Das Infralitoral beginnt an der unteren Wasserlinie, das heißt ab dem ständig untergetauchten Bereich der Küste. Es reicht bis zu der Tiefe, in der lichtliebende Arten wie das Seegras und viele Algenarten nicht mehr gedeihen können. Entsprechend seiner großen Ausdehnung und der Tatsache, dass die Organismen hier keinem Trockenfallen ausgesetzt sind, ist das Infralitoral viel artenreicher als die darüber gelegenen Zonen. Innerhalb des Infralitorals gibt es sehr verschiedene Lebensräume, die vor allem durch den Untergrund charakterisiert sind und von sehr unterschiedlichen Organismen bewohnt werden: Felsregionen, Geröll-, Kies-, Sand- und Schlammböden.
1.: Felsregionen:
Die Felsen im Infralitoral sind an den meisten Stellen von unzähligen Organismen fast lückenlos besiedelt. Die Algenbestände der Meeres sind von ganz entscheidender Bedeutung nicht nur für das Ökosystem Meer, sondern für den ganzen Planeten: Sie produzieren beispielsweise die Hälfte des Sauerstoffes der Atmosphäre, und ihre Produktivität kann die eines Regenwaldes erreichen. Die Algengärten des Mittelmeeres sind deutlich schwächer ausgebildet und weniger produktiv als die Algen- und Tangwälder der polnäheren, kalten und nährstoffreichen Ozeane. Trotzdem spielen auch sie eine ganz entscheidende Rolle im Ökosystem und bieten zahlreichen tierischen Organismen Versteck, Nahrung und Lebensraum: Es ist ganz erstaunlich, was alles in den Algen lebt. Den Artenreichtum der Algenbestände kann man nur dann erahnen, wenn man die darin lebenden Organismen mit einem Kescher herausfischt, da viele Arten so gut getarnt sind, dass sie anders kaum zu entdecken sind.
Wie auch im untersten Bereich des Mesolitorals gibt es einen deutlichen Unterschied im Bewuchs zwischen Schiefer- und Marmorfelsen. Auf Schiefer sind die Braunalgen Ährentang (Cystoseira), Trichteralge (Padina pavonina) und Gabelzunge (Dictyota dichotoma) besonders typisch, aber auch manche Rotalgen wie das feine Korallenmoos (Jania rubens). Hier wirken die Algenbestände entsprechend der geringeren Artenzahl oft ein wenig eintönig.
Algenbestände im Infralitoral: auf Schiefer überwiegen Ährentang und Trichteralge
Die großen Ährentang-Arten sind oft von zahlreichen kleineren epiphytischen Algen bewachsen; sie bieten einen Lebensraum für unzählige kleine Tiere.
Auf Marmor wachsen dagegen besonders artenreiche Algenbestände, in denen vor allem strauchige, nicht verkalkte Rotalgen als auch Kalk-Rotalgen. Je nach Standortfaktoren wie Wellenexposition und Lichtangebot überwiegen jeweils andere Arten. Viele der Algenarten kommen auch in den unteren Bereichen des Mesolitorals vor. (Die auf die tieferen Regionen beschränkten Arten kann ich hier leider nicht vorstellen, da ich nur von Land aus fotografiere.)
artenreiche Bestände auf Marmorfels in den obersten Regionen des Infralitorals
Im Meso- und im Infralitoral kommen auf Marmor oft die gleichen Rotalgen-Arten vor.
Besonders viel Spaß macht es die unzähligen Tierarten, die im Infralitoral vorkommen, zu entdecken. Vor allem an den weniger dicht von Algen bewachsenen Stellen kann man interessante Tiere finden. Besonders auffällig und charakteristisch sind die Schwämme, die Seeigel und Seesterne, die Seegurken sowie zahlreiche Fischarten wie die Sägebarsche, Ringelbrassen, Gelbstriemen, Goldstriemen, Mönchsfische, Meeräschen, verschiedene Lippfische, die farbenprächtigen Arten Meerjunker und Meerpfau und verschiedene Grundel- und Schleimfisch-Arten.
Schwarze Seeigel im flachen Wasser
Dornenstern
Seegurke
Schwämme an beschatteter Felswand
Ein Schwarm von jungen Meeräschen weidet den Algenbelag auf den Steinen ab.
Unauffälliger, aber ebenfalls charakteristisch sind Arten wie die Siebanemone (Aiptasia mutabilis), die kleine Korallenart Balanophyllia europaea, Hydrozoa beispielsweise der Gattung Aglaophenia, Würmer wie die Kalkröhrenwürmer Protula tubularia und Bispira volutacornis und der Feuerwurm Hermodice carunculata, verschiedene Schnecken- und Muschelarten, diverse Krebse und Garnelen wie die Felsengarnele (Palaemon spec.) und die selteneren Seescheiden.
Siebanemone
Felsengarnele
kleine Nacktschneckenart (Aplysia parvula?)
Das Tarentinische Bündelhorn(Facsiolaria lignaria) lebt in dichten Algenbeständen.
Nur selten kann man einen Kalkröhrenwurm von der Oberfläche aus entdecken.
Den Feuerwurm sollte man lieber nicht berühren!
Nicht vergessen werden sollen auch die vielen Organismen, die im Stein leben, wie die Bohrschwämme (z.B. Cliona celata), und von denen man deswegen meist gar nichts zu sehen bekommt außer vielleicht bei genauem Hinschauen die winzigen Ausströmöffnungen, die aus den Löchern im Gestein schauen. Nur mit großem Glück kann man eine im Gestein bohrende Muschel entdecken. Spuren von der Existenz der Steinbohrer findet man in den Kieseln des Strandes, von denen viele an ihrer Oberfläche siebartig durchlöchert sind.
