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Tsambouna – der griechische Dudelsack

Die Geschichte der Tsamboúna

Wir wissen nur wenig über die Geschichte der Tsamboúna, des griechischen Dudelsacks. Die ersten Abbildungen von Musikinstrumenten von den Kykladen stammen aus der Bronzezeit: Es handelt sich um Idole, die Musikanten abbilden, einen Harfenspieler und einen Flötenspieler, der mit zwei Rohrflöten spielt, die den Spielrohren des Dudelsacks ähneln. Während Dudelsäcke in ganz Europa, Westasien bis Indien und Nord- und Ostafrika weit verbreitet sind, wissen wir über ihren Ursprung recht wenig. Teilweise mag das daran liegen, dass es sich um ein Volksinstrument handelte, das von den einfachen Dorfbewohnern, insbesondere den Hirten verwendet wurde. Die erste Abbildung eines Dudelsacks im griechischen Raum stammt aus der hellenistischen Zeit (3. Jhd. v. Chr.): Es handelt sich um ein Schmuckstück, auf dem ein Satyr abgebildet ist, hinter dem ein Dudelsack an einem Baum hängt. Andere antike Abbildungen, oft jedoch nicht besonders eindeutige, kennt man aus Persien und Ägypten. Aus dem frühen Mittelalter stammen die ersten sicheren Nachweise, die zeigen, dass die damals benutzten Instrumente den heutigen schon sehr ähnlich waren; Herstellung, Spieltechnik und vermutlich auch Musik haben sich in den folgenden Jahrhunderten kaum mehr verändert. Über die Römer gelangte der Dudelsack nach Mittel- und Westeuropa.

Der Ausdruck „Tsambouna“ leitet sich interessanterweise vom italienischen Wort Zampogna ab, einer in Zentralitalien üblichen Bezeichnung für den Dudelsack, welche ihrerseits vom griechischen „symphonia“ stammt (wörtlich „harmonischer Zusammenklang“), ein Wort, das zeitweise als Bezeichnung für den Dudelsack verwendet wurde.

Was ist eine Tsamboúna?

Die Tsambúna besteht aus dem askí, dem aus einem Ziegenfell gefertigten Luftsack, aus dem epistómio, dem Mundstück, über das der Spieler die Luft in den Sack bläst, und der syskeví paragogís íchou, der Spielpfeife, mit der der Ton erzeugt wird und auf der der Spieler die Melodie spielt. In der Spielpfeife sitzen zwei identische Spielrohre.


Die typische Tsamboúna von den Ägäisinseln besitzt zwei identische Spielrohre mit je 5 Löchern.

Die Tsamboúna war früher eines der wichtigsten Instrumente in der griechischen Volksmusik, bis sie im Lauf des letzten Jahrhunderts auf dem Festland von der Klarinette und auf den Inseln von der Geige verdrängt wurde. Heutzutage wird sie wieder häufiger gespielt; man versucht, diese schöne, alte Tradition wiederzubeleben. Unentbehrlich ist die Tsamboúna nach wie vor zu Karneval, wo sie von der Trommel, dem Toumbáki, begleitet wird.

Die Herstellung der Tsamboúna

Die Tsamboúnes werden von den Spielern üblicherweise selbst hergestellt. Für die Herstellung werden traditionellerweise ausschließlich natürliche Materialien verwendet: Ziegenfell, Kuhhorn, Knochen, Rohr, eventuell auch anderes Holz und Lederriemen. Wegen der größeren Haltbarkeit benutzen die meisten Spieler statt der Lederriemen heute Nylonband.

Ich danke ganz herzlich Vangelis Korres für seine Demonstration der Herstellung einer Tsamboúna und für seine vielen interessanten Informationen zum Thema. Auch seiner Familie sei herzlich für ihre Geduld und ihre freundliche Bewirtung gedankt.


