Netzflügler

Die Netzflügler oder Hafte sind eine eher unbekannte, unauffällige Insektenordnung, zu der unter anderem die Florfliegen, die Ameisenjungfern und die Schmetterlingshafte gehören. Sie besitzen charakteristische geaderte Flügel, die denen der Libellen ähneln, und sind an Merkmalen des Brustsegments, der Beine und der Mundwerkzeuge zu erkennen. Die Netzflügler sind in Mitteleuropa nur mit recht wenigen Arten vertreten, von denen viele nachtaktiv und darum nicht so leicht zu beobachten sind; außerdem sind die meisten Arten eher klein und unauffällig gefärbt. Eine Ausnahme bilden mehrere große, hübsche und tagaktive Arten, die im Mittelmeergebiet auftreten.

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Schmetterlingshafte, Ascalaphidae

Die Schmetterlingshafte sehen auf den ersten Blick einem Schmetterling ähnlich, besitzen aber im Unterschied zu diesen sehr lange Fühlern mit dicker, keulenförmiger Spitze. Im Vergleich zu den meisten anderen Netzflüglern sind die Flügel auffällig gefärbt. Der schwarze Vorderkörper ist stark abstehend behaart. Im Mai und Juni trifft man bei uns recht häufig Schmetterlingshafte an, die zwar im Sitzen schwer zu entdecken sind, aber wenn sie aufgescheucht werden mit ihren auffälligen hellblau erscheinenden Flügeln davonschwirren und sich ein Stück weiter auf einem Ästchen oder Grashalm niederlassen. Schmetterlingshafte ernähren sich von kleinen Insekten, die sie ähnlich wie Libellen im Flug fangen.

Libelloides lacteus


Libelloides lacteus kommt in Griechenland und in der Türkei vor und lebt in offener Macchie und Phrygana. Er flattert in charakteristischer Weise ein paar Meter weiter, wenn er aufgescheucht wird und setzt sich dann in dieser Art an einen senkrechten Halm.


Im Flug erscheinen die Flügel der Schmetterlingshafte auffällig silberblau. Erst im Sitzen erkennt man ihre Musterung: Manche Partien sind weißlich-hyalin, andere durchscheinend dunkler gefärbt. Kopf und Brust tragen eine abstehende, schwarze Behaarung.

Ameisenjungfern, Myrmeleontidae

Von den Ameisenjungfern sind vor allem die Larven bekannt, die Ameisenlöwen, die Trichter in den Sand graben und auf dem Grund auf hineinrutschende Insekten lauern, von denen sie sich ernähren. Die meist nachtaktiven erwachsenen Tiere (Imagines) ähneln kleinen Libellen. Sie ernähren sich von kleinen Insekten oder Schmetterlingen, die sie im Flug fangen; andere Arten fressen hauptsächlich Blattläuse. In Europa sind die meisten Arten auf den Mittelmeerraum beschränkt.

Palpares libelluloides

Die größte Art der Ameisenjungfern in Europa ist Palpares libelluloides mit einer Flügellänge von bis zu 8 cm. Sie ist an ihrer Größe und der gelb-schwarzen Zeichnung des Hinterkörpers sowie der Flügelmusterung leicht zu erkennen. Sie fliegt eher langsam und unbeholfen und ist am leichtesten in der Dämmerung anzutreffen, wenn sie durch Lampenlicht angelockt wird. Im Gegensatz zu den meisten Ameisenjungfern bauen die Larven keine Trichter im Sand, sondern leben räuberisch in der Bodenstreu.


Palpares libelluloides ist eine sehr große Art. Wie bei allen Netzflüglern sind die Flügel dicht und auffällig geadert. Die sehr breiten Flügel dieser Art tragen ein unregelmäßiges Fleckenmuster.


Anders als die Schmetterlingshafte besitzen die Ameisenjungfern kurze Fühler. Der Körper ist abstehend behaart. Wie bei einem dämmerungsaktiven Jäger zu erwarten, sind die Augen sehr groß.


Palpares libelluloides flattert unbeholfen durch die Pflanzen. Aufgrund seiner Größe ist er unübersehbar wenn er aufgescheucht wird.


