Skip to main content

Die Jungsteinzeit

Der Beginn der Jungsteinzeit wird in der Ägäis um etwa 6.500 v. Chr. angesetzt. Es gibt nur relativ wenig Funde aus den älteren Phasen der Steinzeit auf Naxos und in Griechenland, insbesondere im Vergleich zu den späteren Zeiten; aber auch im Vergleich etwa zu Mitteleuropa sind unsere Informationen über die menschliche Besiedlung Griechenlands in der Steinzeit recht kümmerlich. Neuere Untersuchungen zeigen, dass die griechischen Inseln schon in der Älteren und Mittleren Steinzeit (etwa 600.000 bis 12.000 v. Chr. bzw. etwa 12.000 bis 6.500 v. Chr.) von Menschen besucht und besiedelt worden sind.

Jungsteinzeitliche Siedlungen auf den Kykladen

Über die Jungsteinzeit (6.500 – 3.300 v. Chr.), vor allem die Späte Jungsteinzeit (ab 5.300 v. Chr.) sind wir in Griechenland besser informiert; in diese Zeit werden zahlreiche Funde datiert, darunter auch von den Kykladen. Von großer Bedeutung sind die Ausgrabungen auf der kleinen Insel Saliagós zwischen Paros und Antiparos, die in der Jungsteinzeit um 4.800 v. Chr. zeitweise von Fischern bewohnt wurde, die die nahe der Küste vorbeiziehenden Thunfische jagten: Man hat hier in großen Mengen Obsidian-Speerspitzen mit Widerhaken und Thunfischreste gefunden. Die Kultur von Saliagós zeigt (bemerkenswerterweise) keine Übereinstimmungen mit den benachbarten gleichzeitigen oder späteren Kulturen und muss als unabhängig erachtet werden.

In Kephála auf Kea wurde eine steinzeitliche Siedlung mit benachbartem Friedhof ausgegraben, die auf etwa 3.600 v. Chr. zu datieren ist. Sie ergab reiche Funde an Keramik und Obsidian, aber auch Spuren einer Metallverarbeitung. Kephála zeigt Gemeinsamkeiten mit gleichzeitigen Siedlungen auf Euböa und dem Peloponnes und in Attika, weist aber auch einige Ähnlichkeiten mit der nachfolgenden bronzezeitlichen Kykladenkultur auf (z.B. kleine Stein-Idole).

Der wichtigste Werkstoff der Steinzeitmenschen: Obsidian

Das charakteristischste Material der Steinzeit und einer der ersten Werkstoffe der Menschheit ist der Obsidian (bzw der sehr ähnliche Feuerstein). Obsidian besitzt eine glasige Struktur und zeigt einen muscheligen Bruch, weswegen man aus ihm gut Schaber, Klingen und Pfeilspitzen anfertigen kann.

Obsidian ist in der Ägäis vor allem auf der vulkanischen Insel Milos, der südwestlichsten der Kykladen, zu finden. Er ist vulkanischen Ursprungs und kommt in Gängen oder dickeren Lagen vor. Es handelt sich um ein sehr kieselsäurereiches Material, das glasartig, das heißt ohne die Bildung von Kristallen, erstarrt ist, wodurch der muschelige Bruch entsteht. Obsidian ist grauschwarz, manchmal mit leichtem Grünschimmer. Auf Milos wurde Obsidian schon um 7.000 v. Chr. abgebaut. Er war während der Steinzeit und der Bronzezeit ein unentbehrliches Material und wichtiges Handelsgut und wurde von Milos überall in die Ägäis und auf das benachbarte Festland exportiert; man findet Obsidian an allen stein- und bronzezeitlichen Siedlungsplätzen.


Auf Naxos kann man an vielen Stellen kleine Obsidiansplitter finden. Der auf Naxos zu findende Obsidian stammt von der vulkanischen Insel Milos und wurde in der Jungsteinzeit und der Bronzezeit nach Naxos importiert.


An vielen Stücken kann man erkennen, dass es sich um künstlich bearbeitete Splitter handelt.


