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Das Lebensformenspektrum von Naxos

Von großer Aussagekräftigkeit über die Vegetation eines Gebietes ist das sogenannte Lebensformenspektrum. Die Pflanzen werden eingeteilt in folgende Lebensformen:

Das Lebensformenspektrum von Naxos

Im Lebensformenspektrum von Naxos stellen den weitaus größten Anteil, nämlich 50%, die Therophyten, das heißt die einjährigen Pflanzen, die die kurzfristig günstigen Bedingungen nach den Regenfällen ausnutzen. Die Artenzahl der Therophyten kann auch oder gerade bei ansonsten lückiger und spärlicher Vegetation sehr hoch sein, da sich auf kleinstem Raum eine ganze Anzahl der kurzlebigen Arten abwechseln und nacheinander ablösen können.

artenreiche Trockenwiese mit vielen Therophyten

Therophytenbestand auf Kap Stavros

Den zweitgrößten Anteil stellen die Hemikryptophyten (Stauden) mit 23%. Diese Arten sind zwar mehrjährig, ihre oberirdischen Teile sterben jedoch während der ungünstigen Jahreszeit (dem Sommer) ab, und es überdauern nur die unterirdischen Teile. Die Pflanzen treiben aus an der Erdoberfläche gelegenen Erneuerungsknospen im Laufe des Winterhalbjahrs wieder aus. Viele Stauden sind zweijährige Pflanzen, die im ersten Jahr eine Rosette bilden und im zweiten Jahr den Blütenstand treiben.

viele der großen Gräser sind Hemikryptophyten

Hemikryptophyten in einem schattigen Hochtal

Auch bei den Geophyten (Zwiebel- und Knollenpflanzen), die mit 13% ebenfalls einen großen Anteil an der naxiotischen Flora stellen, sterben die oberirdischen Pflanzenteile im Sommer ab. Sie überwintern in Zwiebeln oder Knollen unterhalb der Erdoberfläche und treiben oft schon früh im Herbst nach den ersten Regenfällen wieder aus.

nach den ersten Regenfällen im Herbst

artenreiche Wiese mit vielen Geophyten

8% der Pflanzen sind Chamaephyten (Zwergsträucher; 74 Arten). Die Zwergsträucher spielen damit vergleichsweise eine große Rolle im Artenspektrum; sie sind als ausdauernde Pflanzen, die eine Sommerpause einlegen, ganz besonders gut an das Mittelmeerklima angepasst.

typische Zwergstrauchvegetation am Zeus-Berg

blühende Phrygana mit Zistrosen

Nur 5% der naxiotischen Arten sind Phanerophyten (große Sträucher und Bäume; immerhin 45 Arten). Viele Bäume sind immergrüne Hartlaubgewächse. Laubabwerfende Arten kommen nur in den höheren Lagen oder entlang der Wasserläufe vor. Zu den Phanerophyten zählen auch die großen Sträucher und die Lianen.

artenreicher Wald mit vielen Baumarten und großen Sträuchern

Eichenwald bei Komiakí

Hydrophyten (Wasserpflanzen) sind nur mit 1% der auf Naxos nachgewiesenen Arten vertreten.

Wasserhahnenfuß – einer der wenigen echten Hydrophyten auf Naxos

Zartes Hornblatt in einem kleinen Quellteich

Ähnliche Lebensformenspektren wie das von Naxos weisen Gebiete mit Wüsten- oder Halbwüstenvegetation z.B. in Nordafrika auf. Der hohe Anteil an einjährigen Pflanzen wird sicherlich außer durch die Trockenheit auch dadurch bedingt dass mit dem Ackerbau über die letzten Jahrtausende viele kurzlebigen Ackerunkräuter auf die Insel gekommen sind.

Vier Strategien der Pflanzen

Man kann entsprechend der Lebensformen vier unterschiedliche Strategien unterscheiden, mit denen sich die Pflanzen an die speziellen Bedingungen des Mittelmeergebietes wie Sommertrockenheit, Beweidung und Feuer angepasst haben.
1. Strategie: Die einjährigen Pflanzen (Therophyten, Annuelle) umgehen das Problem der Trockenheit, indem sie nur während der günstigen Jahreszeit gedeihen. Sie stecken ihre Energie in die schnelle Produktion von vielen Samen. Vor Beweidung schützen sie sich oft nur unvollkommen (viele wachsen rosettig, einige haben Dornen) und versuchen meist einfach aufgrund ihrer hohen Individuenzahl und des schnellen Wachstums zu überleben.
  • Auf aufgelassenen Feldern wachsen oft zahlreiche Therophyten.
  • Der Feldklee ist ein typischer Therophyt, der ganz auf die schnelle Produktion von Samen eingerichtet ist.
  • Dasselbe gilt für die Hundskamillen, die oft dichte Bestände bilden.
  • Unter ungünstigen Bedingungen bilden die Therophyten nur winzigste Pflanzen, die es trotzdem schaffen, eine Blüte zu bilden.
2. Strategie: Die Geo- und Hemikryptophyten überdauern in ihren unterirdischen Teilen. Das gibt ihnen im Herbst einen Startvorteil gegenüber den Annuellen; oft treiben sie nach den ersten Regenfällen sofort die Blüten, während die Blätter erst später erscheinen. Da sie so in der Jahreszeit blühen, in der die viel zahlreicheren Annuellen noch nicht erschienen sind, haben sie eine bessere Chance bestäubt zu werden (und bieten den Bienen und anderen Insekten auch im Herbst und frühen Winter eine Nahrungsquelle). Die Geophyten müssen sich besser gegen Beweidung schützen als die kurzlebigen Therophyten: Oft haben die steife, wenig wohlschmeckende Blätter und viele Arten sind giftig. Sie besitzen Knollen oder Zwiebeln zur Speicherung von Nährstoffen für die ungünstige Jahreszeit. Auch diese Speicherorgane enthalten oft Giftstoffe, damit sie nicht gefressen werden, insbesondere bei den Arten, bei denen sie nahe an der Oberfläche liegen.
  • Der Affodill ist ein typischer Geophyt mit ungenießbaren Blättern und Speicherwurzeln.
  • Da sie giftig ist, kann die Meerzwiebel sich auch auf stark beweideten Flächen oft in großer Anzahl halten.
  • Bei den Rosettenpflanzen wie diesem Wegerich. liegen die Blätter zum Schutz vor Beweidung dicht dem Boden an.
  • Andere Arten wie die Griechische Lotwurz versuchen sich durch starke Behaarung oder Stacheln zu schützen.
3. Strategie: Die Zwergsträucher (Chamaephyten) und Sträucher sind mehrjährige Pflanzen, die oberirdisch überdauern. Sie überstehen den trockenen Sommer, indem sie durch Abwerfen oder Welken der Blätter eine Sommerpause einlegen. Sie bilden kein sehr tiefes Wurzelsystem aus, sondern versuchen, die Regenfälle schnell durch ein dichtes oberflächliches Wurzelnetz auszunutzen. Als Schutz vor der Beweidung sind fast alle Arten dornig, giftig, stark aromatisch oder stark behaart. Oft vermehren sie sich durch Samen, teilweise aber auch vegetativ. Gegenüber den Bäumen sind die Zwergsträucher nur begrenzt konkurrenzfähig: Im Schatten von Bäumen können sie nur schlecht gedeihen. Manche Arten wie die Zistrose helfen ihrer Vermehrung dadurch nach, dass sie Brände fördern: Sie sind sehr leicht entflammbar und keimen nach einem Feuer schnell wieder aus, so dass sie sich in den ersten Jahren nach dem Brand schnell ausbreiten, bis sie nach und nach wieder von größeren Sträuchern und Bäumen ersetzt werden.
  • Phrygana im Frühling
  • Dieselbe Stelle im Spätsommer: Die Zwergsträucher haben ihre Blätter abgeworfen.
  • Die Zistrose fördert Brände durch ihren hohen Gehalt an leicht entflammbaren ätherischen Ölen.
4. Strategie: Die Bäume (Phanerophyten) bilden einen hohen Stamm, mittels dessen sie sich der Gefahr der Beweidung entziehen können. Ihre Blätter werden meist gern gefressen; nur wenige Arten sind stachelig. Viele Arten des Mittelmeerraumes sind immergrün; an den feuchteren oder höher gelegenen Standorten kommen auch sommergrüne, laubabwerfende Arten vor. Bäume können nur an Standorten gedeihen, an denen der Boden so tief zu durchwurzeln ist, dass sie auch den Sommer über genügend Wasser erreichen. Dass es keine Baumarten gibt, die wie die Zwergsträucher im Sommer eine Pause einlegen und die Trockenheit durch Abwerfen der Blätter überdauern, liegt vermutlich daran, dass sie aufgrund ihres beträchtlich längeren Generationszyklus noch nicht ausreichende Zeit hatten, sich an das Mittelmeerklima anzupassen, das sich erst seit etwa 7000 Jahren herausgebildet hat. Feuer können die Baumarten entsprechend ihrer tiefen Wurzeln meist recht gut überdauern; sie haben generell eine hohe Fähigkeit zum Wiederausschlagen. Durch Samen vermehren sie sich oft nur in größeren Abständen in günstigen Jahren.
  • Entlang der Flussläufe wachsen Auwälder aus laubabwerfenden Arten wie Platane und Erle.
  • In trockeneren Lagen, insbesondere auf Marmor, gedeihen Hartlaubgehölze wie Kermeseiche, Steinlinde und Wilde Olive.