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Panagia Chrysopigi bei Apiranthos

Auf dem Bergrücken Korakiá südlich von Apíranthos liegt eine winzige verfallene Kirche namens Panagía Chrysopigí. Es handelt sich um ein sehr ungewöhnliches, auf Naxos einzigartiges Bauwerk. Der Archäologe Georgios Mastoropoulos folgert aus der Kleinheit des Gebäudes und des für eine Kirche sehr ungewöhnlichen Mauerwerkes, dass seine Nutzung als Kirche nur eine nachträgliche Verwendung war und dass es sich ursprünglich um ein Grabmal gehandelt habe, das vermutlich aus der mykenischen Zeit stammt.

Die Kirche liegt in etwa einer halben Stunde Entfernung von Apíranthos nahe beim Pass nach Danakós, von wo aus man die Kirche in etwa 10 Minuten erreichen kann, indem man oberhalb des kleinen Tales von Karkós durch einen malerischen Eichenhain geht.


Die Kirche Panagía Chrysopigí liegt auf dem Bergrücken Korakiá östlich dieses malerischen eichenbestandenen Hochtals namens Karkós zwischen Apíranthos und Danakós (etwas rechts der Mitte).


Hier ist die kleine Kirche auf dem Marmorhügel oberhalb des Eichenhains zu erkennen (vom selben Standort aufgenommen wie das vorige Bild).


die Kirche Panagía Chrysopigí von Süden


Die Kirche besteht aus zwei seitlich aneinandergebauten Räumen. Die Decke des Gebäudes ist eingestürzt.


Das Bauwerk ist von einem größtenteils verfallenen, runden Umfassungswall umgeben. Im Hintergrund der Zeus-Berg.


Die Umfassungsmauer ist nur an wenigen Stellen einigermaßen erhalten.


Auf dem Hügel steht Marmor von hervorragender Qualität an. Direkt neben der Kirche sind Stellen erkennbar, an denen Steine abgebaut worden sind.


Auch hier kann man Spuren des Abbaus erkennen.


Der nördliche Teil des Gebäudes hat einen Vorbau im Westen, der höchstwahrscheinlich jünger ist als der Rest des Gebäudes. Sein Eingang ist aus großen monolithischen Marmorblöcken gefügt.


Blick durch den Eingang in den Vorraum und auf den ebenfalls monolithischen Eingang zum Hauptraum. Der Vorraum ist 1,65 Meter lang und größtenteils aus flach liegenden Steinen errichtet.


Oberhalb der Eingänge sind kleine Luken gemauert.


Blick durch den (inneren) Eingang in den 2,75 Meter langen Hauptraum. Das Gebäude ist genau nach Osten ausgerichtet.


Das Mauerwerk des Hauptraumes ist sehr ungewöhnlich: Es besteht aus sehr großen, sorgfältig aneinander gefügten Steinen, die teilweise aufrecht stehen. Der Raum verengt sich nach oben hin, indem die Wände nach innen hin breiter werden.


Blick zurück auf den Eingang


Blick von oben in den sehr engen Hauptraum.


Die Wände des Hauptraumes sind außergewöhnlich dick. Unten besitzen sie je etwa dieselbe Breite wie der Innenraum, nämlich 1,50 Meter. Durch die Verbreiterung der Wände nach oben hin sinkt dort die Breite des Freiraums auf unter einen Meter, während die Wände oben um die 1,75 Meter dick sind.


Die Wände bestehen aus zwei Reihen großer Steinplatten, die unter Verwendung von Tonerde vermauert sind.


der Hauptraum von Norden; man erkennt die doppelte Wand


Das Gebäude von hinten mit der teilweise eingestürzten Ecke. Das Gemäuer ist hier von außen wesentlich weniger sorgfältig ausgeführt als die Innenwand. In der linken Wand ist die als Mörtel verwendete rötliche Tonerde erkennbar.


Südlich ist an das Hauptgebäude ein etwas kleinerer Raum angebaut, der wahrscheinlich jüngeren Datums ist. Auch sein Eingang liegt nach Westen und ist teilweise aus großen Blöcken errichtet, aber die Südwand ist ein ganzes Stück schmaler als die Wände des Hauptraums.


Der südliche Raum von hinten; bei ihm ist keine Verengung nach oben hin erkennbar.