Dieses Stück lässt einige Merkmale eines künstlich bearbeiteten Werkzeugs (Schabers) erkennen. Das Stück ist von einem sogenannten Kern durch einen Schlag auf die hier nach oben ausgerichtete Seite abgespalten worden. Man sieht charakteristische Merkmale eines künstlich hergestellten Werkzeugs, so die Wölbung der Ventralseite (links) mit wellenförmigen „Wallner-Linien“ („eingefrorene“ Schockwellen des Schlags) und die Schlagstelle (Mitte oben) mit einer kegelförmigen Wölbung darunter, neben der kleinen feinen Linien verlaufen, die Lanzettsprünge. An der Dorsalseite (rechts) sieht man senkrechte Grate, die Ränder voriger vom selben Kern abgespaltener Stücke.


Hier noch mal die obere Ventralseite mit der glatten Schlagfläche, der Schlagstelle mit der kegelförmigen Vorwölbung und den kleinen Lanzettsprüngen daneben.


Bruchstück einer kleinen Pfeilspitze, vermutlich jungsteinzeitlich

Obsidian und Feuerstein

Obsidian ist ein vulkanisches Gestein, das aus kieselsäurehaltigen, aber nicht sehr wasserreichen Laven durch abrupte Abkühlung entsteht, z.B. wenn die Lava sich ins Meer ergießt. In Europa tritt Obsidian außer auf den griechischen Inseln Milos, Nisyros und Giali an manchen Stellen in Italien auf; außerdem auf Island, in der Slowakei und in Ungarn. Die nächsten außereuropäischen Vorkommen liegen in Kleinasien, Armenien und auf den Kanarischen Inseln.

Feuerstein tritt beispielsweise an der Ostsee in Zusammenhang mit Kalk- und Kreidegebieten auf. Es handelt es sich um Knollen von Kieselsäure, die sich in Kalkschichten bilden, eventuell schon bei der Sedimentation durch die Ablagerung von Kieselalgen, oder durch nachträgliches Eindringen kieselsäurehaltiger Flüssigkeiten ins Gestein. Das Silikat ist sehr feinkristallig und zeigt einen muscheligen Bruch wie Obsidian. Feuerstein ist schwarz oder dunkelgrau und verwittert an der Oberfläche zu einer weißen Schicht. Er tritt in Europa an vielen Stellen auch in großen Lagern auf und wurde in manchen Gegenden schon in der Steinzeit in unterirdischen Bergwerken abgebaut.

Aus Feuerstein und Obsidian lassen sich unterschiedliche Werkzeuge herstellen wie Schneiden, Klingen, Pfeilspitzen usw. Die Technik der Bearbeitung entwickelte sich beträchtlich innerhalb der Steinzeit; so wurden die Klingen erst vor allem durch Schlagen, später durch Drücken abgespalten. Feuerstein- und Obsidianklingen sind zwar recht schwierig herzustellen und außerdem zerbrechlich und können eine gewisse Größe nur schwer überschreiten, aber sie sind wesentlich schärfer als alle Metallmesser und nutzen sich nicht ab. Heute werden kleine Obsidianklingen beispielsweise noch in der Schönheitschirurgie benutzt (die Narben verheilen besser als bei Metallmessern). Außer Werkzeugen wurden auch Gefäße (Hethiter), Spiegel (Rom, Mittel- und Südamerika) und Götterfiguren (Mexiko) aus Obsidian hergestellt.

Handwerkstechniken

Außer aus Obsidian stellten die Menschen in der frühen Steinzeit auch aus anderen Gesteinen Werkzeuge her. Wegen seiner Zerbrechlichkeit war der Obsidian nicht für die Herstellung von Äxten oder Beilen geeignet. Diese wurden beispielsweise aus Basalt (der ebenso wie Obsidian auf Naxos selbst nicht vorkommt, sondern importiert werden musste), Hornstein oder anderen harten Gesteinen gefertigt, die sich im Gegensatz zum Obsidian schleifen lassen. Aus Stein fertigten die Menschen auch die ersten Idole an.

