßiger Bodenverlust statt.

uralter Ölbaum mit nur wenig freigelegtem Stammfuß
uralter Ölbaum in der Tragaia; sein vergleichsweise wenig freigelegter Stammfuß zeigt den relativ geringen Bodenabtrag seit der Baum existiert (vermutlich über 1000 Jahre)

Erosion und Feuer

Gelegentlich kann man eine nennenswerte Abtragung von Boden bei Regenfällen nach Feuern beobachten. Aber auch dann bleibt gewöhnlich der meiste Boden im weiter unten gelegenen, bewachsenen Gelände hängen. Wenn nicht eine zu starke Beweidung die Wiederbesiedlung durch Pflanzen erschwert, kann auch nach einem deutlichen Bodenverlust die Vegetation schnell wieder ihre ursprüngliche Dichte erreichen.

Desertifizierung durch Bodenverlust

Im Mittelmeergebiet ist die Bodendecke an den meisten Stellen aufgrund der natürlichen Umweltfaktoren gering ausgebildet. Die Vegetation des Mittelmeeres ist an diesen dünnen, lückigen Boden angepasst; viele Pflanzen gedeihen auch in Gesteinsspalten ganz ohne oberflächlichen Boden.

Macchie auf Marmorgestein fast ohne oberflächlichen Boden

In den vergangenen geologischen Epochen war das Mittelmeergebiet beileibe nicht immer bewaldet; über lange Zeiträume herrschten Steppen- und Wüstenbedingungen. In den heute nur spärlich bewachsenen Gegenden des Mittelmeergebietes wird der Pflanzenwuchs durch natürliche Standortfaktoren verhindert, vor allem durch eine Kombination aus schlecht durchwurzelbarem, nicht wasserspeicherndem Gestein mit niedrigen Regenfällen oder stark erodierbarem Boden in Zusammenhang mit heftigen Regenfällen und tektonischer Anhebung (badlands).

Es kann für keine Region im Mittelmeergebiet nachgewiesen werden, dass sie sich durch den Verlust von Boden aufgrund von Abholzung in eine Wüste entwickelte. Es gibt nur wenige Fälle, wo ein Gebiet durch die Abtragung des Bodens unkultivierbar wurde (meist durch Winderosion). Im Gegenteil kennt man eine ganze Reihe von Beispielen, wo schon im Altertum abgeholzte und vom Boden entblößte Gegenden heute wieder gut bewaldet sind. Fehlender Boden bedeutet nicht Waldlosigkeit!

Der beste Schutz für den Boden in vom Menschen genutzten Gebieten ist die Anlage von Terrassen mit ordentlichen Stützmauern. Trotzdem kann man auf Naxos beobachten, dass in großen Gebieten der Insel, in denen die schon lange aufgegebenen Terrassen weitgehend verfallen sind und der Terrassenboden wegerodiert ist, Sträucher und Bäume gut gedeihen können – und der Bewuchs der Insel mit Wald und Macchie nimmt trotz Bodenverlusten seit der Aufgabe der traditionellen Landwirtschaft kontinuierlich zu. Den größten Schaden für die Insel bewirkt die Kombination der von den Hirten gelegten Feuer und einer starken Beweidung duch Ziegen, wodurch die natürliche Vegetation zu sehr geschädigt wird. Ansonsten führt der Bodenverlust vor allem dazu, dass die betroffenen Gebiete vom Menschen nur eingeschränkt oder gar nicht kultiviert werden können; eine natürliche Vegetation kann sich jedoch unter normalen Umständen halten (Wald, Macchie oder Zwergstrauchfluren).

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