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Das frühbronzezeitliche Heiligtum Koryfi t’Aroniou

Im Südosten von Naxos, etwa drei Kilometer nördlich von der Bucht Pánormos mit der kleinen frühbronzezeitlichen Akropolis am Korfári ton Amygdalión, befindet sich eine kleine Anlage aus derselben Zeit, die als Heiligtum interpretiert wird. Sie liegt auf einem steilen, etwa kegelförmigen Hügel von ungefähr 80 Meter Höhe namens Koryfí t’Aronioú. Es sind nur wenige Mauer- und Gebäudereste erhalten. Die bedeutendsten Artefakte, die hier gefunden wurden, sind mehrere heute im Museum von Apíranthos ausgestellte Steinplatten mit eingeritzten Darstellungen von Menschen, Tieren und Booten. Es handelt sich (wenn die Interpretation richtig ist) um das einzige bekannte Heiligtum der Kykladenkultur, abgesehen vom bedeutenden „marinen“ Heiligtum auf Kéros.


Auf diesem etwa kegelförmigen, steilen Hügel liegen, von unten kaum zu sehen, die Überreste eines kleinen frühbronzezeitlichen Heiligtums.


Der Gebäudekomplex ist von mehreren Mauern umgeben, die ursprünglich wohl eine Wehranlage darstellten. Hier der Eingang.

Die kleine Gebäudeanlage wurde vom griechischen Archäologen Chr. Doumas ausgegraben (ebenso wie die Akropolis von Pánormos). Sie stammt, wie aus der Bauweise und der gefundenen Keramik ersichtlich, aus der letzten Phase der Frühen Bronzezeit (Kykladenkultur), also von etwa 2.300 v. Chr. Damit ist sie gleichaltrig wie die kleine Festung von Pánormos, eine aus etwa zwanzig winzigen Räumen bestehende Wehranlage, in die sich die Anwohner der Umgebung bei Piratenangriffen zurückziehen konnten. Es ist anzunehmen, dass die Anlage des Koryfí t’Aronioú als Ausguck zur Überwachung des sich nordöstlich anschließenden, von Pánormos nicht zu sehenden Meeresgebietes diente. Ebenso wie die Akropolis in Pánormos liegt sie auf einem niedrigen Hügel, nah am Meer und am gut zu bewirtschaftenden küstennahen Landstrich, aber so angelegt, dass sie von Meer aus nur schwer zu sehen ist. Die Anlage ist von Mauern umgeben; trotzdem scheint sie ebenso wie die Akropolis von Pánormos nicht dafür geeignet, einen ernstgemeinten Angriff abzuhalten, sondern diente wohl eher als Versteck und Rückzugspunkt bei schnellen Piratenangriffen.


Von der Anlage aus bietet sich ein weiter Blick über das Meer bis nach Moutsoúna. Es ist anzunehmen, dass von hier aus das nordöstlich anschließende Meeresgebiet überwacht wurde, so dass die Bewohner der weiter südlich gelegenen Siedlung in Pánormos rechtzeitig gewarnt werden konnten, wenn sich verdächtige Schiffe näherten.


Blick nach Südosten mit der Insel Kéros im Hintergrund; im Vordergrund sind zwei der kleinen Gebäude der Anlage zu erkennen.

Bei den Ausgrabungen wurden viele Scherben von Gebrauchs-Keramik (Essensgeschirr, Vorratskrüge usw.) gefunden; dazu einige Steinplatten, die dem Getreidemahlen dienten, außerdem zahlreiche Obsidiansplitter. Diese Funde zeigen, dass die Anlage als Wohnstätte diente.

Das bemerkenswerteste Gebäude der Anlage ist ein elliptisches Häuschen, das an einen kleinen, leicht ausgehöhlten Felsen herangebaut ist und als Heiligtum interpretiert wird. Interessant ist, dass es auch bei der Akropolis von Pánormos ein elliptisches Gebäude gibt, das in jüngerer Zeit als mitátos (steinernes Hirten-Wohnhaus) genutzt wurde, aber aller Wahrscheinlichkeit nach auf alten, bronzezeitlichen Fundamenten errichtet ist: Diese zwei Bauwerke sind meines Wissens die einzigen elliptischen Gebäude auf ganz Naxos – sicher kein Zufall!

Die bedeutendsten Artefakte, die bei Koryfí t’Aronioú gefunden wurden, und die überhaupt erst die Ausgrabung veranlassten, sind insgesamt zehn Schiefer- und Marmorplatten mit eingepunzten Abbildungen, die in die neuzeitlichen Mauern der Anlage eingefügt waren. Auf ihnen sind in sehr einfacher Weise Menschen und Tiere (wohl Hirsche, Rinder, Ziegen o. Ä.) und Boote dargestellt. Bei einigen Szenen handelt es sich vermutlich um Darstellungen einer Jagd (Tiere und Menschen, einmal mit Bogen), bei einer anderen um tanzende Menschen, auf zwei Platten sind Boote dargestellt, einmal mit zwei Menschen, einmal mit einem ziegenähnlichen Tier, das von einem Mensch auf ein Boot verladen wird. Die Boote gleichen mit ihrem extrem hochgezogenen Heck den Bootsdarstellungen auf den tönernen frühbronzezeitlichen „Kykladenpfannen“.

Die einzigartigen, interessanten Abbildungen wurden von Michalis Bardanis entdeckt und interpretiert, einem Mathematiker aus Apíranthos, der unermüdlich von den Bauern und Hirten von Apíranthos gefundene antike und prähistorische Artefakte einsammelte und das archäologische Museum von Apíranthos gründete, in denen diese ausgestellt sind. Es handelt sich vermutlich um „Votivtafeln“ mit denen die Nutzer des kykladischen Heiligtums beispielsweise um Erfolg bei der Jagd baten; möglicherweise sind sie auch einfach nur als „Zeichnungen“ zu verstehen, die die typischen Tätigkeiten der Bevölkerung festhalten.


Auf dem höchsten Punkt des Hügels liegt ein kleines neuzeitliches Steinhaus (mitáto), das dem ansässigen Hirten als Speicher diente; das zugehörige Wohnhaus liegt auf der windgeschützten Südseite des Hügels. Vor und neben dem neuen Häuschen sind Überreste der frühbronzezeitlichen Anlage zu erkennen.


Das Gelände auf der Hügelspitze besteht aus mehreren terrassenartigen Stufen, die durch Mauern getrennt sind und auf denen in jüngerer Zeit Getreide angebaut wurde. Links im Hintergrund das interessanteste Gebäude der Anlage, das vermutlich als Heiligtum diente.


Dieses etwa elliptische Gebäude ist an den links liegenden Felsen angebaut, der zu einer kleinen Höhlung ausgearbeitet ist. Der Boden des Gebäudes war mit Platten ausgelegt; der Eingang liegt im Vordergrund.


Hier sieht man die runde Mauer des Gebäudes; innen wird durch eine zweite Mauer ein kleiner Bereich des Raumes abgetrennt. Die Wände lehnten sich in typischer Manier der Steinhäuser leicht nach innen, so dass sich der Freiraum nach oben hin verkleinerte und das Dach durch große Steinplatten abgedeckt werden konnte.

weiter: Das archäologische Museum in Apiranthos

siehe auch:

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verwendete Literatur: Χρήστος Ντούμας, Κορφή τ’Αρωνιού, in: Αρχαιολογικό Δελτίο, Τόμος 20, Αθήναι, 1966

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