Ein typisches kykladitisches Dorf zeichnet sich durch seine eng aneinander stehenden, einfachen, etwa würfelförmigen, weiß getünchten Häuser aus.
Hier findet man die Lage der Kalkbrennöfen bei Google Earth.
Dabei ist diese Vorliebe für den weißen Verputz relativ neu; im Mittelalter waren die Häuser der Dörfer unverputzt, damit sie weniger leicht zu sehen und somit weniger durch Piraten gefährdet waren, die große Plage in der Ägäis waren. Aus demselben Grund sind die größeren Dörfer auf den Kykladen auch fast ausnahmslos so gelegen, dass sie vom Meer aus nicht zu sehen waren; Hafensiedlungen sind meist jüngere Ableger der mittelalterlichen Dörfer.
Den für das Weißen der Häuser und der Gassen benötigten Kalk stellten sich die Bewohner der Dörfer früher selbst her. Dazu wurden spezielle Kalkbrennöfen betrieben. An vielen Stellen kann man heute noch die Überreste solcher Brennöfen finden, beispielsweise in der Nähe der Pórta, also am Pass südlich von Koronos, und am Weg zum Zeusgipfel; aber auch bei uns liegt einer ganz in der Nähe der Ferienhäuser.
Die Dorfbewohner errichteten die Kalkbrennöfen, die kamínia, an Stellen, an denen sowohl die geeigneten Steine, eine besondere Art Marmor, zur Verfügung standen, als auch genügend Brennmaterial. Zum Anheizen des Ofens wurden die sehr leicht entzündlichen, dichten Ginsterbüsche (frýgano, Genista acanthoclada = Dorniger Ginster) verwendet. Etwa einen Monat vor dem Betreiben des kamíni, das üblicherweise kurz vor Ostern stattfand, wurden die Ginsterbüsche gerodet und mit großen Steinen beschwert zum Trocknen ausgelegt. Dann trugen die Arbeiter die flachgedrückten stacheligen Sträucher an ihren Stöcken über der Schulter zum kamíni, wo sie zunächst als Windschutz aufgeschichtet wurden.
Heute bildet der Dornige Ginster an vielen Stellen in der Bergregion dichte Bestände, in denen kaum andere Pflanzen wachsen können, und die oft fast undurchdringlich sind. Besonders dominant ist er an der Pórta und auf dem Mávro Voúni, der östlichen, höchsten Spitze des Koronos-Rückens; aber auch am Zeus und in vielen anderen Gegenden kommt er häufig vor.
Im späten Frühjahr, wenn der Ginster blüht, verwandeln sich diese Gebiete in ein gelbes, intensiv duftendes Blütenmeer.
Ansonsten sind sie aber wenig attraktiv, besonders für den Wanderer, der sich einen Weg durch sie zu bahnen versucht. Die dichten Ginsterbestände werden von den Hirten regelmäßig abgebrannt, damit wieder frisches Kraut aufkommen kann und die Ziegen und Schafe Nahrung finden.
Entsprechend des hohen Bedarfs an Ginster nicht nur für die Kalkbrennöfen, sondern auch für die Öfen der Töpfer sowie der Bäcker, aber auch die Backöfen der Haushalte, gab es früher viel weniger Ginster als heute auf der Insel; oft mussten die Dörfler weite Strecken laufen, um Ginster zu ernten.
Die Kalkbrennöfen wurden stets an derselben Stelle errichtet, wobei ein immer wieder verwendetes, rundes Mauerwerk benutzt wurde, dass etwa wie ein Windmühlenstumpf aussah. In diesem Gemäuer wurde eine zweite dicke Mauer aus den zu brennenden Kalksteinen aufgeschichtet, die nach oben hin kuppelförmig geschlossen wurde. Unten blieb in der Mitte ein großer Hohlraum für das Feuer; an einer Seite wurde eine Öffnung für das Einschieben der Ginstersträucher gelassen. Oben auf die Kuppel schaufelten die Dörfler eine Schicht von kleineren Steinen und Kieseln.
Der Brennofen musste zwei Tage und Nächte lang ununterbrochen mit frýgana befeuert werden. Der Kalk war fertig, wenn die Kuppel einsank. Wenn der Ofen abgekühlt war, wurde er aufgebrochen, und jeder Arbeiter erhielt seinen Anteil an Kalk in Form großer Brocken, die er zu Hause an einem trockenen Platz aufbewahrte.
WWenn der Kalk verwendet werden sollte, vermischte man ihn mit Wasser und trug ihn dann mit einer Bürste aus Binsen auf die Wände auf. Der Kalk war stark ätzend, schäumte mit Wasser gewaltig auf und wirkte desinfizierend. Ein stets schön und sauber geweißtes Haus war der Stolz jeder Hausfrau. Viele Frauen weißten ihre Häuser, die kleinen Vorhöfe und auch die Gasse vorm Haus jede Woche. Die Häuser wurden die weiße Farbe aufgrund der Reflektion der Sonnenstrahlung im Sommer außerdem deutlich kühler gehalten.
Kalkbrennöfen wurden auf Naxos bis in die sechziger, teilweise auch die siebziger Jahre hinein betrieben.
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