Mehrere Aspekte der Architektur der Panagía Chrysopigí sind überaus ungewöhnlich. Typisch für eine Kirche ist eigentlich nur die Ausrichtung des Gebäudes nach Osten und der im Westen liegende Eingang. Dagegen fehlt die Apsis, die Rundung des Altarraumes nach Osten, die fast bei allen Kirchen auftritt. Außerdem macht die Kleinheit des Raumes eine Nutzung als Kirche fast unmöglich. Sehr bemerkenswert ist die einzigartige Dicke der Mauern insbesondere im Vergleich zur Winzigkeit des Gebäudes. Das aus sehr großen Steinen sorgfältig gefügte Mauerwerk ist völlig untypisch für byzantinische Gebäude und lässt ein weit größeres Alter vermuten. Bemerkenswert ist ferner der runde Umfassungswall, der gewiss eine besondere Bedeutung gehabt hat. Die genannten Besonderheiten der Architektur deuten stark darauf hin, dass das Gebäude älter als byzantinisch ist und dass es nur sekundär als Kirche genutzt wurde. Eine derartige Umfunktionierung eines älteren Bauwerkes zur Kirche ist durchaus nicht ungewöhnlich: Fast alle antiken Tempel und Heiligtümer wurden später in Kirchen umgewandelt.

Das Gebäude der Panagía Chrysopigí weist gewisse Ähnlichkeiten mit den üblichen einfachen Steinhäusern der Hirten auf, den sogenannten mitátoi (Einzahl mitátos). Dazu gehört vor allem die Mauertechnik, bei der der Innenraum durch eine Verdickung der Wände nach oben hin verengt wird. Da meist keine langen Holzbalken zum Abdecken der Häuser zur Verfügung standen, mussten die Räume mit Steinplatten abgedeckt werden. Diese haben natürlich nur eine begrentze Größe, aber durch das Verbreitern der Wände nach oben hin konnte ein ausreichend großer Innenraum erreicht werden. Andere Merkmale der Panagía Chrysopigí kommen jedoch bei gewöhnlichen mitátoi nie vor, so der Eingang an der Schmalseite, die sehr dicken Mauern und die auffällig großen, teilweise senkrecht stehenden Steine der Innenwand.


Zum Vergleich ein typisches mitátos, ein aus Stein gemauertes Hirtenhaus; dieses liegt in direkter Nähe der Panagía Chrysopigí. Bei den mitátoi liegen der Eingang immer etwa auf der Hälfte der Längsseite.


Der Eingang besteht auch hier aus großen Marmorblöcken, die allerdings nicht ganz so monumental wirken wie bei der Panagía Chrysopigí.


Innen sieht man die Verengung des Innenraums nach oben hin, die durch eine Verbreiterung der Wände entsteht; von außen ist das Gebäude normal rechteckig. Das Mauerwerk ist aus eher kleinen, liegenden Steinen gefügt.


Durch die Verbreiterung der Wände wird der Innenraum so weit verengt, dass er durch große Steinplatten abgedeckt werden kann.

Aus welcher Zeit mag nun das Gebäude der Panagía Chrysopigí tatsächlich stammen und was mag seine ursprüngliche Funktion gewesen sein? Wie der Archäologe G. Mastoropoulos aufweist, ähnelt das Mauerwerk am ehesten dem von manchen mykenischen Grabmalen. Auch die charakteristische Verengung des Innenraums nach oben hin ist hier und da schon bei mykenischen Bauwerken zu finden. Auf Naxos lag eine bedeutende mykenische Stadt an der Stelle der heutigen Chóra. Ein mykenisches Grab, das dem Bauwerk der Panagía Chrysopigí teilweise ähnlich ist (auch mit Verengung nach oben hin), liegt an der Ostküste südlich von Moutsoúna. In der Nähe des Dorfes Komiakí im Norden der Insel wurde ein mykenisches Kuppelgrab gefunden. Es ist durchaus denkbar, dass es sich bei Panagía Chrysopigí ursprünglich um ein mykenisches Grabmal handelte; es würde dann etwa aus der Zeit um 1200 v. Chr. stammen. Es hätte an der höchsten, markanten Stelle einer Wegverbindung zwischen der mykenischen Stadt in der Chóra und einer hypothetischen Siedlung in der Nähe des mykenischen Grabes bei Moutsoúna gelegen.

Auch der Name der Kirche könnte übrigens darauf hinweisen, dass es sich ursprünglich um ein mykenisches Grab handelte: Chrysopigí bedeutet Goldquelle. Ein ungewöhnlicher Name für eine Kirche – klingt in ihm vielleicht die Erinnerung an goldene Grabbeigaben nach, wie sie bei den Mykenern üblich waren? Wie auch immer – sicher ist, dass es sich bei der Panagía Chrysopigí um ein außergewöhnliches und besonders interessantes Bauwerk handelt!

siehe auch:

Zum Inhaltsverzeichnis

verwendete Literatur: Γεώργιος Μαστορόπουλος, Παναγία η Χρυσοπηγή: Ένα άγνωστο μυκηναϊκό μνημείο στην Απείρανθο Νάξου, in: Η Νάξος δια μέσου των Αιώνων, Πρακτικά του Β Πανελλήνιου Συνεδρίου, Επιμέλεια: Ιωάννης Κ. Προμπονάς, Στέφανος Ε. Ψαρράς, Αθήνα 2003