Bohrschwamm
Die beschriebene Lebensgemeinschaft des Infralitorals tritt in tieferen Bereichen, die nicht mehr vom Wellengang beeinflusst werden, nur an mehr oder weniger geneigten oder senkrechten (oder natürlich überhängenden) Felswänden auf; die waagerecht liegenden Flächen sind den ständig im Meer absinkenden Feinsedimenten ausgesetzt, die dauerhaften Bewuchs erschweren. Viele der Algen- und auch der Tierarten sind je auf eine mehr oder weniger enge Zone im Infralitoral beschränkt, die meist durch das Lichtangebot definiert wird.
Von den sessilen Arten der Felsböden sind viele ungenießbar, so dass sie sich kaum vor Fressfeinden zu sorgen brauchen. Sie haben dementsprechend oft auffallende Farben so wie die Seesterne, die Pferdeaktinie, viele Schwämme sowie die kleinen, parasitisch auf ihnen lebenden, wunderschönen Nacktschnecken. Andere Arten sind in ihrer Färbung dem Untergrund so gut angepasst, dass sie kaum zu entdecken sind wie das Meerohr Haliotis lamellosa, eine flache Schneckenart, von der man meist nur die von innen herrlich perlmutterne Schale findet, der Drachenkopf (Seeskorpion, Fischart), viele Schleimfische und Grundeln sowie die Garnelen. Manche kleinen Krebsarten wie Pisa und Maja verrucosa leben in dichten Algenrasen verborgen und tarnen sich sogar durch Algen, die sie auf ihrem Rücken anpflanzen, so dass sie lebendig kaum zu entdecken sind.
2.: Geröll- und Kiesböden
Geröllböden bestehen aus größeren Steinen, die nicht fest sitzen, sondern (in den flacheren Regionen des Meeres) von der Brandung umhergerollt werden können. In größeren Tiefen werden die Steine der Geröllböden nur bei starken Stürmen bewegt. Entsprechend werden sie den Sommer über von einem nicht sehr attraktiv aussehenden, aber natürlichen Bewuchs aus schnellwüchsigen, nicht verkalkten Algen bedeckt, der bei den starken Winterstürmen wieder abgerieben wird. Die Tierwelt dieser Geröllbereiche ist der der Felsböden ähnlich, was die beweglichen Arten wie Fische, Schnecken, Seeigel und Seesterne betrifft; sessile Arten fehlen jedoch weitgehend. Einen Übergang zu den Sandböden und somit einen Zwischenzustand, was die Fauna und Flora betrifft, bilden die Kiesböden.
Böden mit Geröll tragen meist nur einen unattraktiv wirkenden Bewuchs aus kleinen, schnellwüchsigen Grünalgen.
3.: Sandböden
Auch die im Einflussbereich der Wellenbewegung liegenden Sandböden tragen aufgrund der ständigen Bewegung des Substrates keinen Pflanzenbewuchs und natürlich auch keinen Bewuchs durch festsitzende Tiere. Ab einigen Metern Tiefe treten hier allerdings oft die Seegras-Arten auf, die an vielen Stellen auf Sand dichte Wiesen bilden. Auch bewegliche Tiere sind auf diesen Böden nur in geringen Zahlen zu beobachten. Am häufigsten sind schon direkt am Strand die Fischarten Weitäugiger Butt, Meerbarbe, Marmorbrasse und das hervorragend getarnte kleine Petersmännchen. In größeren Tiefen kann man mit etwas Glück einem Rochen begegnen.
Sandböden sind allerdings wesentlich reicher an Organismen als man von oben sehen kann: Die meisten Tiere leben eingegraben im Untergrund wie beispielsweise viele Krebsarten: Diese kann man nur zufällig einmal entdecken, wenn sie den Sand kurzzeitig verlassen. Weitere Tiere der Sandböden, die man aber kaum jemals zu Gesicht bekommt, sind eingegraben lebende Muschel-, Schnecken- und Wurmarten, Herzseeigel und manche Seestern-Arten. Außerdem wohnt im Boden eine interessante, aber nur mit speziellen Mitteln zu untersuchende mikroskopische Sandlücken-Fauna.
Weitäugiger Butt
Skelett vom Kleinen Herzigel (Echinocardium cordatum)
4.: Schlammböden
Mit feinem Schlamm bedeckte Böden kommen vor allem an den Mündungen großer Flüsse und in größeren Meerestiefen vor, wo sie sich aus dem ständig absinkenden feinen Sediment bilden. Sie sind artenärmer als die Sandböden, da in ihnen die Zwischenräume zu klein für die Sandlückenbewohner sind. Außerdem kann wegen der feinen Korngröße keine Wasserzirkulation im Boden stattfinden, so dass es auch an Sauerstoff mangelt. Entsprechend werden Schlammböden außer von einigen in sie eingegrabenen Würmern meist vor allem von Bakterien bewohnt, die bei Sauerstoffmangel übelriechendes Faulgas produzieren. Auf den Schlammböden des offenen Meeres leben diverse Detritusfresser (Seegurken, Fischarten, Krebse usw), die sich von alle möglichen organischen Resten, die auf den Boden sinken, ernähren.
Die Seegraswiesen werden auf einer eigenen Seite abgehandelt.
mehr Unterwasserfotos findet man hier:
weiter: Das Circalitoral
siehe auch: