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Quallen

Quallen kommen bei uns in Azalas nur selten vor. Gelegentlich sieht man im Frühsommer im offenen Wasser kleine durchsichtige Quallen treiben; diese werden aber nur sehr selten bei uns in die Bucht getrieben. Diese kleinen Quallen nesseln nicht und sind für den Menschen ungefährlich. Andere Quallenarten können kleinere oder manchmal auch gefährliche Verbrennungen hervorrufen: Sie besitzen Nesselzellen, die sehr wirksame haut- oder nervenschädigende Gifte enthalten.

Was tun bei Kontakt mit einer Qualle?

Gleich als erstes: Bei Kontakt mit den – oft fast unsichtbaren – Nesselfäden der Qualle (oder Seeanemone) gilt es als erstes, die anhaftenden Tentakel zu entfernen, ohne dass weitere Nesselzellen explodieren. Das beste Verfahren dazu ist umstritten und vermutlich je nach Quallenart unterschiedlich. Man sollte die betroffene Stelle vorsichtig mit Meerwasser abwaschen (NICHT mit Süßwasser!) und anhaftende Fäden mit einem glatten Gegenstand wie einer Kreditkarte oder einem Messerrücken abschaben. Was die Behandlung mit Essig betrifft, gehen die Meinungen auseinander. Es gibt Anleitungen, die empfehlen, nicht Essig, sondern Meerwasser mit Backsoda (1:1) anzuwenden. Auch Kühlen scheint nicht die richtige Methode zu sein – durch Hitze werden die Gifte schneller unschädlich gemacht; Kühlen kann aber helfen, um starke Schmerzen zu lindern. Bei größeren Verbrennungen ist es immer wichtig, viel Wasser zu trinken. Im Zweifelsfall, besonders bei länger anhaltenden Beschwerden, sollte man natürlich einen Arzt aufsuchen.

Systematik der Quallen

Die meisten Quallen gehören zu den Nesseltieren (gemeinsam mit den Korallen und Seeanemonen). Die Nesseltiere zeichnen sich durch einen Generationswechsel aus, bei dem sich eine frei im Plankton treibende Medusen- (=Quallen-) und eine sessile Polypengeneration abwechseln; bei vielen Nesseltieren fehlt aber die Medusen- oder die Polypengeneration oder ist sehr reduziert. Die Generationen sind in Aussehen und Lebensweise so unterschiedlich, dass sie ursprünglich oft als verschiedene Arten beschrieben worden sind. Oftmals ist auch nur eine der beiden Formen bekannt. Generell ist unser Wissen über viele Quallengruppen und -arten ihrer pelagischen Lebensweise entsprechend noch recht lückenhaft.

Viele meist sehr kleine Quallen gehören zur Klasse der Hydrozoen („Hydromedusen“), deren sessile Polypen meist in Kolonien wachsen, während die Medusengeneration frei im Plankton treibt, aktiv schwimmt oder bei einigen winzigen Formen im „Sandlückensystem“ des Meeresbodens lebt. Zu den Hydrozoen werden auch die Staatsquallen gerechnet, bei denen es sich um im Meer treibende Kolonien von aneinander wachsenden Polypen handelt. Die einzelnen Polypen sind dabei so weit spezialisiert (z.B. Fresspolypen, Deckpolypen, Wehrpolypen, Geschlechtspolypen), dass man sie fast als Organe eines Gesamtorganismus ansehen muss.

Hydromeduse
Bei dieser nur etwa einen Zentimeter großen Qualle handelt es sich vermutlich um eine Hydromeduse.

Zwei weitere, nur wenige Arten umfassende Gruppen sind die kleinen Stielquallen (Staurozoa), die ein Mittelding zwischen Qualle und Polyp sind und meist auf dem Meeresboden festsitzen, und die tropischen Würfelquallen (Cubozoa), aktive Schwimmer, von denen einige Arten sehr gefährliche Gifte besitzen.

Die Arten, an die man üblicherweise denkt, wenn von Quallen die Rede ist, gehören zu den Schirmquallen (Scyphozoa), die etwa 200 Arten umfassen. Auch diese besitzen eine Polypen-Generation. Die Polypen leben meist einzeln festsitzend auf dem Meeresboden; bei manchen Arten sitzen sie an der Quallengeneration fest. Die Schirmquallen treiben im Plankton der küstennahen Meeresgebiete, seltener der Hochsee, oder bewegen sich aktiv durch rhythmische Kontraktion fort.

Körperbau und Lebensweise der Quallen

Die Schirmquallen sind meist einige Zentimeter bis Dezimeter groß; einige Arten können bis zu zwei Meter Durchmesser erreichen. Sie besitzen einen rundlichen Schirm, der aus einer oberen und einer unteren Zellschicht sowie einer gallertigen, zellfreien Masse dazwischen besteht. Vom Rand und von der Unterseite des Schirms (um die zentrale Mundöffnung) hängen von Art zu Art unterschiedlich gestaltete Tentakeln herab. Quallen besitzen ein sehr einfaches Verdauungs- und Nervensystem und wenige simple Sinneszellen oder -organe. Meist sind sie getrenntgeschlechtlich; Eier und Spermien werden ins Wasser abgegeben. Die Fortbewegung erfolgt passiv durch Treiben in der Meeresströmung oder aktiv nach dem Rückstoßprinzip durch Kontraktion des Schirmes. Die Tentakeln, die manchmal als sehr lange, dünne Fäden hinabhängen, besitzen Nesselzellen, die bei Berührung „explodieren“. Bei vielen Arten können die Nesselfäden die menschliche Haut nicht durchdringen, andere reizen die Haut ähnlich wie eine Brennessel, während manche lästige oder sogar gefährliche Lähmungen und Wunden hervorrufen können.

Quallen ernähren sich meist von kleinen Lebenwesen des Planktons, die sie mit ihren Tentakeln einfangen. Die Beute bleibt an den Fangfäden haften und wird dann durch Wimpernschlag der Zellen der Tentakeln oder durch Verkürzung der Tentakeln zur Mundöffnung transportiert und aufgenommen. Größere oder beweglichere Arten sind in der Lage kleine Fische zu erbeuten. Natürliche Feinde sind beispielsweise die Meeresschildkröten, die sich besonders gern von Quallen ernähren und auch die stark nesselnden und mit gefährlichen Giften ausgestatteten Arten problemlos verzehren können.

Quallen sind dem Menschen häufig lästig, besonders wenn es zu einem massenhaften Auftreten kommt, so dass die Badestrände beeiträchtigt werden. In manchen Gegenden, so auch im Mittelmeer, kommt es in der letzten Zeit häufiger zu Massenvermehrungen von Quallen, was vermutlich mit der Erwärmung der Meere und mit Überfischung zusammenhängt. Auch Fischern können Quallen lästig werden, weil sie die Netze verstopfen. Giftige Arten können in Fischzuchtanlagen größere Schäden anrichten. Manche Arten können so häufig werden und sind so effektive Nahrungskonkurrenten, dass sie beträchtliche Schäden für die Fischerei verursachen können. Man sollte jedoch nicht vergessen, dass die Quallen als Bestandteil des natürlichen Ökosystems auch eine wichtige Rolle im Gleichgewicht des Meeres spielen und „dazugehören“. Einige Arten werden ausgiebig in der Zell- und Molekularforschung verwendet, und neuerdings wird ihre mögliche Rolle als Kollagenlieferant untersucht, sowie eine Nutzung für Filter, mit denen das Meer von Mikroplastik und ähnlichen verunreinigenden Stoffen gesäubert werden kann.

Quallenarten bei uns

Im Mittelmeer gibt es zahlreiche Quallenarten, von denen man jedoch die meisten kaum einmal zu Gesicht bekommt, weil sie in der offenen See leben.

unbestimmte Qualle

unbestimmte Qualle
Diese etwa 4 Zentimeter große, nicht nesselnde Qualle wird im Frühjahr gelegentlich an den größeren Sandstränden von Naxos angetrieben.

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Schirmquallen, Scyphozoa

Spiegeleiqualle, Cotylorhiza tuberculata

Die Spiegeleiqualle, deren Schirm einen Durchmesser von 40 cm erreichen kann, ist für den Menschen ungefährlich: Ihre Nesselfäden können unsere Haut nicht durchdringen. Sie ist bei uns im offenen Wasser gelegentlich anzutreffen; in Küstennähe tritt sie nur sehr selten auf.

Spiegeleiqualle, Cotylorhiza tuberculata
Die Spiegeleiqualle ist aufgrund ihrer gelben Färbung leicht im Meer zu entdecken. Sie kann durch Kontraktion des Schirms aktiv schwimmen. Oft wird sie – wie wir auch beobachten konnten – von kleinen Fischchen begleitet, die unter ihrem Schirm Schutz suchen.

Spiegeleiqualle, Cotylorhiza tuberculata
In der Mitte des gelblichen Schirms befindet sich eine halbkugelige, dotterfarbene Aufwölbung, von der sich der Name ableitet.