Sobald er sich hingesetzt hat, ist er dagegen wegen der guten Tarnfärbung kaum noch zu entdecken; die gemusterten Flügel verschmelzen mit der unregelmäßigen Färbung der Vegetation.

Ameisenjungfern, Myrmeleontinae

Die Larven vieler Ameisenjungfern, vor allem bei den Arten der Unterfamilie Myrmeleontinae, bauen Trichter im Sand, in denen sie Insekten auflauern. Die Larve ist in ihrer Körperform speziell an diese Lebensweise angepasst; sie wird „Ameisenlöwe“ genannt. Während die Ameisenlöwen gut bekannt und erforscht sind, weiß man meist viel weniger über die Lebensweise des adulten Insekts. Am Aussehen der Ameisenlöwen kann man die Artzugehörigkeit kaum erkennen: Viele Arten Ameisenjungfern besitzen ganz ähnliche Larven. Bei den meisten Arten dauert das Larvenstadium zwei Jahre an. Das erste Larvenstadium nach dem Schlüpfen aus dem Ei baut entsprechend seiner geringen Größe nur einen Trichter von etwa einem Zentimeter Durchmesser.


Der Ameisenlöwe besitzt einen dicken, rundlichen Hinterleib, eine schmale, vorstreckbare Brust und einen kleinen Kopf mit sehr großen Kieferzangen, mit denen er seine Beute ergreift. Über die Kieferzangen pumpt der Ameisenlöwe ein starkes Gift in das Beutetier, durch das es schnell gelähmt oder getötet wird. Dann wird Verdauungssekret in die Beute injiziert und diese ausgesaugt, was bei großen Beutetieren mehrere Stunden dauern kann. Bis auf den Saugkanal ist der Mund des Ameisenlöwen zugewachsen, so dass kein Sand eindringen kann.


Die Ameisenlöwen lauern ihrer Beute am Grund von selbstgebauten Trichtern auf. In geeignetem, trockenen feinen Substrat (Sand oder Erde) sind Ameisenlöwen und ihre Trichter bei uns häufig anzutreffen.


Der Ameisenlöwe sitzt am Grund des Trichters in den Sand eingegraben; nur der Kopf und die Kieferzangen schauen heraus.


Hier sieht man auch den vorderen Teil des Körpers.


Der Ameisenlöwe baut den Trichter, indem er unter einer schnellen, kräftigen Krümmung des Körpers den Sand mit seinem Kopf herausschleudert.

Der Ameisenlöwe kann sich im Sand nur rückwärts bewegen. Wenn man ihn aus seinem Trichter ausgräbt und auf die Bodenoberfläche setzt, gräbt er sich schnell im Rückwärtsgang wieder ein. Um einen Trichter herzustellen, wandert der Ameisenlöwe erst kurz unterhalb der Bodenoberfläche im Kreis und „pflügt“ dabei einen kreisförmigen Gang. Von diesem ausgehend arbeitet er sich dann spiralig ins Innere vor, wobei er das Material kontinuierlich nach außen schleudert, solange bis ein Trichter entstanden ist. Am Schluss wirft er noch den Sand aus der Mitte heraus. Die „Hangneigung“ des Trichters ist genau so groß, dass jedes hineingeratende Objekt unweigerlich bis auf den Grund rutscht. Der Ameisenlöwe lauert geduldig am Grund des Trichters, bis eine Beute in Reichweite kommt. Durch Borsten an den Körperseiten kann der Ameisenlöwe feinste Bewegungen des Untergrundes und des Sandes wahrnehmen. Wenn das sich nähernde Tier zu groß und möglicherweise gefährlich ist, gräbt sich der Ameisenlöwe tiefer ein. Geeignete Beutetiere bewirft der Ameisenlöwe dagegen mit Sand, so dass sie schneller in den Trichter abstürzen.

Ameisenlöwen erbeuten nicht nur Ameisen, sondern werden auch mit ziemlich großer Beute fertig: meist andere Insekten, aber beispielsweise auch Spinnen, Tausendfüßler und Regenwürmer. Im Allgemeinen hat das Beutetier keine Chance zur Gegenwehr. Nur einige sehr gut gepanzerte Tiere können vom Ameisenlöwen nicht bezwungen werden. Der Ameisenlöwe hält seinen Trichter ständig sauber und funktionsfähig. Er kann Objekte bis zum Zehnfachen seines Körpergewichts aus ihm herausschleudern.

