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Die geometrische Epoche

Im 12. Jahrhundert v. Chr. begannen die dorischen Volksstämme aus dem Norden auf das griechische Festland einzuwandern und es kam zu kriegerischen Auseinandersetzungen, sozialen Umwälzungen und Bevölkerungsverschiebungen. Die Volksstämme wie die Ionier, die in diesen Regionen siedelten, wichen nun größtenteils auf die Inseln und nach Kleinasien aus. Die vorangegangene mykenische Kultur erlosch und wurde durch eine neue Kultur ersetzt. Die neue Epoche, die etwa die Zeit von 1.100 bis 700 v. Chr. umfasst, wird nach den charakteristischen Verzierungen der Tongefäße dieser Zeit mit feinen, geometrischen Mustern als „geometrische Epoche“ bezeichnet. An Artefakten ist aus dieser Zeit hauptsächlich Keramik erhalten; ein bedeutender Fortschritt ist allerdings der nach und nach aufkommende Gebrauch von Eisen („Eisenzeit“).

Die „Dunklen Jahrhunderte“

Die geometrische Epoche wird auch mit dem Namen „Dunkle Jahrhunderte“ bezeichnet, weil aus dieser Zeit nur vergleichsweise wenig Überreste erhalten sind und wir viel weniger über sie wissen als über die vorangegangene mykenische Epoche und die nachfolgende archaische Epoche. Schriftliche Quellen sind nicht erhalten: Die in der mykenischen Epoche schon verwendete Schrift (die „Linear B“ genannte Silbenschrift der Mykener) war wieder außer Gebrauch gekommen. Aufgrund der Bevölkerungsverschiebungen und sozialen Veränderungen zu Beginn der geometrischen Epoche gingen der Lebensstandard der Bevölkerung und das kulturelle Niveau deutlich zurück (wenn auch nach neueren Ergebnissen der Einbruch längst nicht so groß war wie man früher annahm). Handel und Seefahrt spielten eine geringere Rolle als in den Jahrhunderten davor.

Dennoch wurde in der geometrischen Epoche der gewaltige kulturelle Aufschwung der nachfolgenden archaischen Epoche vorbereitet. Die griechische Zwölfgötter-Religion etablierte sich und die wichtigsten religiösen Zentren und Tempel wurden gegründet. Die griechischen Stadtstaaten formten sich, und es fanden die ersten Olympischen Spiele statt. In dieser Zeit entstanden die Epen Homers, zunächst als mündliche Überliferungen; gegen Ende der geometrischen Epoche wurde jedoch das phönizische Alphabet (mit Veränderungen) übernommen und so wieder eine Schrift eingeführt.

Naxos in der geometrischen Epoche

Entgegen früherer Ansichten ist die Bevölkerung der Insel Naxos in der geometrischen Epoche wohl nicht erheblich zurückgegangen. Die größte Siedlung der Insel lag (ebenso wie auch schon in der Bronzezeit) im Gebiet der heutigen Chóra, wobei sie jetzt auf den Kastro-Hügel verlegt wurde, offenbar aufgrund einer äußeren Bedrohung. Zwei der antiken Friedhöfe bei der Chóra wurden auch in dieser Zeit genutzt, einer im Süden der Siedlung und ein großer (Aplómata) im Nordosten. Die anderen bisher gefundenen geometrischen Siedlungen der Insel liegen fern der Küstengebiete an geschützten Stellen im Inselinnern (Sangrí, Mélanes, Filóti, Apíranthos u.a.).

Von großem Interesse ist der einzigartige geometrische Friedhof bei Tsikalarió zwischen dem Tal von Potamiá und der Tragaía mit großen Steinkreisen als Überresten von Tumulusgräbern und einem Menhir, der den Eingang zum Friedhofgelände markiert.

Mehrere Heiligtümer der Insel existierten schon in die geometrischen Epoche (teilweise sogar in der mykenischen Epoche)

  1. der Tempel des Dionysos bei Íria in der Nähe der Chóra
  2. ein Heiligtum an der Stelle des späteren Demeter-Tempels bei Sangrí
  3. das Heiligtum in Kamináki am Nordrand der Chóra
  4. das Heiligtum der Quellen und Steinbrüche bei Flerió (Mélanes)


Auf dem geometrischen Friedhof bei Tsikalarió sind mehrere Kreise aus aufrechten Steinen erhalten: die Umgrenzungen der ehemaligen Tumulusgräber.