Zusätzlich entdeckten und entwickelten die Steinzeitmenschen, insbesondere in der letzten Phase der Jungsteinzeit, eine ganze Reihe weiterer Handwerkstechniken. Zuerst entstand vermutlich die Korbflechterei, von der sich jedoch naturgemäß nur wenig Überreste erhalten haben. Danach wurde die Töpferei erfunden und im Lauf der Zeit recht weit verfeinert. Interessant ist, dass viele Tonwaren der Steinzeit eine Verzierung durch Einritzungen tragen, die an geflochtene Körbe erinnert – vermutlich hat sich die Töpferei entwickelt, indem die Menschen zunächst ihre Körbe mit Ton auskleideten und abdichteten (ja, und dann war da die ungeschickte Hausfrau, die ihren Korb zu nah ans Feuer stellte, so dass das Geflecht wegbrannte – und hups – was war das? der erste Tontopf!).


steinzeitliche Töpferwaren aus der Zeus-Höhle (Museum Chora)

Die Menschen verarbeiteten Leder und Wolle, sie erfanden das Spinnen und das Weben. Sie stellten einfache Werkzeuge und Gebrauchsgegenstände aus Knochen und Holz her. Schließlich wurde gegen Ende der Jungsteinzeit auch die Metallbearbeitung entdeckt, die ganz neue Möglichkeiten bei der Herstellung von Werkzeugen eröffnete. Mit der Entwicklung von Nadeln, Ahlen, Nägeln, Äxten, Hacken und schließlich auch Sägen nahmen auch andere Handwerkszweige wie die Schreinerei und der Schiffsbau, aber auch die Landwirtschaft einen schnellen Aufschwung. Allerdings waren während der Steinzeit und auch der Bronzezeit Metallgegenstände noch selten und sicherlich auch sehr wertvoll für ihre Besitzer. Möglicherweise ist das ein Grund, weswegen nur so wenig Metallgegenstände aus dieser frühen Zeit erhalten sind: Wegen der Knappheit des Materials wurden die nicht mehr gebrauchten Gegenstände vermutlich meist wieder eingeschmolzen.

Steinzeitliche Funde auf Naxos

Die wichtigsten steinzeitlichen Funde der Insel stammen aus Ausgrabungen in der Zeus-Höhle, die von der jungsteinzeitlichen Epoche an bis in die klassische Zeit genutzt wurde. Es wurden zahlreiche Tierknochen, Samen und Artefakte gefunden, die uns Informationen über die Lebensweise der Menschen in dieser Zeit liefern.


in der Zeus-Höhle

Die Menschen betrieben schon in dieser frühen Epoche eine einfache Landwirtschaft: Sie bauten Gerste, Weizen, Erbsen und Linsen an und ernährten sich von Wildfrüchten wie Feigen, Pflaumen und Weintrauben. Sie hielten schon dieselben Nutztiere wie heute (Ziegen, Schafe, Schweine und Kühe, nur das Huhn fehlte noch; das kam erst zu Beginn der klassischen Antike nach Griechenland). Auch Jagd wurde betrieben: Auf Saliagós wurden Knochen von Dam- und Rothirschen gefunden.

Die steinzeitlichen Benutzer der Zeus-Höhle stellten sorgfältig gearbeitete Werkzeuge wie Messer, Schaber und Speerspitzen aus Obsidian her. Sie webten feine Wollstoffe, verarbeiteten Felle und fertigten Tonwaren von hoher Qualität an. Sie benutzten die ersten Metallwerkzeuge wie Spatel, Ahlen, Nadeln, Messer und Äxte (aus arsenhaltiger Bronze). In der Zeus-Höhle wurde auch eine fein gearbeitete Marmorschale gefunden. Bemerkenswert sind außerdem die aus Stein gefertigten Frauenfiguren, die in Saliagós und Sangrí auf Naxos gefunden wurden und die als direkte Vorläufer der berühmten Kykladenidole der Frühen Bronzezeit anzusehen sind.


Speerspitze aus Obsidian, aus der Zeus-Höhle (Museum Chora)


das steinzeitliche steinerne Idol aus Sangrí (Museum Chora)

Bislang sind nur in Grótta (in der Chóra in der Nähe der Insel „Palátia“ mit dem Apollo-Tempel) Reste einer steinzeitlichen Siedlung auf Naxos entdeckt worden. Einzelfunde von Werkzeugen oder anderen Artefakten kennt man auch aus anderen Regionen der Insel; in der Nähe von Moutsoúna wurde beispielsweise eine Serpentin-Axt gefunden. Wie die reichen Funde aus der Zeus-Höhle zeigen, hat es sicher eine dauerhafte, wenn auch dünne Besiedlung gegeben, von der allerdings kaum Überreste erhalten sind (oder sie sind noch nicht entdeckt worden). Ähnliches trifft auf Milos zu, wo schon um 7.000 v. Chr. in größerem Maßstab Obsidian abgebaut wurde, aber nur sehr wenig Spuren einer Besiedlung in dieser frühen Zeit zu finden sind.