Myrmecaelurus trigrammus

Myrmecaelurus trigrammus ist eine der häufigeren Ameisenjungfern, die auch in Mitteleuropa vorkommen. Bei uns habe ich bislang nur Ameisenlöwen von dieser Art gefunden.


Die Larven der verschiedenen Ameisenjungfern sehen sehr ähnlich aus. Für die Bestimmung ist die Form der Kiefernzangen sowie die Anordnung der Haarbüschel und Borsten von Bedeutung. Hier handelt es sich um die bei uns häufigste Art, Myrmecaelurus trigrammus.


Hier vermutlich ein adultes Tier derselben Art. Man kann das charakteristische gelbliche Flügelmal in der Nähe der Flügelspitze erkennen.


Bei dieser Art sind Brust und Hinterleib gelblich und dunkel gemustert. Hier sieht man die typische Zeichnung des Thorax.

Distoleon tetragrammicus


Diese Ameisenjungfer ist an den vier dunkleren Fleckchen auf ihren Flügeln zu erkennen. Der Thorax ist einförmig dunkelgrau.


Während ich die adulten Tiere dieser Art bei uns regelmäßig antreffe, habe ich bislang noch keine Larven finden können.

Distoleon annulatus


Diese Art besitzt viele kleine Punkte auf dem Kopf und deutliche Querstreifen auf dem Hinterleib. Die Flügel tragen ein hier kaum sichtbares schwarz-weißes Mal. Die Larven dieser Art scheinen frei räuberisch und nicht als Ameisenlöwen zu leben.


Hier ein Individuum mit einem viel längeren Hinterleib, der über die Flügel hinausragt. Ob es sich bei den verschiedenen Formen um Männchen und Weibchen handelt?


Auf diesem Bild sieht man gut das charakteristische schwarz-weiße Flügelmal.

Neuroleon arenarius


Diese Art trägt keine Flecken auf den Flügeln, nur einen schwachen schrägen Streifen nahe dem Flügelende. Kopf und Thorax weisen einen dunkleren Bereich in der Mitte auf.

Neuroleon?


Bei dieser Art sind die Flügel ähnlich wie bei der vorigen, ganz ohne Flecken, nur mit den schwachen schrägen Streifen. Kopf und Thorax tragen allerdings keine deutliche Zeichnung. Um welche Art es sich handelt muss offen bleiben – es ist erstaunlich schwer, brauchbare Informationen zu den Ameisenjungfern im Internet zu finden!

Florfliegen, Chrysopidae

Die Florfliegen sind eher kleine und unauffällige Netzflügler, auch wenn sie mit weltweit etwa 2.000 Arten weit verbreitet sind. Sie besitzen zwei gleiche Flügelpaare, die wie bei allen Netzflüglern eine enge Aderung aufweisen. Die europäischen Netzflügler werden bis 3,5 cm groß und sind im Aussehen sehr ähnlich.

Gemeine Florfliege, Chrysoperla carnea

Die Gemeine oder Grüne Florfliege ist wie der Name sagt grün gefärbt. Sie sitzt gern an Gras oder Blättern und fliegt hauptsächlich nachts umher. Die erwachsenen Tiere ernähren sich von Nektar und Pollen, während die Larven in großen Mengen Blattläuse und Insektenlarven verzehren. Entsprechend sind Florfliegen im Garten nützlich und werden auch in der biologischen Schädlingsbekämpfung eingesetzt. Das Weibchen legt die auf langen dünnen Stielen sitzenden Eier in der Nähe von Blattlauskolonien ab. Die Larven greifen die Blattlaus mit ihren Kiefern und injezieren ein starkes Verdauungssekret, durch das diese innerlich aufgelöst wird; dann saugen sie die Blattlaus aus. Die leeren Hüllen kleben sie sich zur Tarnung auf den Hinterleib. Die adulten Florfliegen produzieren zur Balz mit dem Hinterleib Vibrationen, die auf den Untergrund übertragen werden. Dabei scheinen sich anhand der „Gesänge“ innerhalb der Art mehrere Formen unterscheiden zu lassen.