Die geometrische Keramik

Aus der geometrischen Epoche ist an Artefakten hauptsächlich Keramik erhalten. Die Keramik der geometrischen Epoche ist leicht an ihrer charakteristischen Bemalung zu erkennen: Im Gegensatz zu den überwiegend figürlichen Darstellungen der vorangegangenen minoischen und mykenischen sowie der folgenden archaischen Epoche und den symbolhaften Verzierungen der Keramik der Frühen Bronzezeit, ist die geometrische Keramik von nicht-figürlichen Motiven, von Linien und geometrischen Mustern geprägt. Erst in der Spätzeit tauchen zunehmend auch wieder Figuren, vor allem als rundumlaufende Friese auf; diese sind jedoch meist sehr schematisch, fast wie Strichmännchen dargestellt.


geometrischer Krater mit charakteristischer Verzierung mit sorgfältig gezogenen Kreisen und Linien


Vasen aus einem Grab der geometrischen Epoche der Chóra, 9. bis 8. Jhd. v. Chr.


große Amphoren aus Gräbern der geometrischen Zeit

Die auf Naxos gefundene Keramik aus der frühen geometrischen Epoche war zu großen Anteilen aus Attika importiert, was enge Verbindungen der Insel nach Attika beweist; auch als etwas später mehr und mehr Keramik auf der Insel selbst produziert wurde, besaß diese einen klar „attischen“ Stil, der oft die attische Keramik bis in die kleinsten Feinheiten nachahmte. Im 9. Jhd. v. Chr. nimmt die Menge der Keramik im attischen Stil etwas ab. Nun sind zusätzlich Tonwaren in euböischem Stil zu finden, der insbesondere in der Spätzeit der geometrischen Epoche eine große Bedeutung erlangte; zudem treten in geringerem Maß Tonwaren in parischem und kretischem Stil auf. Für das 7. Jahrhundert können zwei große naxiotische Werkstätten nachgewiesen werden, von denen die eine einen attischen, die andere einen euböischen Stil benutzte; beide besaßen jedoch spezielle lokale Charakteristika, an denen sie klar zu erkennen sind. Bemerkenswert ist an der naxiotischen Keramik vor allem die hohe Qualität nicht nur der Materialien, sondern auch der Technik der Herstellung und der Bemalung sowie deren harmonische Komposition.

Beziehungen zur näheren und ferneren Umgebung

Wir wissen wenig über die Rolle, die Naxos im Griechenland der geometrischen Epoche spielte. Eine der wenigen Informationsquellen sind die Funde naxiotischer Keramik in der näheren und weiteren Umgebung. Wie zu allen Zeiten exportierte die Insel Naxos auch während der geometrischen Epoche vergleichsweise wenig Keramik, das heißt der Handel mit Tonwaren spielte eine eher geringe Rolle, obwohl auf der Insel eine bedeutende und hochwertige Produktion für den lokalen Gebrauch existierte. Immerhin müssen nach den Funden Beziehungen zu den näheren Inseln der Ägäis bestanden haben, insbesondere nach Delos und Paros, aber auch Amorgos, das von Naxioten besiedelt worden war. Auf Kreta wurde naxiotische Keramik vor allem in Knossós gefunden, das über einen längeren Zeitraum engen Kontakt zur Insel gehabt haben muss.

Was die weitere Umgebung betrifft, so wurden wenige Stücke naxiotischer Tonwaren auch in anderen Gegenden des Mittelmeeres gefunden, so beispielsweise in Syrien und in Italien; alle diese Stücke tauchen jedoch ausschließlich in Begleitung euböischer Keramik auf. Die Euböer besaßen während dieser Zeit eine bedeutende Handelsflotte, die einen großen Teil der Ägäis und des Mittelmeeres bereiste. Insbesondere für nach Osten reisende Schiffe war die Insel Naxos sicher ein wichtiger Anlaufhafen. Es ist anzunehmen, dass die Präsenz naxiotischer Keramik in kleinen Mengen auch an weit entfernten Fundstellen darauf zurückzuführen ist, dass einzelne naxiotische Händler mit den euböischen Schiffen mitreisten.

In einem Bericht über die geometrische Epoche auf Naxos dürfen wir natürlich die erste griechische Kolonie auf Sizilien nicht vergessen, die um 750 v. Chr. von Euböern und Naxioten gegründet wurde. Auch hier gilt, dass die Naxioten eine wesentlich geringere Rolle spielten als die Euböer, auch wenn die Kolonie den Namen „Naxos“ erhielt: Die direkten Nachweise naxiotischen Einflusses im sizilianischen Naxos sind eher gering, und fast alle dort gefundene Keramik ist euböisch.

Sehenswürdigkeit der geometrischen Epoche: Der Tumulus-Friedhof bei Tsikalario aus der geometrischen Zeit

weiter: Die archaische Epoche

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zum Weiterlesen:

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verwendete Literatur: Παναγιώτα Κούρου-Μποζάνα, Η ναξιακή παρουσία στο Αιγαίο και την Μεσόγειο κατά τη γεωμετρική εποχή, in: Η Νάξος δια μέσου των Αιώνων, Πρακτικά του Α Πανελλήνιου Συνεδρίου, Επιμέλεια: Ιωάννης Κ. Προμπονάς, Στέφανος Ε. Ψαρράς, Αθήνα 1994