Hier sieht man die Materialien, die zur Herstellung einer Tsamboúna benötigt werden: von links nach rechts: Binsenhalme, Rohrstöcke verschiedener Dicke, Knochen oder Holz für das Mundstück, Lederriemen (heute benutzt man meist Nylonschnur) und ein Kuhhorn. Ganz rechts liegt eine aus Rohr gefertigte Hirtenflöte.


Ganz links oben ist das Fell zu sehen, ferner liegen hier Gerätschaften zum Bearbeiten des Horns (Raspel und Glasscherbe), Hörner in verschiedenem Fertigkeitszustand und zwei Knochen für das Mundstück.

1. der Luftsack (askí)


Für den Luftsack wird das Fell einer kleinen Ziege verwendet, von dem der hintere Teil ab den Hinterbeinen abgeschnitten ist. Das Haar wird nicht entfernt, sondern nur kurz geschnitten; es ist nützlich, da es die Atemfeuchtigkeit aufnimmt, so dass diese den Flöten nicht schaden kann.


Die Innenseite des Fells wird sehr sorgfältig von Fett- oder Fleischresten gesäubert und danach mit grobem Meersalz eingerieben.


Dann wird es eng aufgerollt…


…und wie ein Strumpf durch „Überziehen“ zusammengehalten. So muss es mindestens 2 Wochen verbleiben. Danach wäscht man es im Meer.


Nun wird zuerst die hintere Öffnung zugeschnürt, indem man einen kleinen Stock durch in den Rand des Felles eingestanzte Löcher fädelt.


Der Stock wird danach knapp abgeschnitten…


…und alles mit Nylonband (früher nahm man Lederriemen) fest zugebunden.


Es ist wichtig, dass das Band sehr fest angezogen wird, damit es wirklich dicht ist, so dass der Sack später keine Luft verliert.


Danach wird das Fell durch die noch offene Halsöffnung auf links gedreht.


Als Nächstes wird der Hals durch eins der Beine wieder nach außen gestülpt…


…und auf dieselbe Weise zugeschnürt.

2. das Mundstück (epistómio)


Das Mundstück besteht üblicherweise aus einem kleinen längs durchbohrten, polierten Beinknochen einer Ziege, seltener auch aus Holz. Als Rückschlagsklappe verwendete man früher Lederklappen, heute kann man, wie hier, den Plastikaufsatz einer Whisky-Flasche verwenden (mit Klebeband am Knochen befestigt).


Das Mundstück wird in einem Beinloch befestigt, das durch das andere Bein nach außen gezogen worden ist.


Auch hier muss man wieder sehr gut zuschnüren.


Nun bindet man auch das andere Beinloch vorläufig zu und bläst den Sack schon einmal auf.


Dann wird die nun außen liegende Innenseite des Fells noch einmal sorgfältig mit einem Messer sauber geschabt.

3. die Spielpfeife (syskeví paragogís íchou)


Die Spielpfeife besteht aus zwei identischen Spielrohren, die je aus zwei Stücken zusammengesetzt sind, und nebeneinander in einem dickeren, längs aufgeschnittenen Rohr liegen. Daran ist als Schalltrichter ein Kuhhorn befestigt.

3.a bibíkia


Die bibíkia, die den Ton erzeugen, werden aus einem kleinen, schmalen, auf der einen Seite durch einen natürlichen Knoten geschlossenen Rohrstück gefertigt. Dazu schneidet man das Rohr längs so ein, dass eine kleine Zunge entsteht, die schwingen kann.


Unter der Zunge wird ein Faden durchgezogen, so dass sie ein wenig absteht. Dann schabt man sie von oben etwas ab, so dass sie Platz zum Schwingen erhält. Zum Stimmen kann man einen Faden um die Zunge wickeln, so dass sie nur auf einem kürzeren Stück schwingen kann.


Die bibíkia werden in die entsprechend größeren bibikománes gesteckt, die im großen, aufgeschnittenen Rohr, der skáfi, befestigt werden.

3.b skáfi


Die skáfi, das Rohrstück, in dem bibíkia und bibikománes stecken, ist an beiden Seiten halb aufgeschnitten, auf der einen Seite von oben für die bibikománes und auf der anderen Seite von unten für die bibíkia (siehe voriges Foto). In der Mitte ein bibíki.