In den Schwemmebenen und Flusstälern an der Ostküste von Naxos kann man fast überall verstreut Obsidian finden, größtenteils Splitter, wie sie bei der Bearbeitung des Materials und der Werkzeug-Herstellung anfallen, manchmal auch Bruchstücke von Klingen oder eine vereinzelte Pfeilspitze. Während Pfeilspitzen, Schaber und andere rundliche oder spitze Obsidian-Werkzeuge auf den Kykladen i. W. als steinzeitlich angesehen werden, stammen die schmalen, teilweise sehr langen Klingen mit parallelen Kanten aus der Frühen Bronzezeit (Kykladenkultur). Gelegentlich werden Bruchstücke von geschliffenen Äxten oder Beilen aus anderem Gestein gefunden (Serpentin, Basalt, Kieselschiefer, Hornstein u. Ä.), die ebenfalls in die Steinzeit zu datieren sind. Tonscherben aus der Steinzeit sind im Vergleich zu Werkzeugen wesentlich seltener anzutreffen – die Töpferei scheint erst in der spätesten Phase der Jungsteinzeit eine größere Verbreitung erhalten zu haben.

Die Beziehungen zu benachbarten Regionen

Die Tongefäße der Zeus-Höhle zeigen in Form und Verzierung Ähnlichkeiten mit Gefäßen der Kephala-Kultur aus Kea und aus Attika sowie anderen westlich benachbarten Gebieten. Noch größer sind die Übereinstimmungen mit Funden von den ostägäischen Inseln, aus Kleinasien und aus der Troas (Nordwest-Kleinasien).

Von besonderer Aussagekraft über die Handelsbeziehungen zu weiter entfernten Gebieten ist ein Stück Goldblech, das in der Zeus-Höhle gefunden wurde und das älteste Goldobjekt von den Kykladen darstellt. Es ist von so großer Ähnlichkeit mit Stücken aus dem berühmten steinzeitlichen Goldschatz von Varna (=Warna) in Bulgarien, dass seine Herkunft von dort als sicher gilt. Umgekehrt fand man auf dem Friedhof in Varna eine Marmorvase und aus Muscheln gearbeiteten Schmuck, die vermutlich von den ägäischen Inseln stammen – Hinweise auf Handelsbeziehungen zwischen den beiden Regionen.


das Goldblech, das in der Zeus-Höhle gefunden wurde (Museum Chora)

Der Übergang zur Bronzezeit

Soweit die bisher bekannten Funde zeigen, vollzog sich der Übergang von der jungsteinzeitlichen zur bronzezeitlichen Kultur allmählich. Fast alle der charakteristischen Artefakte und kulturellen Eigenheiten der Frühen Bronzezeit finden direkte Vorläufer in der Jungsteinzeit. Sicher sind durch Handel und Reisen im Lauf der Jahrhunderte zahlreiche Einflüsse von außen auf die Kykladen gekommen, die sich in den Bräuchen und Handwerkstechniken niedergeschlagen haben, aber es hat keinen Bruch in der Kultur und der Besiedlung gegeben: Die so einzigartige und charakteristische bronzezeitliche Kykladenkultur hat sich aus der jungsteinzeitlichen Kultur derselben Inseln entwickelt, und bei den frühbronzezeitlichen Bewohnern der Kykladen handelte sich aller Wahrscheinlichkeit nach um dasselbe Volk wie in der Jungsteinzeit.

weiter: Die Kykladenkultur

siehe auch:

Zum Weiterlesen:

Zum Inhaltsverzeichnis

verwendete Literatur: Κωνσταντίνος Ζάχος, Αρχαιολογικές έρευνες στο σπήλαιο του Ζα, Η Νάξος δια μέσου των Αιώνων, Πρακτικά του Α Πανελλήνιου Συνεδρίου, Επιμέλεια: Ιωάννης Κ. Προμπονάς, Στέφανος Ε. Ψαρράς, Αθήνα 1994