Spiegeleiqualle, Cotylorhiza tuberculata
Vom Schirm hängen acht größere und zahlreiche kleinere, verzweigte Arme herab, die in kräftig lila gefärbten Knöpfen enden.

Spiegeleiqualle, Cotylorhiza tuberculata
Hier sieht man die Tentakel im Detail.

Leuchtqualle, Pelagia noctiluca

Die Leuchtqualle gehört zu den Feuerquallen und besitzt auch für Menschen unangenehme, jedoch nicht lebensgefährliche Nesselzellen. Ihren Namen hat sie davon, dass sie nachts ein schwaches Leuchten abgeben kann. Bei uns kommt sie eigentlich nicht vor; jedoch hatten wir dieses Jahr (2021) das erste Mal eine Quallenplage auf Naxos, bei der an einem Tag einige Exemplare auch in unserere Bucht getrieben wurden; glücklicherweise war es schnell wieder vorbei. Diese Qualle schwimmt vor allem knapp über dem Meeresboden, wodurch sie noch schwerer zu entdecken ist.

Leuchtqualle, Pelagia noctiluca
Die Leuchtqualle ist recht klein und leicht zu übersehen. Sie ist schwach rötlich gefärbt und besitzt einen stark gewölbten Schirm von höchstens 10 cm Durchmesser und 4 kräftige Mundtentakeln. Diese Art besitzt Nesselfäden, die auch beim Menschen Nesselungen verursachen. An den Fäden dieser Qualle sieht man einen kleinen gefangenen Fisch hängen, dern nun allmählich zur Mundöffnung an der Unterseite des Quallenkörpers transportiert wird.

Leuchtqualle, Pelagia noctiluca
Bei dieser Art sind die Nesselfäden bis zu 1 m lang; sie sind sehr dünn und schwer zu sehen.

Leuchtqualle, Pelagia noctiluca
Am Tag der Quallenplage haben wir die Leuchtquallen in unserer Bucht mit Keschern eingesammelt. Hier sieht man sie im Eimer. Die Schirme zeigen ein hübsch geschwungenes rötliches Band.

Rippenquallen

Es gibt auch als Quallen bezeichnete Organismen, die nicht zu den Nesseltieren gehören: die Rippenquallen (Ctenophora), die einen eigenen Tierstamm stellen. Sie besitzen einen ähnlichen Körperbau wie die übrigen Quallen, sind durchsichtig und gelatinös und tragen Tentakeln. Charakteristisch sind Längsstreifen auf dem Körper (die „Rippen“), die von winzigen Geißeln bedeckt sind, mithilfe derer die Qualle sich fortbewegt. Man weiß nicht sehr viel über die etwa 100 Rippenquallen-Arten, die bislang beschrieben sind; unter anderem deswegen, weil sie so fragil sind. Wie andere Quallen ernähren sich die Rippenquallen von Plankton und kleinen Tieren, die sie recht effektiv mit ihren Klebzellen fangen. Die Angehörigen der Gattung Haeckelia ernähren sich ausschließlich von anderen Quallen und „stehlen“ deren unbeschädigte Nesselzellen und bauen sie in ihre eigenen Tentakel ein, so dass man sie früher bei den Nesseltieren einordnete.

Venusgürtel (Cestum veneris)

Zu den Rippenquallen gehört der merkwürdige Venusgürtel (Cestum veneris), der aussieht wie ein durchsichtiges gelatinöses Band mit einer Mittellinie. Am Oberrand des „Gürtels“ sitzen die mit Geißeln besetzten Plättchen, mit deren Hilfe der Venusgürtel sich fortbewegt, und am Unterrand die Mundrinne, die von Tentakeln umgeben ist. Die Tentakel können zum Beutefang stark getreckt werden; die Qualle legt sie dazu an die Körperoberfläche, so dass diese gänzlich klebrig wird. An sich schwimmt der Venusgürtel steif und lineal-artig im Meer; bei Störung macht er jedoch Schlängelbewegungen.

Venusgürtel (Cestum veneris)
Wir fanden dieses Exemplar des Venusgürtels (der durchsichtige „Plastikstreifen“ der mit dem Messer hochgehalten wird) im flachen Wasser bei den Mákares-Inseln, und konnten uns gar nicht vorstellen, dass es sich tatsächlich um ein lebendes Wesen handelt!

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siehe auch:

Viele Informationen in diesem Artikel stammen aus dem Buch: Robert Hofrichter (Hrsg): Das Mittelmeer, Fauna, Flora, Ökologie, Band II, 1: Bestimmungsführer

zum Weiterlesen:

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