Die bibikománes werden mit Bienenwachs in der skáfi festgeklebt.

3.c bibikománes


Hier sieht man noch einmal oben eine fertige Spielpfeife (ohne Schalltrichter), unten eine leere skáfi und in der Mitte die ineinandergesteckten bibíkia (eines mit Faden zum Stimmen umwickelt) und bibikománes.


Wenn die bibikománes in der skáfi befestigt sind, werden die Stellen für die Löcher markiert.


Die Löcher werden mit einem glühenden Nagel eingebrannt.


Jedes Rohr bekommt 5 Löcher in den gleichen Abständen.


Nun kann man schon spielen.

3.d der Schalltrichter (choní)


Der Schalltrichter wird aus einem Kuhhorn gefertigt. Das Horn wird von außen mit einer Raspel grob abgeschabt.


Zum Glätten benutzt man eine Glasscherbe.


Mithilfe der Glasscherbe kann das Horn perfekt poliert werden.


Die Schmucklöcher arbeitet man mit einem Bohrer ein.


Die Spielpfeife ist fertig. Jetzt muss man noch die Stimmung der beiden Flöten überprüfen.


Wenn eines der beiden Spielrohre einen leicht abweichenden Ton erzeugt, kann man das durch einen Binsenhalm, den man von unten in die bibikomána steckt, korrigieren.


Als letztes muss die Spielpfeife noch sorfältig am Dudelsack befestigt werden, und zwar im zweiten Beinloch.


Fertig ist die Tsamboúna!

Das Fell der Tsamboúna hält nur wenige Jahre, danach muss es ersetzt werden. Auch die Rohrflöten sind empfindliche Instrumente, die nicht ewig halten. Die Tsamboúna ist ein „lebendiges“ Instrument, das sich im Gegensatz zu maschinell gefertigten Instrumenten nicht immer gleich verhält. So stellen sich beispielsweise nicht alle Felle als gleich gut geeignet heraus, ohne dass man einen Grund erkennen kann. Es wird übrigens natürlich kein Tier extra für die Anfertigung einer Tsamboúna geschlachtet, sondern im Gegenteil: Die Verwandlung des heute wertlosen Fells in einen Dudelsack haucht ihm (im wahrsten Sinne des Wortes) ein neues Leben ein.

Die Stimmung und das Spiel

Jedes der zwei Spielrohre hat bei dem auf den meisten Inseln üblichen Dudelsack fünf Löcher. Der Spieler spielt auf den zwei oberen Löchern mit den Fingern der linken Hand und auf den drei unteren mit der rechten Hand. Er verschließt beim Spielen je beide Löcher gleichzeitig, außer beim untersten Loch, bei dem manchmal nur das eine Loch geschlossen wird, so dass der andere Ton kontinuierlich weiterläuft; das ergibt den typischen Klang, der bei unseren Dudelsäcken durch die Bordune erzeugt wird, das Extra-Rohr, das kontinuierlich denselben Ton spielt.

Die Tsamboúna besitzt eine sehr ungewöhnliche Stimmung, da zwischen allen Tönen ein Ganztonschritt liegt. Als Grundton der Melodie dient gewöhnlich der zweittiefste Ton. In C-Dur gedacht spielt die Tsamboúna also folgende Töne: B-C-D-E-Fis.


Die Tsamboúnes von der Insel Kálimnos haben in der einen Flöte nur ein Loch, was den Effekt einer Bordune erzeugt.


Vangelis spielt Tsamboúna

Auch zum Anhören (mp3, 5MB): Vangelis und Nikos spielen Tsamboúna und Toumbáki


Üblicherweise wird die Tsamboúna vom Toumbáki, der ebenfalls handgefertigten Trommel, begleitet.

Hier kann man hören, wie eine Tsamboúna klingt: Tsambouna gespielt von Manolis Choúlis

siehe auch:

zum Weiterlesen:

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