Die Florfliegen sind unauffällig grünlich gefärbt und sitzen meist an Blättern oder Grashalmen, so dass man sie leicht übersehen kann.


Sie besitzen wie alle Netzflügler fein geäderte Flügel. Beide Flügelpaare sind gleich ausgebildet. Die Augen zeigen einen goldenen Farbton.


Die Florfliegen legen ihre kleinen Eier auf langen Stielen ab. Hier handelt es sich vermutlich um Florfliegen-Eier.

unbestimmte Florfliege


Diese graue Florfliege mit den schwarzen Kopfseiten wird bei uns oft abends vom Licht angelockt. Um welche Art es sich handelt, habe ich nicht herausfinden können.

Fanghafte, Mantispidae

Die kuriosen Fanghafte sehen auf den ersten Blick eher einer Gottesanbeterin ähnlich: Ihre Vorderbeine sind zu Fangbeinen umgewandelt, mit denen sie Insekten erbeuten. Weltweit gibt es etwa 400 Arten; in Europa kommen 5 vor. Sie sind mit 5 bis knapp 50 mm Körperlänge eher kleine Insekten und können leicht übersehen werden. Wie die anderen Netzflügler sind sie keine besonders geschickten Flieger.

Verwechselter Fanghaft, Mantispa aphavexelte

Diesen kleinen, unauffälligen Fanghaft habe ich dieses Jahr das erste Mal in unserem Garten entdeckt. Diese Art ist erst 1994 beschrieben worden. Sie kommt in Südeuropa und Nordafrika sowie bis in die Mongolei vor, wird aber vereinzelt auch in Mitteleuropa angetroffen. Die Abgrenzung der Arten ist noch nicht endgültig geklärt; früher wurden die dieser Art zugehörigen Individuen als andere Arten interpretiert. Diese Verwirrung zeigt sich im deutschen Artnamen, aber auch im wissenschaftlichen Namen: Die österreichischen Erstbeschreiber benannten die Art angeblich und spaßeshalber nach einer griechischen „Göttin der Konfusion“, während der Artname einfach die österreichische Aussprache von „verwechselter“ darstellt. Derartige spaßhafte Artbenennungen sind durchaus üblich, siehe z.B. die ebenfalls von einem Österreicher benannte Stabschrecke Denhama aussa („den haben wir raus“), die Grasschnecken Vallonia eiapopeia, V. hoppla und V. patens tralala, den ausgestorbenen Papagei Vini vidivici, die parasitische Wespe Heerz lukenatcha („Here’s looking at you“ aus dem Film Casablanca), die Grabwespe Aha ha, die Langbeinfliege Campsicnemius charliechaplini, benannt nach ihrer Art die Beine zu bewegen, die Springspinne Bagheera kiplingi, die Grabwespe Polemistus chewbacca, die in den norwegischen Fjorden lebende Fischart Fiordichthys slartibartfasti, die Haifisch-Gattung Gollum, den Laufkäfer Pericompsus bilbo und die Wespenarten Ampulex dementor und Lucius malfoyi.

Der Verwechselte Fanghaft wird knapp 1,5 cm lang und ist gelb gefärbt mit einer bräunlichen Zeichnung. Die Augen stehen weit außen am beweglichen, dreieckigen Kopf. Die mit Dornen bewehrten Vorderbeine sitzen ganz vorn am langen Prothorax, also sehr nah am Kopf, und lassen sich perfekt zusammenklappen. Unsere Exemplare saßen unter den Blüten der Wilden Möhre, wo sie wohl auf kleine Blütenbesucher lauerten; eins flatterte, als ich zu nah herankam, auf einen benachbarten Zweig.


Die interessanten kleinen Fanghafte ähneln in Aussehen und Lebensweise den Gottesanbeterinnen.


Sie ernähren sich von Insekten, die sie mit ihren als Fangbeine ausgebildeten Vorderbeinen fangen. Dieser Fanghaft lauert seiner Beute unter einem Blütenstand der Wilden Möhre auf.


Diese Art ist erst 1994 beschrieben worden, wobei in der Abgrenzung der Arten viel Verwirrung herrscht, daher der deutsche und auch der wissenschaftliche Artname.

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